7. April 2015 – Zurück in Florida

pfaffenbergkl

08.00 Uhr Der Radiowecker springt an und ich rolle mich juchzend aus dem Wasserbett. Voller Elan eile ich mit Dixon im Schlepptau an die frische Luft und freue mich, endlich wieder im Rentnerparadies zu sein. Weil mir die Füsse von der anstrengenden Kulturreise in den “grossen Apfel” schmerzen, verzichte ich auf den Frühsport. Stattdessen nehme ich eisteeschlürfend in der Hollywood Schaukel platz und blättere in der Zeitung.

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Der Radiowecker springt an

08.30 Uhr Kurze Zeit später kommt Herr Booth dazu und erkundigt sich, ob ich spannende Abenteuer in der Weltkulturhauptstadt erlebt habe. Ich nicke eifrig und zögere nicht, dem Kriegsveteran von meinen Erlebnisse zu berichten. Natürlich komme ich auch auf das Musical “The Book of Mormon” im Eugen O’Neill Theater zu sprechen und unterbreite, dass ich aus dem Lachen gar nicht mehr herausgekommen bin. Herr Booth schenkt mir ein Lächeln und erzählt, dass er im Sommer ebenfalls verreisen und an einem Veteranentreffen in Washington DC teilnehmen wird – das soll mir Recht sein.
09.00 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, die Seele bei einem Wirbelbad baumeln zu lassen. Ich wünsche meinem Nachbarn einen schönen Tag und ziehe mich dann in die Nasszelle zurück. Während meine geschundenen Glieder vom lauwarmen Sprudelwasser umspült werden, rufe ich bei Prof. Kuhn an und lote aus, ob wir in Julies Restaurant frühstücken wollen. Der schlaue Mann lehnt jedoch ab und meint, dass er heute Wäsche waschen und zum Einkaufen fahren muss. Achselzuckend beende ich das Telefonat und greife zum Schwamm.
10.00 Uhr Weil eine Mahlzeit in Gesellschaft viel besser schmeckt, ziehe ich es vor, nach dem Badespass meiner Nachbarin einen Besuch abzustatten. Frau Pontecorvo begrüsst mich herzlich und sagt, dass sie soeben Pancakes (löblich: Eierkuchen) gezaubert hat. Ich reibe mir den Bauch und folge der Perle spornstreichs in die Küche.
10.30 Uhr Als ich Dixon vom Toast (löblich: geröstete Weissbrotscheibe) abbeissen lasse, löchert mich Frau Pontecorvo mit Fragen und möchte wissen, ob wir in Bälde gemeinsam verreisen wollen. Meine Nachbarin strahlt übers ganze Gesicht und schlägt einen Karibikurlaub vor. Ich schüttle den Kopf und entgegne, dass ich zu viel Geld für die Wohnzimmerrenovierung und die Kulturreise nach New York ausgegeben habe. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, nehme ich einen letzten Schluck Kaffee und verabschiede mich dann nach nebenan.

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Ich trinken Kaffee / Bild: Nevit Dilmen / CC BY-SA 3.0

11.00 Uhr Da im Eiskasten gähnende Leere herrscht, fasse ich den Entschluss, Edelberts Beispiel zu folgen. Ruckzuck setze ich mir die NY YANKEES Kappe auf und erkläre dem Vierbeiner, dass wir jetzt den PUBLIX Supermarkt am Tamiami Trail ansteuern werden. Mit einem lustigen Lied auf den Lippen helfe ich dem Racker in den Chevrolet und lausche während der kurzweiligen Reise der nagelneuen Darius Rucker Musikscheibe “Southern Style” (löblich: Südlicher Stil) – was kann es schöneres geben.


Darius Rucker – Southern Style

11.30 Uhr Am Ziel angekommen, mache ich einer unterbelichteten Rentnerin mit rosa Haaren einen Einkaufswagen streitig. Danach schlendere ich pfeifend durch die breiten Gänge des Marktes und wähle vitaminreiche Lebensmittel aus. Unter anderem erwerbe ich drei Tüten Lay’s Kartoffelchips, Erdnussbutter sowie lustiges Vanilleeis in einem praktischen 3 Liter Plastikeimer – schon jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
12.30 Uhr Nach geschlagenen sechzig Minuten werde ich an der Kasse vorstellig und erfahre, dass ich knapp 80 Dollars bezahlen muss. Augenrollend krame ich meine GOLDEN HEAD Geldbörse aus der Hosentasche und kündige an, bald im Armenhaus zu landen – was muss ich denn noch alles ertragen.
13.00 Uhr Mit knurrendem Magen schleppe ich die Einkaufstüten zum Auto und fordere das Haustier auf, von der Ladefläche zu springen und mir ins benachbarte “Dairy Queen” (löblich: Molkerei Königin) Gasthaus zu folgen. Um nicht Hunger leiden zu müssen, fackle ich nicht lange und ordere an der Essensausgabe zwei Cheeseburger (löblich: Käseburger) mit Kartoffelstäben, Krautsalat sowie einen grossen Becher Diät Cola – das schmeckt.
13.45 Uhr Nach der Stärkung kehre ich gesättigt zum Auto zurück und trete den Heimweg an. Weil ich meine Zeit nicht gestohlen habe, setze zu waghalsigen Überholmanövern an und betätige regelmässig die Hupe.
14.30 Uhr Zuhause angekommen, räume ich die Lebensmittel in den Kühlschrank ein und vergesse auch nicht, Dixons Näpfe mit H²O und Trockenfutter zu füllen. Im Anschluss falle ich aufs Kanapee und döse prompt ein.
15.30 Uhr Ich erwache ausgeruht und nutze die Nachmittagsstunden, um elektronische Briefe zu beantworten. Neben der Anschnurseelsorge, verfasse ich auch eine Depesche an meine Verwandten in Toronto und schreibe, dass ich mich mittlerweile an das schwülwarme Klima in Südflorida schon wieder gewöhnt habe.
16.30 Uhr Nachdem ich die Einträge im Gästebuch überflogen habe, beende ich die Arbeit und unternehme mit Dixon einen kleinen Spaziergang durchs Wohngebiet. Ich werfe dem Wildfang Stöckchen zu und ermahne ihn, keine Menschen anzubellen – wo kämen wir denn da hin.

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Mein Zuhause unter Palmen

17.15 Uhr Endlich kann ich die Haustüre zur kleinen Villa aufstossen und mich um das kulinarische Wohl kümmern. Um bei dieser Affenhitze nicht stundenlang am heissen Herd stehen zu müssen, schiebe ich eine Fertigpizza ins Rohr und fresse dazu einen gesunden Tomatensalat – das tut gut.
18.00 Uhr Ein nervenaufreibender Tag neigt sich langsam seinem Ende zu. Ich schlüpfe aus den schweren Kuhnjungenstiefel und mache es mir in der frisch renovierten Stube bequem, um mir die Nachrichten anzuschauen.
19.00 Uhr Als die Sonne hinter einer hochgewachsenen Palme verschwindet, wechsle ich den Kanal und fröne auf dem Bezahlsender SHOWTIME einigen Episoden der preisgekrönten Serie “Shameless”. Nebenher verzehre ich Kartoffelchips und lösche meinen Durst mit eiskaltem Budweiser – das schmeckt.
21.00 Uhr Als nach der dritten Folge der Abspann über den neumodernen Flachbildschirm flimmert, beende ich den Fernsehabend und rufe Dixon ins Haus. Anschliessend reguliere ich die Klimaanlage und gehe zu Bett. Gute Nacht.