08.00 Uhr Ich öffne die Augen und freue mich, Mieterin Sandra endlich aus dem Haus zu haben. Voller Elan hüpfe ich aus dem Bett und laufe zielstrebig nach draussen, um meine eingerosteten Muskeln zu stählen.
08.30 Uhr Nach der Morgengymnastik schenke ich mir ein Glas Orangensaft ein und geniesse die himmlische Ruhe in vollen Zügen. Ausserdem rede ich auf Hund Dixon ein und gebe zu Protokoll, dass die letzten Wochen sehr anstrengend waren. Der Vierbeiner legt seinen Kopf schief und zieht es vor, mit einem Stöckchen im Maul zum Teich zu laufen. Ich nehme einen letzten Schluck O-Saft und verabschiede mich dann ins Badezimmer.
Hund Dixon legt seinen Kopf schief
09.00 Uhr Als ich meine Seele bei einem Wirbelbad baumeln lasse, schellt plötzlich das Telefon und ich habe das Vergnügen mit Edelbert sprechen zu können. Der Professor legt schlechte Laune an den Tag und berichtet, dass die Restaurants und Hotels im Zentrum bereits den bevorstehenden “Spring Break” (löblich: Frühlingsbruch) mit Zeitungsannoncen bewerben. Ich lege meine Stirn in Falten und informiere, dass in einem Monat unzählige Studierende nach Florida kommen werden, um ausgelassen zu feiern. Der Professor nickt eifrig und setzt mich darüber in Kenntnis, dass es angebracht wäre, Ende Februar zu verreisen.
Frühlingsbruch (unlöblich: Spring Break) – Ich sage Nein
10.00 Uhr Sechzig Minuten später beende ich den Badespass und brühe frischen Kaffee auf. Darüber hinaus schneide ich Capocollo auf und vergesse auch nicht, zwei Scheiben Weissbrot in den Röster zu verfrachten. Zu allem Überfluss stösst just in diesem Augenblick Frau Pontecorvo die Terrassentüre auf und lotet aus, ob sie mir beim Frühstück Gesellschaft leisten darf. Ich stimme prompt zu und hole ein weiteres Gedeck aus dem Schrank.
10.30 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse und meine ausgetrocknete Kehle mit echtem Bohnenkaffee spüle, erzählt meine Tischnachbarin, dass sie gleich in die Stadt fahren und einen Frisörtermin wahrnehmen wird. Die Dame kommt aus dem Schmunzeln gar nicht mehr heraus und meint, dass auch ich einen Termin vereinbaren und mir die Wolle vom Kopf scheren lassen sollte. Weil Sauberkeit und gutes Aussehen heutzutage sehr wichtig sind, nehme ich mir den Vorschlag zu Herzen und fasse den Entschluss, nach dem Frühstück zum “Great Clips Hair Cut Salon” an der Pine Ridge Road zu krusen. Meine Nachbarin macht grosse Augen und erklärt, dass dieser Billigladen keinen guten Ruf hat. Ich zucke mit den Schultern und weise auf die Tatsache hin, dass ich finanziell keineswegs auf Rosen gebettet bin und für einen Haarschnitt bestimmt keine 50 Dollars ausgeben werde.
11.15 Uhr Nachdem ich Frau Pontecorvo verabschiedet und Hund Dixon bei Familie Crane in Obhut gegeben habe, hüpfe ich in den Chevrolet Suburban und presche gutgelaunt vom Grundstück. Während der kurzweiligen Reise lasse ich mir den Wind durch die Haare wehen und fröne angesagten Schlägen auf der Frequenz von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) – was kann es schöneres geben.
Katze Land – der beste Radiosender
11.45 Uhr Kurz vor der Mittagszeit betrete ich den Frisörsalon und ärgere mich, nicht der einzige Kunde zu sein. Missmutig lasse ich mich auf einer Bank nieder und stecke meine Nase in ein Hochglanzmagazin. Nebenbei beobachte ich die Mitarbeiterinnen und bemerke, dass die Damen mit Kamm und Schere umzugehen wissen.
12.30 Uhr Nach einer geschlagenen Dreiviertelstunde bin ich endlich an der Reihe. Eine platinblonde Schönheit mit barocken Formel lotst mich zu einem Frisörsessel und erkundigt sich, ob ich eine Tönung benötige. Ich winke demonstrativ ab und bitte das Kind, mir die Haare zu waschen und einen flotten Schnitt zu verpassen.
13.00 Uhr Die hübsche Maid kommt dem Aufruf anstandslos nach und plappert darüber, dass sie 23 Jahre alt ist und sich bald selbständig machen wird. Ich nicke eifrig und vernehme, dass das Fräulein mit der Idee spielt, in der Nachbargemeinde Immokalee einen eigenen Salon zu eröffnen – das soll mir auch Recht sein.
13.30 Uhr Nachdem mir die kleine Frau Gel ins Haar geschmiert und 9 Dollars abgeknöpft hat, verlasse ich das Geschäft und stelle mit grosser Freude fest, dass direkt in der Nachbarschaft ein “Honey Baked Ham Store” (löblich: Honiggebackener Schinken Geschäft) ist. Ich fackle nicht lange und nehme mir das Recht heraus, einen “Turkey Bacon Ranch Burger” (löblich: Truthahnschinken Bauernhof Burger), einen Chicken Salad (löblich: Hühnersalat) sowie eine Portion Kartoffelstäbe zum Mitnehmen zu bestellen. Danach kehre ich pfeifend zum PS-strotzenden SUV zurück und trete die Heimreise an.
Ich beisse kraftvoll zu
14.00 Uhr Zurück im Willoughby Drive hole ich den Vierbeiner bei den Cranes ab und kann es kaum noch erwarten, die Brotzeit zu verzehren. Dazu gibt es ein grosses Glas Diät Coca Cola mit lustigen Eiswürfeln – das schmeckt.
14.30 Uhr Nach der Stärkung nehme ich die Geschirrspülmaschine knopfdrückend in Betrieb und falle gähnend aufs Wohnzimmersofa – etwas Ruhe wird mir gut tun.
15.30 Uhr Ich erwache redlichst ausgeruht und stelle beim Blick auf meine wertvolle Schweizer Armbanduhr fest, dass es mittlerweile halb Vier geschlagen hat. Um nicht den ganzen Nachmittag zu vertrödeln, setze ich mich an den Schreibtisch und arbeite hart. Auch heute nehme ich Hilferufe besorgter Erziehungsberechter in Augenschein und rate den armen Menschen, mit ihren Sprösslingen nicht zu zimperlich umzuspringen – wo kämen wir denn da hin.
16.15 Uhr Ich beende die Anschnursitzung und mache es mir auf der Terrasse bequem, um etwas Radio zu hören. Bei dieser Gelegenheit lese ich spannende Artikel in der Tageszeitung und lerne, dass morgen nicht nur in Europa, sondern auch in den Vereinigten Staaten den vielen Opfern des zweiten Weltkriegs gedacht wird – wie schön.
17.00 Uhr Da Dixon mittlerweile selbst Gassi gegangen ist, verzichte ich auf einen Spaziergang und kehre in die gute Stube zurück. Ich mache mich in der Küche nützlich und brate vitaminreiche Fischfilets heraus. Ausserdem backe ich würzige Kartoffelstäbe im Ofen auf und genehmige mir ein weiteres Budweiser.
Budweiser – schmeckt prima, müssen Sie probieren
18.00 Uhr Nach der Mahlzeit rufe ich nach dem Vierbeiner und nutze die Gelegenheit, um mit Frau Pontecorvo zu plaudern. Meine Nachbarin zwinkert mir verführerisch zu und meint, dass mir der neue Haarschnitt prima steht.
18.30 Uhr Ein langer Tag neigt sich langsam seinem Ende zu. Ich mache es mir neben dem Rüden auf dem Kanapee bequem und folge den FOX Nachrichten. Im Anschluss verfrachte ich eine selbstgebrannte DVD ins Abspielgerät und gebe mich den Abenteuern von Oberinspektor Stefan Derrick hin. Ich amüsiere mich köstlich und komme zu dem Schluss, dass die Polizeiserie “Derrick” zu den besten deutschsprachigen Produktionen aller Zeiten zählt.
21.00 Uhr Nach zwei nervenaufreibenden Kriminalfällen betätige ich den AUS Knopf auf der Fernbedienung und führe Hund Dixon noch einmal in den Garten. Zu guter Letzt trinke ich ein Glas Milch und gehe erschöpft zu Bett. Gute Nacht.