19. November 2012 – Truthähne

07.30 Uhr Die 47. Woche des Jahres beginnt und ich bemerke beim Blick auf das praktische iPad, dass am Donnerstag Thanksgiving (löblich: Erntedank) gefeiert wird. Zudem lese ich, dass Tags darauf mit dem sogenannten “Black Friday” (löblich: Schwarzer Freitag) die Weihnachtszeit offiziell beginnt. Weil ab diesem Tag die Geschäfte Weihnachtsgeschenke auf Lager haben, fasse ich den Entschluss, in vier Tagen Präsente für meine Liebsten einzukaufen.
09.15 Uhr Nachdem ich die Morgengymnastik absolviert und gebadet habe, eile ich mit Hund Dixon zum Nachbarhaus und frage Frau Pontecorvo, ob sie bereits gefrühstückt hat. Die kleine Frau winkt mich freudig herein und sagt, dass ich ihr bei der wichtigsten Mahlzeit des Tages gerne Gesellschaft leisten kann – wie schön.
09.45 Uhr Als ich kraftvoll zubeisse, komme ich auf Thanksgiving zu Sprechen und frage meine Nachbarin bezüglich ihrer Aktivitäten aus. Die Alte schenkt mir ein Lächeln und kündigt an, ihre Kochkünste unter Beweis zu stellen und einen Truthahn braten zu wollen. Ferner höre ich, dass die Dame heute einen Bauernhof im Landesinneren ansteuern und einen Festtagsbraten kaufen möchte. Da ich ausnahmsweise keine wichtigen Termine im Kalender verzeichnet habe, stelle ich klar, dass ich mich dem Ausflug kurzerhand anschliessen werden.
10.45 Uhr Redlichst gestärkt halte ich Frau Pontecorvo die Beifahrertüre des Chevrolet Suburban auf und höre, dass wir eine Truthahnfarm in Estero ansteuern werden. Ich nicke eifrig und mache es mir zur Aufgabe, Dixon auf die Ladefläche zu heben und mit quietschenden Pneus von der Einfahrt zu brettern. Während der kurzweiligen Reise berichtet Frau Pontecorvo, dass Herr und Frau Boxwell (61, 59) die fettesten Vögel in ganz Florida züchten.
11.45 Uhr Kurz vor der Mittagszeit erreichen wir die “Boxwell’s Turkey Farm” (löblich: Boxwells Truthahn Hof) und können das Auto direkt vor dem Hauptgebäude parken. Frau Pontecorvo lotst mich spornstreichs in den klimatisierten Hofladen und wir haben die Ehre, von der Inhaberin höchstpersönlich bedient zu werden. Die übergewichtige Dame führt uns zu einer reich bestückten Tiefkühltruhe und plappert davon, dass sämtliches Federvieh am Wochenende geschlachtet wurde. Frau Boxwell deutet auf die Vögel und erzählt, dass ein Pfund Fleisch 14 Dollars kostet. Ich rechne ganz genau nach und lasse Frau Pontecorvo wissen, dass wir drei Personen sind und einen 6 Pfund schweren Truthahn kaufen sollten. Meine Begleiterin schüttelt jedoch den Kopf und berichtet, dass sie nicht nur mich und Prof. Kuhn, sondern auch noch Frau Blanche aus Jacksonville, sowie zwei weitere Freundinnen bewirten wird – das kann ja heiter werden.
12.45 Uhr Nach einer geschlagenen Stunde schleppe ich einen 10 Pfund schweren Truthahn sowie Kartoffeln zum Auto. Bevor wir nach Hause krusen, nehmen wir Hund Dixon an die Leine und vertreten uns die Beine.
13.30 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, den Wählhebel der Automatikschaltung in der “D” Stellung einrasten zu lassen. Laut hupend fahre ich nach Süden zurück und erkläre Frau Pontecorvo, dass mein Magen knurrt. Meine Bekannte schlägt in die gleiche Kerbe und animiert mich, Julies Restaurant anzusteuern – wie schön.
14.30 Uhr Hungrig und durstig kehren wir in das Gasthaus unseres Vertrauens ein und sind überrascht, Edelbert an einem Fenstertisch anzutreffen. Natürlich setzen wir uns dazu und bestellen süffigen Eistee sowie den Fang des Tages (unlöblich: Catch of the Day). Während des Mittagessens lassen wir unsere Ausfahrt nach Estero Revue passieren und vergessen auch nicht, Edelbert für Donnerstag zum Abendessen einzuladen.
15.45 Uhr Wieder zurück in der kleinen Villa, falle ich völlig erschöpft aufs Kanapee und strecke die Beine aus. Schon bald schlummere ich ein und träume von einem prima Erntedankfest im Kreise meiner Freunde.
16.45 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und nehme am Schreibtisch Platz, um der Anschnurseelsorge nachzukommen. Pflichtbewusst rufe ich Briefe besorgter Erziehungsberechtigter ab und stehe verzweifelten Eltern mit Ratschlägen zur Seite.
17.30 Uhr Während Dixon im Garten spielt, klappere ich in der Küche mit den Töpfen. Ich koche Nudeln auf und zaubere dazu eine delikate Sauce aus Olivenöl und Knoblauch. Danach rufe ich den Vierbeiner in die gute Stube und verfeinere das Abendessen mit handgeriebenem Parmesan – wie gut das duftet.
18.30 Uhr Endlich beginnt der ruhige Teil des langen Tages. Ich lasse die Seele im Wohnzimmer baumeln und versüsse mir den Abend mit den FOX Nachrichten und einem sehenswerten Spielfilm auf HBO. Die Verantwortlichen haben heute ein ganz besonderes Schmankerl ins Programm genommen und verwöhnen mit dem Spielfilm “Predator”. Ich lehne mich budweisertrinkend zurück und werde Zeuge, wie Arnold Schwarzenegger schwerbewaffnet durch einen Dschungel streift und eine ausserirdische Lebensform zur Strecke bringt.
21.00 Uhr Nach 120minütiger Spitzenunterhaltung drücke ich auf den “OFF” (löblich: AUS) Knopf und begleite Dixon in den Garten. Im Anschluss lösche ich das Licht und gehen ins Bett. Gute Nacht.

Hund Dixon: