08.00 Uhr Ich werde durch sehr aggressives Telefonläuten geweckt. Zu allem Überfluss meldet sich Edelbert und erkundigt sich, ob wir heute unsere Reise nach Japan buchen wollen. Ich strecke mich ausgiebig und erkläre dem schlauen Mann, dass ich hin- und hergerissen bin und noch immer keine Entscheidung getroffen habe. Darüber hinaus verweise ich auf meine angespannte Finanzlage und unterbreite, dass unser luxuriöses Leben viel Geld verschlingt. Der Professor plappert in einer Tour und sagt, dass er mich am Vormittag besuchen wird.
Ein Becher Kaffee / Bild: Nevit Dilmen / CC BY-SA 3.0
09.00 Uhr Nach dem Badespass brühe ich Bohnenkaffee auf und werde plötzlich durch Frau Pontecorvo gestört. Die Dame gibt sich besorgt und erzählt, dass der Strom in ihrer Villa ausgefallen ist. Ich rolle mit den Augen und gebe der Frau zu verstehen, dass sie von meinem Telefon aus gerne einen Elektriker rufen kann. Meine Nachbarin winkt demonstrativ ab und sagt, dass sie Herrn Booth gebeten hat, einen Blick in den Sicherungskasten zu werfen.
09.30 Uhr Just als ich mich über ein kleines Frühstück hermache, pocht der Vietnamveteran ans Küchenfenster und informiert, dass der Fehler an der Hauptsicherung liegt. Ich erhebe den Zeigefinger und lasse Frau Pontecorvo wissen, dass sie unter diesen Umständen den örtlichen Stromversorger kontaktieren muss.
10.00 Uhr Nachdem sich meine Nachbarin verzogen hat, schlage ich die Tageszeitung auf und überfliege die aktuellen Schlagzeilen aus dem Collier County. Unter anderem erfahre ich, dass ein aus Schweden stammender Urlauber am Barefoot Beach (löblich: Barfussstrand) einen gefährlichen Hai gesichtet hat – wie unlöblich.
Ich zeichne einen Haifisch – wie schön
10.30 Uhr Wenig später wird die himmlische Ruhe erneut durch lautes Türschellen unterbrochen. Diesmal steht Prof. Kuhn vor der kleinen Villa und überrascht mich mit frischen Sandwiches (löblich: Wurstsemmeln) aus der “Satreales” Metzgerei. Darüber hinaus präsentiert der gute Mann einen Japan Reiseführer und setzt mich darüber in Kenntnis, dass er preiswerte Flüge nach Tokio im Internetz ausgespäht hat. Bevor ich antworten kann, macht es sich Edelbert am Heimrechner bequem und segelt auf die Reiseheimseite Expedia.com.
11.00 Uhr Nach wenigen Mausbewegungen erscheinen die aktuellen Flugpreise und ich lese, dass AIR CANADA neuerdings einen Non-Stop Flug ab Toronto anbietet. Zudem rechnet mein Bekannter vor, dass wir uns für fünf Tage im “Park Hotel” einmieten werden und für die komplette Reise knapp 3.000 Dollars einplanen müssen. Weil sämtliche Ausflüchte kaum Wirkung zeigen, willige ich ein und beauftrage den Professor, augenblicklich zu buchen. Währenddessen schaue ich dem schlauen Mann neugierig über die Schulter und lerne, dass wir am 12. Juli gegen halb Zwei Uhr losfliegen und die Nacht in Toronto verbringen müssen – wie schön.
Hurra, wir fliegen nach Japan
12.00 Uhr Endlich halten wir sämtliche Heimrechnerausdrucke in den Händen und können es uns auf der Terrasse bequem machen. Wir verköstigen die mitgebrachten Brote und verabreden, dass wir in Kanada im Stadthaus meines Bruders übernachten werden. Edelbert ist begeistert und meint, dass ich die Buchung ganz bestimmt nicht bereuen werde – das werden wir erst noch sehen.
13.00 Uhr Nachdem wir unsere ausgetrockneten Kehlen mit durstlöschendem Budweiser gespült haben, wünscht mir Edelbert einen schönen Nachmittag. Ich begleite ihn zur Türe und nehme im Anschluss das Telefon zur Hand, um bei meinen Verwandten in Toronto anzurufen. Als sich nach dem zweiten Tuten meine Schwägerin meldet, erzähle ich von der anstehenden Forschungsreise und stelle klar, dass ich vom 12. auf den 13. Juli in Toronto sein werde. Maria schnalzt mit der Zunge und sagt, dass ich gerne im Gästezimmer übernachten kann.
14.00 Uhr Weil ich mich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten kann, lege ich mich nach dem Telefonat aufs Kanapee und schliesse die Augen. Nach wenigen Sekunden döse ich ein und sehe mich im Traum in die 10.000.000 Einwohner zählende Grossstadt Tokio versetzt.
15.00 Uhr Ich erwache redlichst ausgeruht und nutze den Nachmittag, um Anschnur zu gehen. Zuerst rufe ich Hilferufe besorgter Erziehungsberechtigter ab und helfe verzweifelten Eltern bei schwerwiegenden Problemen. Anschliessend tschätte ich mit Mieterin Sandra und berichte, dass ich im Juli Tokio besuchen werde. Das unterbelichtete Kind verhöhnt mich und vermutet, dass ich mich in der Millionenstadt bestimmt verlaufen werde – papperlapapp.
16.00 Uhr Nach der Anschnursitzung strecke ich auf der Terrasse die Beine aus und zögere nicht, Admiral a.D. Bürstenbinder zu kontaktieren. Wie nicht anders zu erwarten, treffe ich den ehemaligen Seefahrer im “Wilden Esel” an und vernehme, dass er gerade mit Frederick von Braustein und Franz-Xaver Ollmann Karten spielt. Ich fackle nicht lange und teile meinem Bekannten mit, dass ich mich dazu durchgerungen habe, die Reise nach Tokio in trockene Tücher zu bringen. Friedbert notiert sich spornstreichs die Daten und sagt, dass er morgen ins Reisebüro gehen und ebenfalls einen Flug samt Hotelaufenthalt buchen wird – wie schön.
Sehr vitaminreich – Pizza
16.45 Uhr Bevor der Feierabend beginnt, schiebe ich eine Pizza in den Backofen und zaubere im Handumdrehen einen Gurkensalat mit Dill. Dazu gibt es ein Glas Weisswein aus dem goldenen Kalifornien – das schmeckt.
18.00 Uhr Nach der schweisstreibenden Hausarbeit schleppe ich mich mit letzter Kraft in die klimatisierte Wohnstube. Wie es sich für einen interessierten Bürger gehört, fröne ich den FOX Nachrichten und mache mich über aktuelle Entwicklungen in der Welt schlau.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit öffne ich eine Packung Lay’s Kartoffelchips und lasse die Seele beim nervenaufreibenden Kriminalfilm “Traffic” baumeln. Ich tauche in die Welt gefährlicher Drogenverkäufer ein und stelle mit grosser Sorge fest, dass diese Hollywoodproduktion auf wahren Tatsachen beruht – wie furchtbar.
21.00 Uhr Nach zwei Stunden schalte ich die Glotze aus und führe Hund Dixon noch einmal durch den Garten. Danach lösche ich das Licht und lege mich ins Bett. Gute Nacht.