15. Januar 2014 – Das Narbengesicht auf der Grossbildleinwand

pfaffenbergkl

08.00 Uhr Ich schwinge mich aus den Federn und läute den sonnigen Morgen mit dem Frühsport ein. Bei dieser Gelegenheit rede ich auf Dixon ein und verrate, dass heute der UPS Fahrer ein Paket liefern wird. Ich reibe mir die Hände und kann es kaum noch erwarten, aktuelle Hollywoodfilme auf einer echten Leinwand zu sehen – wie aufregend.
08.30 Uhr Nachdem ich die Tageszeitung hereingeholt habe, lasse ich die Seele bei einem Wirbelbad baumeln. Ich wasche mich ordentlich und vergesse auch nicht, mein Haar mit einer Glanzspülung aus dem Hause “Schwarzkopf” zu pflegen – immerhin ist mir gutes Aussehen sehr wichtig.
09.30 Uhr Just als ich mich in modische Freizeitkleidung zwänge, fährt plötzlich ein brauner Lieferwagen vor. Ich eile ruckzuck zur Türe und werde Zeuge, wie ein übergewichtiger UPS Mitarbeiter einen sperrigen Karton von der Ladefläche hievt. Selbstverständlich begrüsse ich den Mann winkend und lasse es mir nicht nehmen, ihn mit einem funkelnden 25 Cent Stück zu entlohnen. Danach schleppe ich das Paket auf die Terrasse und mache es mir zur Aufgabe, die auf Amazon.com bestellte Grossbildleinwand aufzubauen.

25cent
Ein stattliches Trinkgeld für den UPS Fahrer

10.00 Uhr Wenig später stattet mir meine Zugehfrau einen Besuch ab und lotet aus, ob ich eine Sichtschutzplane im Garten aufstellen will. Natürlich falle ich Frau Gomez sogleich ins Wort und stelle klar, dass es sich hierbei um eine mobile Leinwand handelt. Darüber hinaus komme ich auf den Beamer zu sprechen und kündige an, dass es mir ab heute möglich sein wird, Filme auch auf der Terrasse zu sehen. Die Mexikanerin zieht die Augenbrauen hoch und sagt, dass sie jetzt mit dem Hausputz beginnen wird – das kann mir nur Recht sein.
10.45 Uhr Während die Perle Staub wischt, spanne ich die Kunststofffolie an das Aluminiumgerüst und komme zu dem Schluss, dass ich an dieser Neuanschaffung meine Freude haben werde.
11.30 Uhr Kurz nach dem Elfuhrläuten kann ich die Leinwand endlich an die Hauswand stellen und mich dem Projektor zuwenden. Unter den skeptischen Blicken meiner Zugehfrau hole ich den Beamer aus dem Karton und lerne, dass dieses technische Wunderwerk mit einer Auflösung von 1.900 x 1.080 Bildpunkten überzeugen kann. Ich fackle nicht lange und erfahre anhand der Gebrauchsanleitung, dass man den Beamter per HDMI Kabel mit jedem handelsüblichen Abspielgerät verbinden kann. Da ich in der Verpackung kein entsprechendes Kabel vorfinde, schnippe ich mit den Fingern und erkläre dem Vierbeiner, dass wir jetzt zum WAL MART fahren müssen.

wms
Ich schoppe bei WAL MART ab

12.15 Uhr Nach einer kurzweiligen Ausfahrt parke ich das Auto direkt vor dem Haupteingang und renne wie der Wind in die Elektroabteilung. Ich werde prompt fündig und entschliesse mich, ein 15 Feet (= 4,5 Meter) langes Kabel für 12 Dollars zu erwerben. Zudem sehe ich mich in der Filmabteilung um und werfe den preisgekrönten Mafiafilm “Scarface” (löblich: Narbengesicht) in den Einkaufswagen.
13.00 Uhr Im Anschluss presche ich mit durchdrehenden Reifen zu einer McDonalds Gaststätte und ordere am Drive-Thru (löblich: Fahr Hindurch) Schalter zwei vitaminreiche McDouble (löblich: McDoppel), eine grosse Tüte Kartoffelstäbe sowie einen XXL Becher mit köstlicher Dr. Pepper Brause.
13.45 Uhr Wieder zurück in der kleinen Villa, beisse ich kraftvoll zu und schaffe es ohne Probleme, das BluRay Gerät mit dem Projektor zu verbinden. Unterdessen wischt Frau Gomez die Küche durch und behauptet, dass sie sich keinen sündteuren Beamer leisten kann – das ist mir Wurst.
14.30 Uhr Weil es viel zu heiss ist, um im Freien einen Film zu sehen, schalte ich den Projektor kurzerhand aus und mache es mir im Wohnzimmer gemütlich. Ich stecke mir die letzten Kartoffelstäbe in den Mund und trinke dazu ein kühles Budweiser. Die Putzfrau klopft währenddessen die Läufer aus und plappert davon, dass sie gleich nach Hause fahren und für ihren Mann einen Geburtstagskuchen backen wird – wie schön.
15.15 Uhr Nachdem ich Frau Gomez zur Türe begleitet habe, lege ich die Füsse hoch und döse bald ein, um vom Weihnachtsfest im Kreise meiner Familie zu träumen – das war ein Vergnügen.
16.15 Uhr Ich öffne die Augen und rufe spontan bei Edelbert an, um ihn zum Kinoabend einzuladen. Mein Bekannter ist begeistert und verspricht, Getränke mitzubringen. Um dem Professor in nichts nachzustehen, eile ich in die Küche und richte eine leckere Brotzeitplatte an. HEUREKA – schon jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
17.00 Uhr Als ich die Liegestühle auf der Terrasse zurecht rücke, kommt Edelberts JEEP vor meinem Eigenheim zum Stehen. Ich winke den Professor herein und gebe zu Protokoll, dass wir den spannenden Krimi “Scarface” sehen werden.

scarface
Wir schauen uns Scarface an

17.45 Uhr Nachdem sich die Sonne zur Ruhe gelegt hat, nehme ich den Beamer in Betrieb und erörtere, dass ich das technische Wunderwerk auch mit meiner leistungsstarken Musikanlage verbunden habe. Mein Bekannter staunt nicht schlecht und schlägt vor, dass wir Frau Pontecorvo herüberbitten könnten. Ich schüttle jedoch den Kopf und entgegne, dass meine Nachbarin Gewaltfilme nicht ausstehen kann.
18.00 Uhr In den folgenden 170 Minuten tauchen wir in das fiktive Leben eines Schwerverbrechers ein, der in den frühen 1980er Jahren als Einwanderer nach Amerika kam. Tony Montana stieg schnell zu einem berüchtigten Drogenbaron auf und schaffte es, sämtliche Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Während der Projektor surrt und bunte Bilder auf die Leinwand wirft, stossen wir mit den Bierflaschen an und kommen angesichts der Gewaltexzesse aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

21.00 Uhr Als der Abspann läuft, nehme ich einen letzten Schluck aus der Bierflasche und unke, dass ich in der Nacht Albträume haben werde. Edelbert gähnt ausgiebig und sagt, dass er sich nun verabschieden wird. Ich stelle den Projektor knopfdrückend aus und rufe Dixon in die gute Stube herein. Anschliessend reiche ich Edelbert die Hand und wünsche ihm eine sichere Heimfahrt.
21.30 Uhr Zu guter Letzt räume ich das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine und fülle Dixons Napf mit frischem Wasser auf. Danach lösche ich das Licht und ziehe mich ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.