25. Februar 2019 – Ein Geburtstagsgeschenk

08.00 Uhr Die neunte Woche des jungen Jahres 2019 bricht an und ich fühle mich blendend. Weil ich nicht zum alten Eisen zählen möchte, hüpfe ich aus dem Bett und lockere meine Glieder. Während ich auf der Terrasse auf und ab hüpfe, schrillt plötzlich das Telefon und ich sehe mich genötigt, mit meiner unterbelichteten Mieterin sprechen zu müssen. Sandra plappert ohne Unterlass und stellt mir einen Besuch im Sommer in Aussicht. Bevor ich Widerworte finde, kommt das Kind auf besonders preiswerte Flugverbindungen im Juni zu sprechen und sagt, dass es mit dem Gedanken spielt, alsbald über den grossen Teich zu fliegen – das hat gerade noch gefehlt.


Happy Birthday Paul

08.30 Uhr Nach dreissig Minuten beende ich das Telefonat und ziehe mich ins Bad zurück, um die Seele bei einem Wirbelbad baumeln zu lassen. Nebenher rufe ich im Ferienhaus meiner Verwandten an und tratsche mit Maria. Meine Schwägerin berichtet von Pauls gestrigen Geburtstag und beteuert, dass der Sohn ihrer Tochter Laura am Sonntag sein 15. Wiegenfest gefeiert hat. Ich nicke zustimmend und merke an, dass ich keine Kosten und Mühen gescheut und dem Buben per elektronischer Post beste Glückwünsche sowie einen Amazon Gutschein im Wert von 25 Dollars zugeschickt habe. Im weiteren Gesprächsverlauf erfahre ich ausserdem, dass mein Bruder in sechs Tagen ebenfalls Geburtstag feiern wird. Maria ist ganz aus dem Häuschen und kündigt an, dass sie den Sonntag zum Anlass nehmen wird, um eine Überraschungsfeier im Lowbank Drive zu veranstalten. Unter anderem vernehme ich, dass die Perle nicht nur mich, Frau Pontecorvo sowie Edelbert, sondern auch Familie Porello, Herrn Wongler und Herrn Wang zum Grillvergnügen einladen wird – das ist die beste Nachricht des ganzen Tages.
09.30 Uhr Um nicht völlig aufzuweichen, steige ich aus der Wirbelbadwanne und greife zum Handtuch. Während ich mich redlichst abtrockne, mache ich mir eigene Gedanken bezüglich eines geeigneten Geschenks und fasse den Entschluss, meinen Bruder eine praktische Pistole zu schenken. Ich wende mich Hund Dixon zu und belehre, dass nach dem Schulmassaker von Parkland, FL im vergangenen Jahr zwar die Waffengesetze in Florida verschärft wurden, aber noch immer Jedermann eine Waffe zur Selbstverteidigung kaufen kann – wie schön.


Der weltbeste Radiosender

10.15 Uhr Nachdem ich ein kleines Frühstück eingenommen und vier Tassen Kaffee getrunken habe, scheuche ich den Vierbeiner zum Auto und schicke mich an, das 9 Meilen entfernte “Guns and Ammo” Fachgeschäft am Tamiami Trail anzusteuern. Unterdessen fröne ich stimmungsvoller Landmusik auf WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) und mache es mir ausserdem zur Aufgabe, Edelbert zu kontaktieren. Als sich mein Bekannter endlich meldet, berichte ich von meiner Idee und gebe zu Protokoll, dass Selbstschutz in der heutigen Zeit sehr wichtig ist. Der schlaue Mann schlägt in die gleiche Kerbe und ermutigt mich, eine lustige Schrotflinte zu erwerben – papperlapapp.
11.00 Uhr Endlich bin ich am Ziel und betrete das gutsortierte Geschäft unweit der “Doctors Pass Bay” im Westen der Gemeinde. Natürlich gesellt sich sogleich ein überaus freundlicher Verkäufer an meine Seite und macht mich auf eine gebrauchte GLOCK 17 aufmerksam. Der Fachverkäufer schwärmt in den höchsten Tönen und erörtert, dass diese Selbstladepistole im Kaliber 9×19 daherkommt und sehr handlich ist. Ferner lerne ich, dass diese Waffe auch von Polizisten sowie FBI Beamten benutzt wird – das hört man gerne.
12.00 Uhr Nach sechzig Minuten fälle ich eine Entscheidung und ringe mich dazu durch, die GLOCK 17 links liegen zu lassen und stattdessen eine handliche “Smith & Wesson 9 SHIELD M2.0” für lediglich 400 Dollars auszuwählen. Der Verkäufer belobigt mich für meine Auswahl und setzt mich darüber in Kenntnis, dass dieses Schiesseisen mit einem Laser ausgestattet ist und 9mm Patronen verschiesst – wie aufregend.


Ich bezahle mit meinem guten Namen

12.30 Uhr Als ich meine praktische Meisterkarte (unlöblich: Master Card) zücke, macht mich der Heini darauf aufmerksam, dass laut des neuen Waffengesetzes eine Wartezeit von drei Tagen eingeführt wurde. Ich seufze laut und entgegne, dass ich das gute Stück am Donnerstag abholen werde – was muss ich denn noch alles ertragen.
13.00 Uhr Schlussendlich werde ich genötigt, ein Formular auszufüllen sowie 421 Dollars auszugeben. Ich komme den Aufforderungen anstandslos nach und kehre dann mit einer Schachtel voller Patronen zum frischaufpolierten Chevrolet zurück. Ruckzuck beschleunige ich den PS-strotzenden SUV auf schwindelerregende 30 Meilen pro Stunde und bin mir ziemlich sicher, dass Georg an meinem Präsent grosse Freude finden wird.
13.45 Uhr Zuhause angekommen, versorge ich Dixon mit frischem Wasser und verzehre selbst reich belegte Wurstbrote. Im Anschluss falle ich aufs Kanapee und träume von spannenden Stunden auf dem Appalachian Trail.


Ich träume vom Appalachian Trail

14.45 Uhr Ich erwache ausgeruht und fülle meine Hahn und Henne Tasse mit Bohnentrunk auf. Zudem setze ich mich an den Schreibtisch und komme meinen Pflichten auf Anschnurseelsorger nach. Wie immer schufte ich hart und rate verzweifelten Erziehungsberechtigten, mit der verlotterten Jugend nicht zu zimperlich umzugehen.
15.45 Uhr Nach einer Stunde beende ich die Arbeit und schicke mich an, mit dem Haustier im Garten zu spielen. Ferner tratsche ich mit Frau Pontecorvo und lasse sie wissen, dass am Sonntag eine Geburtstagsfeier ansteht. Die Dame macht grosse Augen und sagt, dass sie auch noch ein Geschenk für Georg besorgen muss – jaja.
16.45 Uhr Nun wird es aber Zeit, eine Tiefkühlpizza ins Rohr zu schieben und für ein Abendessen zu sorgen. Darüber hinaus schneide ich eine Tomate auf und zaubere im Handumdrehen einen bunten Beilagensalat.
17.30 Uhr Zum Abschluss des langen Tages mache ich es mir in der Wohnstube bequem und informiere mich bei den FOX Nachrichten über die aktuellen Geschehnisse in der Welt.

19.00 Uhr Um etwas Abwechslung zu bekommen, nehme ich mit dem NETFLIX Angebot Vorlieb und gebe mich der dem mexikanischen Drama “Roma” aus dem Jahre 2018 hin. Das oscarprämierte Meisterwerk versetzt mich nach Mexiko-Stadt und erzählt die Geschichte der jungen Cleo, die aus Kindermädchen und Haushälterin arbeitet.
21.15 Uhr Nach zwei Stunden schalte ich die Glotz ab und unternehme mit Dixon einen Spaziergang durch den Garten. Danach verriegle ich die Haustüre und lege mich ins Bett. Gute Nacht.