08.00 Uhr Bei strahlendem Sonnenschein trete ich auf die Terrasse und schicke mich an, den vorletzten Dienstag des Weinmonats mit der Morgengymnastik zu beginnen. Während ich graziös auf und ab hüpfe, gesellt sich plötzlich Herr Booth an die Grundstücksgrenze und fragt nach, wann Frau Pontecorvo aus Jacksonville zurück kommen wird. Ich stehe dem Heini artig Rede und Antwort und verrate, dass ich die kleine Frau am Abend herzlich Willkommen heissen werde – darauf freue ich mich jetzt schon.
08.30 Uhr Nachdem ich ausgiebig mit dem hochdekorierten Vietnamveteran geplaudert habe, kehre ich in die klimatisierte Villa zurück und lasse Hund Dixon wissen, dass ich mich nun bei einem Wirbelbad entspannen werde. Der Vierbeiner wird augenblicklich hellhörig und zieht es vor, sich einen Tennisball zu schnappen und in den Garten zu traben. Unterdessen ziehe ich mich in die Nasszelle zurück und lasse es mir nicht nehmen, während des Waschvergnügens mit Georg zu telefonieren. Mein Bruder freut sich über den Anruf und lädt mich ein, zum Frühstück ins Ritz-Carlton Resort zu kommen – das hört man gerne.
09.30 Uhr Um meine Verwandten nicht warten zu lassen, hüpfe ich aus der Wirbelbadewanne und greife zum Handtuch, um mich ordentlich trocken zu reiben. Danach trage ich eine pflegende Lotion auf meine sonnengebräunte Haut auf und wähle einen schönen hellblauen Anzug aus dem begehbaren Kleiderschrank.
10.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 10 zugeht, sitze ich im geräumigen Chevrolet Suburban und kruse entspannt gen Süden davon. Dank des serienmässig eingebauten GARMIN Navigationssystems erfahre ich, dass das luxuriöse Resort lediglich 3 Meilen entfernt liegt – wie schön.
10.30 Uhr Wenig später finde ich mich mit Hund Dixon im Schlepptau in der Empfangshalle der angesehenen Herberge wieder und lerne beim Blick auf eine Informationstafel, dass dieses Haus über eine der weltbesten Golfanlagen verfügt. Ich staune nicht schlecht und bringe ausserdem heraus, dass auf dem hauseigenen Grün jedes Jahr mindestens zwei professionelle Golfturniere ausgetragen werden – das ist ja allerhand.
11.00 Uhr Weil mein Magen laute Knurrlaute von sich gibt, kehre ich kurzerhand in die “Bella Vista Lounge” ein und treffe Georg und Maria an einem schönen Tisch mit Ausblick auf den Golfparcour an. Mein Bruder rückt mir einen Stuhl zurecht und legt mir nahe, anstatt eines grossen Frühstück (unlöblich: Big Breakfast) ein vitaminreiches Lachsbagel mit Frischkäse zu ordern. Ich schüttle entschieden den Kopf und ziehe es vor, den Tag mit Rühreier und Speckstreifen zu beginnen. Nebenher sehe ich mich genötigt, mir Georgs Schwärmereien bezüglich der 8-Loch Anlage anzuhören. Mein Bruder kommt aus dem Plappern gar nicht mehr heraus und meint, dass ich endlich über meinen Schatten springen und ebenfalls dem Golfsport frönen sollten – das sehe ich ganz anders.
Das Ferienhaus wird umgebaut
11.45 Uhr Just als ich mir von einem hochnäsigen Kellner brühfrischen Kaffee nachschenken lasse, meldet sich Maria zu Wort und erzählt, dass sie gestern im Ferienhaus nach dem Rechten gesehen hat. Meine Schwägerin schenkt mir ein Lächeln und verdeutlicht, dass die muskelbepackten Handwerker mittlerweile den alten Parkettboden gegen echte Holzdielen ausgetauscht, die Wände mit Farbe bepinselt und ausserdem eine leistungsstärkere Klimaanlage installiert haben. Darüber hinaus vernehme ich, dass es den Beiden Mitte der kommenden Woche möglich sein wird, ihre Zelte im Ritz-Carlton abzubrechen – wie aufregend.
12.30 Uhr Nach einem kleinen Spaziergang durch den hauseigenen Rosengarten, lüfte ich meine NY YANKEES Kappe und entschliesse mich, die Heimreise anzutreten. Wie es sich gehört, reiche ich meinen Verwandten die Hand und kehre dann mit dem hechelnden Rüden zum Auto zurück.
13.15 Uhr Zuhause angekommen, falle ich fix und foxi aufs Kanapee und strecke gähnend die Füsse aus. Nach wenigen Atemzügen döse ich ein und sehe mich im Traum nach Puerto Rico versetzt – diese Forschungsreise werde ich so schnell nicht vergessen.
Ich träume von Puerto Rico
14.15 Uhr Nach einer Stunde werde ich durch aggressives Hupen geweckt. Als ich mir den Schlaf aus den Augen reibe und aus dem Fenster spähe, stelle ich fest, dass Frau Pontecorvos schnittiger MUSTANG auf der Nachbareinfahrt steht. Wildgestikulierend renne ich nach draussen und heisse meine Nachbarin herzlich Willkommen. Die kleine Frau wischt sich mit dem Handrücken demonstrativ über die Stirn und erzählt, dass sie für die 350 Meilen lange Wegstrecke nicht einmal 5 Stunden gebraucht hat. Ich mache grosse Augen und lade die Perle zu Kaffee und lustigen Donuts auf die schattige Terrasse ein – da kommt Freude auf.
15.00 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen, lässt meine Bekannte ihren Aufenthalt in Jacksonville Revue passieren und berichtet, dass der Besuch des “Jacksonville Zoos” besonders schön war. Ich folge den Ausführungen mit grösstem Interesse und erkläre der Dame, dass meine Verwandten ihr Ferienhaus derzeit renovieren lassen.
16.00 Uhr Da Frau Pontecorvo müde ist, begleite ich sie nach nebenan und informiere, dass ich stets meinen Pflichten nachgekommen und regelmässig ihre Pflanzen gegossen habe. Meine Nachbarin nimmt eine verwelkte Zimmerpalme in Augenschein und wünscht mir einen schönen Abend – den werde ich hoffentlich haben.
17.00 Uhr Nachdem ich mit Hund Dixon im Garten gespielt habe, mache ich mich in der Küche nützlich und backe eine TOMBSTONE Tiefkühlpizza im Ofen auf. Dazu gibt es einen farbenfrohen Beilagensalat mit Thousand Island Dressing (löblich: Tausend Insel Sauce) – schmeckt gar nicht schlecht.
Ich beisse kraftvoll zu
18.00 Uhr Ich beende das Nachtmahl und lasse den langen Tag fernsehschauend in der guten Stube ausklingen. Weil ich über alles informiert sein muss, gebe ich mich den Nachrichten hin und mache mich über die anstehenden Zwischenwahlen schlau.
19.00 Uhr Um auf andere Gedanken zu kommen, wechsle ich bald auf AMC, wo just eine Folge der Gruselserie “The Walking Dead” (löblich: Der wandelnde Tod) anläuft. Während ich ein Bier schlürfe, folge ich den Geschehnissen auf dem Flachbildschirm und werde plötzlich Zeuge, wie einer der Hauptdarsteller einem geifernden Zombie den Schädel spaltet – gleich platzt mir der Kragen.
21.00 Uhr Nach einer weiteren Episode betätige ich den OFF (löblich: AUS) Knopf auf der neumodischen Fernbedienung und lege mich schlafen. Gute Nacht.