08.00 Uhr Der erste Tag des Erntemonats August beginnt und ich fühle mich blendend. Weil Frau Gomez bald vorbeikommen wird, hüpfe ich aus dem Bett und absolviere auf der schattigen Terrasse die Morgengymnastik.
08.30 Uhr Nachdem ich ein Glas Orangensaft getrunken und Hund Dixon einen Kauknochen ins Maul gesteckt habe, verabschiede ich mich in die Nasszelle. Ich lasse die Seele bei einem erfrischenden Wirbelbad baumeln und zögere nicht, bei meiner Familie im Lowbank Drive anzurufen. Natürlich frage ich meinen Bruder bezüglich der Anreise der Kinder aus und erhalte die Auskunft, dass die jungen Leute am Freitag in Naples eintreffen werden.
Dixon bekommt einen Kauknochen
09.30 Uhr Redlichst nach Rosenwasser duftend, steige ich aus der Wirbelbadewanne und ziehe eine modische Bermudahose sowie ein Hawaiihemd an. Anschliessend eile ich in die Küche und freue mich, meine Zugehfrau an der Spüle anzutreffen. Frau Gomez wünscht mir einen schönen Morgen und plappert, dass sie sich am Wochenende in ihren verdienten Urlaub verabschieden wird. Natürlich werde ich sogleich hellhörig und bringe auf Anfrage heraus, dass die fleissige Putzfrau mit ihrem Mann die Millionenmetropole Monterrey besuchen wird. Selbstverständlich falle ich der Perle ins Wort und unterbreite, dass ich ohne eine erfahrene Putzkraft nicht über die Runden kommen werde. Die Mexikanerin zeigt Verständnis und verspricht, dass sie eine Freundin beauftragen wird, mein Zuhause auf Vordermann zu bringen – das kann mir nur Recht sein.
10.15 Uhr Nachdem ich das Frühstück verzehrt habe, werfe ich prüfende Blicke in den Eiskasten und bemerke, dass der Sektvorrat langsam zur Neige geht. Um nicht auf den köstlichen Rebentrunk verzichten zu müssen, fasse ich den Entschluss, das Alkoholgeschäft meines Vertrauens anzusteuern und dort Getränke zu besorgen.
10.30 Uhr Schlussendlich schüttle ich Frau Gomez Hand und bitte sie, während meiner Abwesenheit das Bett frisch zu beziehen und auch das Gästezimmer zu reinigen. Im Anschluss eile ich zum Nachbarhaus und frage Frau Pontecorvo, ob sie mich zu “Bob’s Liquore Store” begleiten möchte. Meine Nachbarin nickt eifrig und entgegnet, dass sie die Gelegenheit am Schopfe packen und etliche Flaschen Wein einkaufen wird – das hört man gerne.
Frau Pontecorvos Weinvorrat geht zur Neige
11.00 Uhr Nachdem wir Kaffee getrunken haben, scheuche ich Dixon zum Auto und helfe Frau Pontecorvo als Kavalier der alten Schule auf den Beifahrersitz. Danach lasse ich den Wählhebel der Automatikschaltung in der “D” Stellung einrasten und gleite zu stimmungsvollen WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Klängen von dannen.
11.30 Uhr Kurz vor dem Mittagsläuten erreichen wir unser Ziel und treffe den Ladeninhaber kautabakkauend hinter der Registrierkasse an. Der lustige Mann schimpft wie ein Rohrspatze und setzt mich darüber in Kenntnis, dass er Anfang Oktober seine Alkohollinzenz erneuern muss. Ich rolle entnervt mit den Augen und merke an, dass man der verfluchten Bürokratie den Kampf ansagen sollte. Herr Bob schlägt in die gleiche Kerbe und rechnet vor, dass die Stadtoberen eine Gebühr über 400 Dollars veranschlagen – das ist ja allerhand.
12.15 Uhr Um 170 Dollars ärmer, verlassen wir das Fachgeschäft und fassen den Entschluss, das Mittagessen im zwei Meilen entfernten “Napoli Restaurant” einzunehmen. Ruckzuck steigen wir in den PS-strotzenden SUV ein und können es kaum noch erwarten, leckere Speisen vom Stiefel zu kosten.
12.45 Uhr Mit letzter Kraft schleppe ich mich in das gutbesuchte Gasthaus und lasse Frau Pontecorvo wissen, dass ich heute die Spendierhosen angezogen habe. Meine Begleiterin ist begeistert und nimmt sich das Recht heraus, eine Thunfischpizza mit Salat zu ordern. Ich folge diesem Beispiel und labe mich neben süffigem Rotwein an hausgemachten Nudeln mit Fleischbällchen – schmeckt gar nicht schlecht.
Die kleine Villa unter Palmen
14.45 Uhr Endlich bin ich wieder daheim und finde die kleine Villa ordentlich aufgeräumt vor. Während Dixon im Garten zurückbleibt, mache ich es mir in der guten Stube bequem und döse schnell ein – das tut gut.
15.45 Uhr Nach der Pause fülle ich meinen Kaffeebecher mit brühfrischem Bohnentrunk auf und ziehe es vor, am Schreibtisch Platz zu nehmen und Anschnur zu gehen. Während sich draussen dunkle Gewitterwolken vor die Sonne schieben, studiere ich Hilferufe besorgter Heimseitenbesucher und stelle fest, dass es die Jugend derzeit besonders bunt treiben – wo soll das noch hinführen.
16.45 Uhr Nachdem ich zahlreiche Depeschen abgesendet habe, gehe ich von der Leine und leiste dem Vierbeiner im Garten Gesellschaft. Während der Rüde ausgelassen mit dem Nachbarhund spielt, blättere ich in der Tageszeitung und löse das grosse Kreuzworträtsel auf der letzten Seite – da kommt Freude auf.
17.30 Uhr Im Anschluss kehre ich in die klimatisierte Küche zurück und richte das Abendessen an. Ich zaubere im Handumdrehen ein halbes Dutzend schmackhafte Sandwiches (löblich: Wurstbrote) und vergesse auch nicht, den Teller mit Gewürzgurken aus dem Glas zu verzieren – das keusche Auge isst bekanntlich stets mit.
18.00 Uhr Als die geschmackvolle Wanduhr sechs mal schlägt, mache ich es mir im Wohnzimmer bequem und fröne den Nachrichten auf FOX. Unter anderem lerne ich, dass just heute vor 115 Jahren die amerikanische Westernheldin Calamity Jane gestorben ist. Wie jedes Kind weiss, fluchte die Dame wie ein Bierkutscher und führte jahrelang eine abgelegene Biertränke im Yellowstone Nationalpark – wie aufregend.
19.00 Uhr Zur Hauptsendezeit nehme ich mit dem NETFLIX Angebot Vorlieb und erfreue mich an der sechsten Staffel des preisgekrönten Serienspiels “Orange is the New Black”. Während der französische Schaumwein in Strömen fliesst, werde ich Zeuge, wie die Gefangenen des Litchfield Frauengefängnisses in eine neue Vollzugsanstalt verlegt werden – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Nach drei Episoden betätige ich den “OFF” (löblich: AUS) Knopf auf der Fernbedienung und ziehe mich gähnend ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.