29. Juni 2018 – Leichte Bauchschmerzen

08.00 Uhr Ich rolle mich mit leichten Bauchschmerzen aus dem Wasserbett und ärgere mich, weil Sandra in zwei Tagen im Sonnenscheinstaat eintreffen wird. Haareraufend eile ich auf die Terrasse und beginne den neuen Tag mit der Morgengymnastik. Ausserdem tratsche ich mit Frau Pontecorvo und gebe zu Protokoll, dass ich mich schlecht fühle und mich ausser Stande sehe, das Frühstück vorzubereiten. Meine Nachbarin macht sich die grössten Sorgen und sagt, dass ich gerne nach nebenan kommen kann – das lasse ich mir nicht zweimal sagen.


Bald kommt Mieterin Sandra

08.30 Uhr Nach dem Frühsport genehmige ich mir ein lustiges Vollbad und nutze die Ruhe, um bei Mieterin Sandra anzurufen. Als das dumme Kind das Telefonat nach dem sechzehnten Tuten endlich annimmt, verweise ich auf das schwülwarme Wetter und ermutige die Maid, lieber zuhause in Deutschland zu bleiben. Anstatt sich den Ratschlag zu Herzen zu nehmen, lacht Sandra laut und kündigt an, am Sonntag Nachmittag um 14 Uhr planmässig mit EUROWINGS nach Nordamerika auszufliegen – was muss ich denn noch alles ertragen.
09.30 Uhr Missmutig beende ich die Morgenwäsche und mache es mir zur Aufgabe, in legere Freizeitkleidung zu schlüpfen und meiner Nachbarin einen Besuch abzustatten. Frau Pontecorvo begrüsst mich herzlich und fährt lächelnd hausgemachte Pfannkuchen, Rühreier mit Speck sowie brühfrischen Bohnentrunk auf. Weil ich Hunger habe, greife ich sofort zur Gabel und bemerke als Feinschmecker, dass die Pfannkuchen besonders schmackhaft sind. Darüber hinaus klage ich der Perle mein Leid und stelle klar, dass ich angesichts des anstehenden Besuchs meiner Mieterin gerne verreisen würde. Frau Pontecorvo wirft mir skeptische Blicke zu und beteuert, dass sie es kaum noch erwarten kann, Sandra in ihre Arme zu schliessen – papperlapapp.
10.15 Uhr Nachdem ich aufgegessen habe, flitzt meine Gastgeberin wie von der Tarantel gestochen in die Küche, um wenig später zwei grosse Gläser mit einem roten Getränk aufzufahren. Als ich mich am Haaransatz kratze, prostet mir meine Bekannte zu und informiert, dass es sich hierbei um einen “Aperol Spritz” handelt. Ich werde sogleich hellhörig und bringe auf Anfrage heraus, dass in diesem Langgetränk nicht nur Schaumwein und Sodawasser, sondern auch ein bittersüsser italienischer Likör enthalten ist – schmeckt gar nicht schlecht.


Ein Aperol Spritz

11.00 Uhr Schlussendlich schütteln wir Hände und ich kehre in die kleine Villa zurück. Während Dixon seine Pfoten vor der Klimaanlage ausstreckt, rufe ich kurzentschlossen auf Georgs Handtelefon an und erfahre, dass meine Verwandten im Stadtzentrum abschoppen. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und lasse meinen Bruder wissen, dass ich ihn nicht zum Mittagessen treffen werde. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, wünsche ich ihm einen schönen Nachmittag und betätige den Anruf-Beenden Knopf. Danach schiebe ich eine Tiefkühlpizza ins Ofenrohr und richte mir einen Beilagensalat mit perfekt aufgeschnittenen Zwiebelringen an.
12.00 Uhr Nach der Brotzeit schlendere ich fingerschnippend ins Gästezimmer und stelle wohlwollend fest, dass Frau Gomez gestern nicht nur das Bett frisch bezogen, sondern auch Staub gewischt hat. Weil es nichts mehr zu tun gibt, werfe ich die Türe ins Schloss und giesse mir auf der schattigen Terrasse ein süffiges Bier hinter die Binde.


Blick auf die Terrasse und den Garten

13.00 Uhr Um keine Langeweile aufkommen zu lassen, mache ich mich im Garten nützlich und versorge die hochgewachsenen Petersilienstauden mit frischem H²O. Nebenher lasse ich meinen Blick über das Nachbargrundstück schweifen und werde auf Herrn Booths Nichte aufmerksam. Wie es sich gehört, winke ich Fräulein Melody freudig zu und erkundige mich, wie lange sie sich schon im Sonnenscheinstaat tummelt. Das bildhübsche Mädchen steht mir artig Rede und Antwort und unterbreitet, dass sie seit Dienstag Abend die Gastfreundschaft ihres Onkels in Anspruch nimmt. Ferner vernehme ich, dass die New Yorkerin zwei Wochen bleiben und Ausflüge ans Meer unternehmen wird – das hört man gerne.
14.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner ROLEX auf 2 zugeht, mache ich kehrt und lege in der klimatisierten Stube die Beine hoch. Ruckzuck döse ich ein und träume von spannenden Tagen im Grossen Apfel.
15.00 Uhr Leider wird die Ruhe alsbald durch lautes Hupen gestört. Ich öffne schwungvoll die Haustüre und treffe Edelbert auf der Einfahrt an. Mein Bekannter präsentiert eine Plastiktüte mit HOME DEPOT Aufdruck und erzählt, dass er soeben im Baumarkt war, um Hohlwandschrauben zu kaufen. Ich freue mich für meinen Bekannten und höre, dass er am Abend zwei Wandgemälde in seiner Stadtwohnung anbringen wird – das soll mir auch Recht sein.
15.45 Uhr Nachdem ich dem Professor einen Kaffee spendiert habe, sucht er das Weite und ich komme meinen Pflichten als Anschnurseelsorger nach. Nörgelnd studiere ich Depeschen besorgter Heimseitenbesucher und sehe mich genötigt, Herrn Rolf B. aus Ost-Berlin zu raten, der verlotterten Hauptstadt den Rücken zu kehren und nach Bayern auszuwandern.
16.45 Uhr Zu guter Letzt nehme ich neuen Einträge im Gästebuch in Augenschein und freue mich über den netten Zuspruch. Anschliessend fahre ich den leistungsstarken Heimrechner mausdrückend herunter und zögere nicht, unter Hund Dixons Beobachtung das Abendessen vorzubereiten.


Ich beisse kraftvoll zu

18.00 Uhr Nachdem ich Langnudeln mit Käsesauce verzehrt und das grosse Kreuzworträtsel in der Tageszeitung gelöst habe, schalte ich die Glotze ein und gebe mich den FOX Nachrichten hin.
19.00 Uhr Zur Hauptfernsehzeit wechsle ich auf HBO und erfreue mich am oscarprämierten Kriegsdrama “Dunkirk”. Das Meisterwerk aus dem vergangenen Jahr handelt von der Operation Dynamo, bei der während der Schlacht von Dünnkirchen im zweiten Weltkrieg fast die gesamten britischen Truppen evakuiert wurden – das ist ja allerhand
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung betätige ich den “OFF” (löblich: AUS) Knopf auf der Fernbedienung und rufe Dixon ins Haus. Zu guter Letzt reguliere ich die Klimaanlage und lege mich schlafen. Gute Nacht.