1. Juni 2017 – Mittagessen im Unterseeboot

08.00 Uhr Ich öffne die Augen und läute den ersten Tag des Brachmonats Juni mit dem Frühsport ein. Nebenher erzähle ich Hund Dixon, dass der Begriff “Brachmonat” auf Landwirte zurückgeht, die eine sogenannte Dreifelderwirtschaft betreiben und im Juni ihre brachliegende Felder umpflügen – wie schön.
08.30 Uhr Um für gute Laune zu sorgen, verfrachte ich nach der Morgengymnastik die Mavericks Kompaktscheibe “What a Crying Shame” (löblich: Was für eine schreiende Schande) in die Musikanlage und beschalle die kleine Villa mit dem gleichnamigen Titellied. Ausserdem stelle ich die DeLonghi Kaffeemaschine an und freue mich, Maria, Georg und Edelbert zur Mittagszeit im “USS Nemo” zu treffen. Danach ziehe ich mich ins Bad zurück und kann es kaum noch erwarten, im besten Fischlokal der Gemeinde fürstlich zu dinieren – das wird phantastisch.

09.30 Uhr Nach dem Badespass setze ich mich an den Frühstückstisch und bemerke, dass Dixon argwöhnisch in den Garten späht. Um mir ein genaueres Bild zu machen, öffne ich die Pforte und werde auf unseren Gärtner aufmerksam. Herr Leonardo winkt mir zu und sagt, dass er viel um die Ohren hatte und erst heute den Garten auf Vordermann bringen kann. Ich zucke mit den Schultern und lade den Knecht ein, mit mir zu frühstücken.
10.00 Uhr Während sich Herr Leonardo mit hauchdünn aufgeschnittenem Capocollo, luftgetrockneter Salami und röschem Langbrot (unlöblich: Baguette) voll stopft, komme ich auf die Grünfläche hinter dem Haus zu sprechen und stelle klar, dass ich mit seiner Arbeit sehr zufrieden bin. Mein Tischnachbar schenkt mir ein Lächeln und erwidert, dass es eine Freude ist, im Willoughby Drive mit der Gartenschere zu hantieren.
10.45 Uhr Als der Stundenzeiger meiner ROLEX auf 11 zugeht, schellt das Telefon besonders laut. Zu allem Überfluss meldet sich mein Bruder und erinnert, dass wir uns in eineinhalb Stunden im “USS Nemo” treffen werden. Bei dieser Gelegenheit erfahre ich, dass Dixon leider zu Hause bleiben muss. Ich seufze laut und informiere, dass ich das Haustier gleich zu Frau Pontecorvo bringen werde.
11.30 Uhr Nachdem sich Herr Leonardo für Speis und Trank bedankt hat, statte ich meiner Nachbarin einen Besuch ab. Die Gute begrüsst mich überschwänglich und zögert nicht, nach draussen zu schielen und Herrn Leonardo in Augenschein zu nehmen. Zudem plappert meine Nachbarin davon, dass der Gärtner jederzeit auch ihre Hecke stutzen kann. Ich winke demonstrativ ab und bitte die Dame, während der kommenden Stunden auf Dixon aufzupassen.
12.00 Uhr Pünktlich zum Mittagsläuten hüpfe ich in den Chevrolet Suburban und gleite hupend vom Grundstück. Da ich nicht zu spät am Restaurant eintreffen will, trete ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch und setze zu waghalsigen Überholmanövern an – da kommt besonders grosse Freude auf.


Ich trinke einen Moskauer Esel

12.30 Uhr Wenig später betrete ich die Gaststätte am Tamiami Trail North und registriere, dass die futuristische Einrichtung an ein Unterseeboot erinnert. Beeindruckt laufe ich zum reservierten Tisch und leiste meinen Verwandten Gesellschaft. Georg, Maria und Edelbert wünschen mir einen guten Tag und erzählen, dass sie bereits einen Aperitif bestellt haben. Ich winke sogleich einen gestriegelten Kellner herbei und nehme mit einem süffigen Moscow Mule (löblich: Moskauer Esel) Vorlieb.
13.00 Uhr Während ich mir das Limettenmischgetränk schmecken lasse, blättere ich in der Speisekarte und bringe heraus, dass meine Verwandten bereits des öfteren hier gegessen haben. Mein Bruder schwärmt in den höchsten Tönen und legt mir nahe das “Fish Tandoori” zu bestellen. Ich komme dem Vorschlag augenblicklich nach und ordere dazu einen farbenfrohen Beilagensalat sowie ein Fläschchen Corona.


Grosscousin Robert kommt bald nach Florida

13.30 Uhr Nach dreissig Minuten fährt der Ober das Mittagessen auf und ich komme zu dem Schluss, dass der gebratene Schwertfisch vorzüglich schmeckt. Nebenher vernehme ich, dass Georg gestern mit Robert Pfaffenberg telefoniert hat. Ich lege interessiert das Besteck beiseite und höre, dass mein Grosscousin alsbald nach Florida ausfliegen wird, um uns einen Besuch abzustatten – das ist die beste Nachricht des ganzen Tages.
14.15 Uhr Als Nachspeise verdrücken wir hausgemachten Käsekuchen an Vanilleeis und kommen überein, dass das “USS Nemo” zweifelsohne zu den besten Adressen der Stadt zählt. Edelbert wischt sich den Mund an der Serviette ab und meint, dass er am Nachmittag eine positive Kritik auf Yelp veröffentlichen wird.
15.15 Uhr Um insgesamt 220 Dollars ärmer, verlassen wir die Wirtschaft und schütteln Hände. Georg steckt sich eine qualmende Zigarre an und kündigt an, dass er nun mit Maria zum benachbarten “Fresh Market” rasen und Einkäufe erledigen wird. Ich wünsche den beiden viel Vergnügen und ziehe es vor, die Heimreise anzutreten.
16.00 Uhr Zuhause angekommen, hole ich Dixon bei Frau Pontecorvo ab. Der Rüde ist ganz aus dem Häuschen und fordert mich fiepend auf, mit ihm Gassi zu gehen. Da man dem Hund nichts abschlagen kann, scheuche ich ihn an die frische Luft und schlendere mit einem lustigen Lied auf den Lippen zur “La Playa” Golfanlage.


Wir halten nach Golfbällen Ausschau

17.00 Uhr Ein langer Tag neigt sich langsam seinem Ende zu. Ich stosse verschwitzt die Haustüre auf und mache mich in der Küche nützlich. Wie es sich für einen kultivierten Rentner gehört, nehme ich die Geschirrspülmaschine knopfdrückend in Betrieb und vergesse auch nicht, den Küchenboden zu wischen.
18.00 Uhr Nachdem ich ein Wurstbrot gefressen habe, schaue ich mir die FOX Nachrichten an und bringe heraus, dass am kommenden Montag nicht nur Pfingsten, sondern auch der Weltumwelttag gefeiert wird.
19.00 Uhr Um etwas Abwechslung zu bekommen, wechsle ich zur Hauptfernsehzeit auf HBO und fröne einigen Episoden der beliebten Komödienserie “Veep” – das macht Spass.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung schalte ich den Flachbildschirm aus und lösche sämtliche Lichter. Anschliessend streichle ich Dixon über den Kopf und falle erschöpft ins Bett. Gute Nacht.