08.00 Uhr Ich werde durch die Dixie Chicks Komposition “Loving Arms” (löblich: Liebende Arme) geweckt und hüpfe ausgelassen aus dem Bett. Ich lasse Hund Dixon in den Garten hinaus und bemerke, dass die Landmusikweiber seit vielen Jahren keine neuen Lieder veröffentlicht haben – wie schade.
08.30 Uhr Nach dem Frühsport eile ich verschwitzt in die Nasszelle und lasse die Wirbelbadewanne mit lauwarmem Wasser volllaufen. Ferner rufe ich bei meinem Bruder in Toronto an und informiere, dass ich heute ein schönes Zimmer für meinen Grosscousin Robert in Herrn Wangs Motel reservieren werde. Georg ist jedoch alles andere als begeistert und wirft ein, dass wir Robert nicht in einer zweitklassigen Herberge am Stadtrand einquartieren können. Stattdessen verweist mein Verwandter auf das “Ritz Carlton” Hotel an der Vanderbilt Beach Road und bittet mich, dort eine Suite anzumieten. Als ich auf die hohen Kosten zu sprechen komme, beruhigt mich Georg redlichst und sichert zu, dass er die Rechnung übernehmen wird – wie schön.
Das Naples Manor Motel
09.30 Uhr Ich beende den Badespass und nehme mir das Recht heraus, in legere Freizeitkleidung zu schlüpfen. Danach statte ich dem Nachbarhaus einen Besuch ab und lasse Frau Pontecorvo wissen, dass mein Magen nach einer Mahlzeit verlangt. Die nette Dame winkt mich zuvorkommend herein und serviert hausgemachte Pfannkuchen mit Erdbeerfüllung. Während ich kraftvoll zubeisse, verweise ich auf das Telefonat und erwähne, dass ich gleich zu der besagten Luxusherberge am Golf von Mexiko krusen werde. Meine Tischnachbarin wird augenblicklich hellhörig und kündigt an, dass sie mich begleiten wird – das soll mir Recht sein.
10.15 Uhr Nachdem ich mir den Bauch vollgeschlagen habe, verabschiedet sich Frau Pontecorvo ins Schlafzimmer. Laut seufzend nehme ich in der klimatisierten Stube platz und mache es mir zur Aufgabe, Hund Dixon zu streicheln. Unterdessen erkläre ich dem Rüden, dass sich die Dame nur kurz frisch machen wird.
10.45 Uhr Dreissig Minuten später präsentiert sich Frau Pontecorvo in einem beigen Strandkleid und beteuert, dass sie sich nicht nur umziehen, sondern auch schminken musste. Augenrollend folge ich der Alten zum Chevrolet und helfe ihr als Kavalier der alten Schule auf den Beifahrersitz. Im Anschluss lasse ich den Motor aufheulen und presche mit durchdrehenden Pneus vom Grundstück.
11.15 Uhr Endlich erreichen wir unser Ziel und können den Suburban direkt vor dem Haupteingang parken. Als ein gestriegelter Schnösel daherkommt und mir den Autoschlüssel abnehmen will, erhebe ich den Zeigefinger und belehre, dass ich lediglich ein Zimmer reservieren möchte. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, nehme ich Dixon an die Leine und laufe zur Rezeption, um einer kleinen Hotelmaid klarzumachen, dass ich ab dem 21. September eine Suite mit Meerblick benötige.
Hund Dixon
11.45 Uhr Das rothaarige Mädchen tippt die Daten mit ihren Wurstfingern in die Heimrechnertastatur ein und rechnet vor, dass eine Suite mit 649 Dollars pro Tag zu Buche schlagen wird. Ich zucke mit den Schultern und lasse es mir nicht nehmen, die Räumlichkeiten für eine ganze Woche zu mieten.
12.15 Uhr Kurz nach dem Mittagsläuten erhalte ich eine Kostenaufstellung und erfahre, dass ich nun eine Kreditkarte vorlegen muss. Weil Georg versprochen hat, für Kost und Logis einzustehen, komme ich der Aufforderung nach und bitte die Hotelmitarbeiterin, die alkoholischen Getränke aus der Minibar zu räumen – immerhin ist Robert ein strenggläubiger Christ und überzeugter Antialkoholiker.
Ich lege eine Bezahlkarte vor
12.45 Uhr Schlussendlich landen wir im hoteleigenen “The Grill” Gasthaus und setzen uns an einen einladenden Tisch mit Ausblick. Als ein hochnäsiger Kellner anrückt und Tafelwasser auffährt, tippe ich auf die Tageskarte und bitte den Heini, eine Fischplatte für zwei Personen aufzufahren.
13.15 Uhr Als ich einen gekochten Hummerschwanz auf meinen Teller verfrachte, meldet sich Frau Pontecorvo zu Wort und möchte wissen, warum Robert nach Florida kommt. Ich wische mir mit der Serviette über den Mund und entgegne, dass der gute Mann den Aufenthalt nutzen wird, um seiner Tochter (36) in Miami einen Besuch abzustatten. Um meiner Bekannten einen genaueren Einblick zu gewähren, berichte ich ausserdem, dass Frau Kimberly seit Kurzem im Büro des örtlichen Staatsanwalts arbeitet.
14.00 Uhr Um insgesamt 110 Dollars ärmer, verlassen wir die Wirtschaft und kehren zum Auto zurück. Schwungvoll öffne ich die Beifahrertüre und gebe vor, dass das subtropische Klima kaum auszuhalten ist.
14.45 Uhr Zuhause angekommen, verabschiede ich meine Nachbarin und freue mich auf ruhige Stunden in der kleinen Villa. Während Dixon im Garten zurück bleibt, falle ich erschöpft aufs Kanapee und döse prompt ein.
15.45 Uhr Um nicht bis zum Abend auf der faulen Haut zu liegen, rapple ich mich auf und komme meinen Pflichten als Anschnurseelsorger nach. Pflichtbewusst nehme ich Briefe leidgeprüfter Erziehungsberechtigter in Augenschein und registriere, dass es die Jugend derzeit besonders bunt treibt – wie furchtbar.
16.30 Uhr Zum Abschluss der nervenaufreibenden Anschnursitzung überprüfe ich die Einträge im Gästebuch und kontrolliere zudem den Warenbestand im beliebten Andenkenladen.
17.15 Uhr Während das Haustier im Garten tollt, mache ich mich in der Küche nützlich und bereite eine Portion Kartoffelbrei mit vitaminreichen Fischstäben zu. Als Beilage zaubere ich einen farbenfrohen Beilagensalat mit perfekt aufgeschnittenen Zwiebelringen – da kommt Freude auf.
18.00 Uhr Nach dem Nachtmahl genehmige ich mir eine eiskalte Hopfenkaltschale und schaue mir dixonkraulend die Nachrichten auf FOX an. Unter anderem lerne ich, dass vor 98 Jahren der “National Park Service” (NPS) in Washington DC ins Leben gerufen wurde – wie schön.
19.00 Uhr Zur Prime Time (löblich: beste Sendezeit) wechsle ich auf den Filmkanal AMC und erfreue mich an der Komödie “Dumb and Dumber” (auf deutsch: Dumm und dümmer). HEUREKA – diesen Quatsch muss man gesehen haben.
21.00 Uhr Nach zweistündigem Klamauk betätige ich den AUS Knopf auf der neumodischen Fernbedienung und begleite Dixon in den Garten. Anschliessend reguliere ich die Klimaanlage und ziehe mich gähnend ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.