08.15 Uhr Ich öffne die Augen und bemerke, dass ich verschlafen habe. Weil Morgenstund’ sprichwörtlich Gold im Mund hat, hüpfe ich aus dem Bett und führe auf der schattigen Terrasse die Morgengymnastik durch.
Hund Dixon bekommt einen Kauknochen
08.45 Uhr Danach stecke ich Hund Dixon einen Kauknochen ins Maul und verabschiede mich in die Nasszelle. Wie es sich für einen seriösen Rentner gehört, entspanne ich mich bei einem erfrischenden Wirbelbad und spiele mit der Idee, mit meinen Verwandten einen Strandspaziergang unternehmen. Spornstreichs nehme ich die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) zur Hand und lasse es mir nicht nehmen, im Ferienhaus anzurufen. Nach dem zweiten Tuten meldet sich meine Schwägerin und erzählt, dass Georg mit einem Hexenschuss das Bett hüten muss. Ich mache mir die grössten Sorgen und erfahre, dass gegen 10 Uhr ein Arzt vorbeikommen wird – wie schrecklich.
09.45 Uhr Nach dem Badevergnügen schlüpfe ich in modische Freizeitkleidung und höre, wie Frau Gomez die Haustüre aufsperrt. Ich begrüsse die Putzfrau herzlich und gebe zu Protokoll, dass mein Bruder mit Rückenschmerzen zu kämpfen hat. Die Mexikanerin seufzt laut und sagt in einem kaum verständlichen Kauderwelsch, dass man in ihrer Heimat bei Kreuzschmerzen Räucherstäbe anzündet und die Jungfrau von Guadalupe (auf spanisch: Virgen de Guadalupe) anbetet. Ich beschwichtige die Reinigungsfachkraft und entgegne, dass ich es gewöhnt bin, bei Schmerzen einen Arzt zu konsultieren.
10.30 Uhr Wenig später beende ich das Frühstück und entschliesse mich, meinem Bruder einen Krankenbesuch abzustatten. Zuvor bitte ich Frau Gomez, während meiner Abwesenheit Wäsche zu waschen und den Müll nach draussen zu tragen – immerhin kann ich mich nicht um alles kümmern.
Das Ferienhaus meiner Liebsten
11.00 Uhr Nach einer kurzweiligen Reise im PS-strotzenden Chevrolet erreiche ich den Lowbank Drive und kann das Auto auf der Einfahrt parken. Nachdenklich helfe ich Dixon von der Ladefläche und mache es mir zur Aufgabe, die Klingel am Ferienhaus zu betätigen. Maria öffnet die Pforte schwungvoll und lässt mich wissen, dass sich der Arzt vor wenigen Minuten verabschiedet hat. Ich schiebe die Perle beiseite und eile mit schnellen Schritten ins Wohnzimmer, um Georg einen schönen guten Morgen zu wünschen. Mein Bruder winkt mir mit schmerzverzerrtem Gesicht zu und unterbreitet, dass es ihm heute nicht möglich sein wird, das Haus zu verlassen.
11.30 Uhr Als Maria Eistee und Sandwiches (unlöblich: Wurstbrote) auffährt, berichtet Georg, dass ihm der Arzt zwei Spritzen verabreicht und ihn angehalten hat, “Zostrix” Tabletten zu kaufen. Ich nicke eifrig und biete dem guten Mann an, zur Apotheke zu rasen und besagtes Medikament zu besorgen. Mein Gegenüber freut sich und meint, dass ich bei dieser Gelegenheit auch beim “Parmesan Pete’s” Restaurant vorbei krusen und eine grosse Familienpizza abholen könnte – das hört sich verlockend an.
12.00 Uhr Nachdem meine Schwägerin die Essensbestellung telefonisch übermittelt hat, streichle ich Dixon über den Kopf und gebe ihm zu verstehen, dass er brav bei meinen Verwandten warten muss. Im Anschluss verlasse ich das Ferienhaus und rase ruck zuck zur “CVS Pharmacy” an der Vanderbilt Beach Road. Unterdessen lausche ich dem aktuellen Studioalbum der “Zac Brown Band” und komme zu dem Schluss, dass die neumodernen Klänge gar nicht nach meinem Geschmack sind.
Zac Brown Band – Jekyll + Hyde
12.30 Uhr Nach kurzer Wartezeit stehe ich vor dem Apotheker und händige ihm das Rezept aus. Der Heini kommt augenblicklich in die Gänge und sagt, dass man täglich drei “Zostrix” Tabletten einnehmen sollte. Ich notiere mir die Angaben ganz genau und werde anschliessend genötigt, 33 Dollars und 70 Zents zu bezahlen. Anschliessend steuere ich zielsicher das italienische Gasthaus an der Airport Pulling Road an und investiere weitere 25 Dollars in schmackhafte Pizzas – schon jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
13.15 Uhr Zurück im Ferienhaus lasse ich mich erschöpft im Wohnzimmer nieder und fordere Maria mit erhobenem Zeigefinger auf, kühle Hopfenkaltschalten sowie Messer und Gabel aufzufahren. Danach mache ich mich über die Köstlichkeit her und komme aus dem Zungeschnalzen gar nicht mehr heraus.
Wir essen Pizzas
14.00 Uhr Weil es Georg immer noch nicht besser geht, fasse ich den Entschluss, mich zu verabschieden und nach Hause zu fahren. Zu guter Letzt hauche ich Maria ein Bussi auf die Wange und unke, dass es ihrem Ehemann bald besser gehen wird.
14.30 Uhr Zurück im Willoughby Drive, scheuche ich den Vierbeiner in die gute Stube und setze ihm eine Portion ROYAL CANIN Trockenfutter vor. Ferner strecke ich auf dem Kanapee die Beine aus und entspanne mich redlichst.
15.30 Uhr Nach einer Stunde hüpfe ich vom Sofa und komme meinen Pflichten als Anschnurseelsorger nach – diesem Stress steht nicht einmal der stärkste Rentner stand.
16.15 Uhr Nach der schweisstreibenden Anschnurarbeit gehe ich von der Leine und greife zur Tageszeitung. Wissbegierig überfliege ich die Berichte auf der bunten Seite und lerne, dass der blinde Komponist Stevie Wonder heute seinen 65. Geburtstag feiert – das soll mir auch Recht sein.
17.00 Uhr Als die Wanduhr fünfmal schlägt, schlendere ich in die Küche und sorge für ein vitaminreiches Abendessen. Ich koche Langnudeln auf und verfeinere die Teigwaren mit Pesto aus dem Glas. Darüber hinaus schneide ich zwei Tomaten auf und zaubere im Handumdrehen einen schmackhaften Salat.
18.00 Uhr Nachdem ich mich gestärkt und die Geschirrspülmaschine knopfdrückend in Betrieb genommen habe, lasse ich die Seele im Wohnzimmer baumeln. Um auf dem Laufenden zu bleiben, fröne ich den FOX Nachrichten und mache mich über die politischen Geschehnisse in der Welt schlau.
19.00 Uhr Weil ausnahmsweise keine brechenden Neuigkeiten (unlöblich: Breaking News) vorliegen, schalte ich zeitnah auf SHOWTIME um und gebe mich dem Fernsehspiel “Homeland” hin. Obgleich ich die Serie bereits gesehen habe, staune ich Bauklötze und werde Zeuge, wie ein hochdekorierter Kriegsheld beschuldigt wird, für eine islamistische Terrorzelle Anschläge in den Vereinigten Staaten zu planen.
21.00 Uhr Ein nervenaufreibender Fernsehabend geht zu Ende und ich rufe Dixon ins Haus. Anschliessend verschliesse ich die Haustüre und lege mich schlafen. Gute Nacht.