08.00 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und gähne wie ein Löwe. Mein Haustier tut es mir gleich und kratzt sich zudem hinter dem Ohr. Weil Morgenstund’ sprichwörtlich Gold im Mund hat, stehe ich auf und bin überrascht, Frau Gomez in der Küche anzutreffen. Die Reinigungsfachfrau mustert mich skeptisch und sagt, dass ihr das Plastikskelett, welches ich neben der Haustüre angebracht habe, einen Schrecken eingejagt hat. Ich lache laut und entgegne, dass ich die kleine Villa vor einer Woche geschmückt habe, um Herrn Booth zu ärgern.
Mein Zuhause unter Palmen
08.30 Uhr Während die Putzfrau mit der Hausarbeit beginnt, absolviere ich auf der Terrasse den Frühsport und erinnere mich, dass Halloween bereits in zwei Tagen gefeiert wird. Da am Freitag freche Kinder an der Pforte klingeln und “Trick or Treat” (löblich: Süsses oder Saures) rufen werden, entschliesse ich mich, im Supermarkt vitaminreiche Süssigkeiten einzukaufen – was das wieder kostet.
09.00 Uhr Wie es sich gehört, ziehe ich mich nach der schweisstreibenden Morgengymnastik in die Nasszelle zurück und entspanne mich bei einem erfrischenden Wirbelbad. Unterdessen telefoniere ich mit Edelbert und verabrede mich für 11 Uhr im PUBLIX Supermarkt – wie schön.
10.00 Uhr Nach sechzig Minuten beende ich den Badespass und setze mich an den Küchentisch. Während ich Kaffee trinke und mich an Rühreiern mit Schinken labe, fühle ich Frau Gomez auf den Zahn und erkundige mich, ob in Mexiko ebenfalls Halloween gefeiert wird. Die kleine Frau nickt eifrig und erzählt, dass Halloween im Nachbarstaat “Día de los Muertos” (auf deutsch: Tag der Toten) genannt wird. Ich staune Bauklötze und bringe heraus, dass nach einem mexikanischen Glauben die Toten einmal im Jahr auf Besuch kommen, um mit den Lebenden ein fröhliches Wiedersehen zu feiern – wie unheimlich.
Día de los Muertos / Bild: Thelmadatter / CC BY-SA 3.0
10.30 Uhr Um Edelbert nicht warten zu lassen, trinke ich den Kaffee aus und scheuche Dixon nach draussen. Ferner bitte ich die Putzperle, das Bett frisch zu beziehen und Wäsche zu waschen.
11.00 Uhr Nach einer nervenaufreibenden Hochgeschwindigkeitsfahrt treffen ich vor dem Supermarkt ein und kann Prof. Kuhns Hand schütteln. Mein Bekannter rückt seine Sonnenbrille zurecht und sagt, dass ihm die gestrige Einkehr in die “Pelican Larry’s Raw Bar & Grill” Wirtschaft nicht gut bekommen ist. Ich wirke beruhigend auf den Professor ein und stelle klar, dass ich ihn nach dem Schoppingvergnügen ins “Starbucks” Kaffeehaus einladen werde. Edelbert freut sich und macht einer Rentnerin mit violetten Haaren einen Einkaufswagen streitig.
11.30 Uhr Im Anschluss schieben wir das klapprige Gefährt durch die breiten Gänge und verfrachten neben Waren des täglichen Bedarfs auch gesunde Hershey’s Schokolade sowie Bonbons in den Wagen. Edelbert kratzt sich an der Schläfe und mutmasst, dass die Nachbarskinder hellauf begeistert sein und an Halloween mehrmals an der kleinen Villa schellen werden – das kann ja heiter werden.
Süssigkeiten für die Kleinen
12.30 Uhr Um insgesamt 120 Dollars erleichtert, verlassen wir die Markthalle und schleppen die schweren Einkaufstüten zum PS-strotzenden SUV. Danach nehme ich den Vierbeiner an die Leine und laufe mit Edelbert ins Starbucks Kaffeehaus. Weil ich die Spendierhosen angezogen habe, gebe ich an den Tresen zwei grosse Capuccinos sowie köstliche Käsesandwiches (löblich: Käsebrote) in Auftrag.
13.00 Uhr Wir geniessen die Brotzeit in vollen Zügen und tratschen nebenher über unsere geplante Reise nach Toronto. Mein Tischnachbar plappert ohne Unterlass und beteuert, dass er sich mittlerweile im Internetz schlau gemacht und preiswerte Flüge für den 20. Dezember ausgespäht hat – wie schön.
13.45 Uhr Zurück am Auto, wünsche ich Edelbert einen schönen Nachmittag. Anschliessend lasse ich den Motor aufheulen und kruse radiohörend in Richtung Willoughby Drive davon.
14.30 Uhr Daheim angekommen, sehe ich mich in der Küche mit Frau Gomez konfrontiert. Die Perle schimpft wie ein Rohrspatz und behauptet, dass der Müllzerkleinerer verstopft war. Zu allem Überfluss präsentiert meine Zugehfrau mehrere Pfirsichkerne und belehrt, dass das Mahlwerk keine Obstkerne zerkleinern kann – wie unlöblich.
15.00 Uhr Nachdem Ruhe eingekehrt ist, schlüpfe ich aus den Kuhjungenstiefel und bette mich in der klimatisierten Wohnstube zur Ruhe – das tut gut.
16.00 Uhr Leider wird mein Müssiggang bald durch Frau Pontecorvo gestört. Meine Nachbarin pocht an die Terrassentüre und überrascht mich mit einem selbstgebackenen Limonenkuchen. Ich schnalze demonstrativ mit der Zunge und mache es mir zur Aufgabe, die futuristische DeLonghi Kaffeemaschine einzuschalten.
Limonenkuchen – schmeckt gar nicht schlecht
16.30 Uhr Während meine Bekannte den Kuchen anschneidet und ein stattliches Stück auf meinen Teller lädt, lasse ich meinen Abstecher in den Supermarkt Revue passieren. Natürlich komme ich auch auf die Süssigkeiten zu sprechen und rechne vor, dass ich ein kleines Vermögen für Bonbons ausgegeben habe.
17.15 Uhr Nach dem Kaffeekränzchen begleite ich meine Nachbarin nach nebenan und verschaffe Dixon etwas Auslauf. Nach wenigen Metern treffen wir Frau Crane und erfahren, dass Hund Joey am Wochenende am Strand gespielt und mit einer Vorderpfote in eine Glasscherbe getreten ist. Ich schlage entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen und rate der ehemaligen Olympiateilnehmerin, schnellstmöglich einen Tierarzt aufzusuchen.
18.00 Uhr Wieder zurück in meinem bescheidenen Zuhause, mache ich mich in der Küche nützlich. Ich schwenke Butter in einer Pfanne und zaubere ein leckeres Omelett mit Tomaten und Speck – wie das duftet.
19.00 Uhr Endlich beginnt der wohlverdiente Feierabend. Ich lasse den langen Tag im kühlen Wohnzimmer ausklingen und informiere mich bei den FOX Nachrichten über die aktuellen Geschehnisse in der Welt.
20.00 Uhr Zur sogenannten “Prime Time” (löblich: beste Sendezeit) wähle ich das Qualitätsprogramm von HBO aus fröne dem abendfüllenden Kriminalfilm “Zodiac”, der vom Treiben eines Serienmörders in San Franzisko erzählt.
22.30 Uhr Nach zweieinhalbstündigem Nervenkitzen schalte ich die Glotze ab und rufe den Vierbeiner ins Haus. Danach verschliesse ich die Haustüre besonders sicher und ziehe mich völlig erschöpft ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.