08.00 Uhr Der Radiowecker springt an und läutet den 249. Tag des Kalenderjahres mit einer Kenny Chesney Komposition ein. Ich werfe die Bettdecke beiseite und lerne, dass der Künstler in drei Wochen ein brandneues Studioalbum veröffentlichen wird – das ist phantastisch.
Mein praktischer Radiowecker
08.45 Uhr Nach der Morgengymnastik ziehe ich mich in die Nasszelle zurück, um ein Wirbelbad zu geniessen. Unterdessen spähe ich auf die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und lese eine Depesche, die mir Sandra vor sechs Stunden zugeschickt hat. Ich seufze laut und lese, dass das Kind bereits in einem LUFTHANSA Stahlvogel sitzt und nach Newark ausfliegt. Ausserdem bringe ich in Erfahrung, dass die Maid in vier Stunden amerikanischen Boden betreten und gegen 15 Uhr nach Fort Myers weiterfliegen wird.
09.45 Uhr Kurz vor dem Zehnuhrläuten steige ich deprimiert aus der Wanne und mache es mir zur Aufgabe, das Gästezimmerfenster zu öffnen. Darüber hinaus fülle ich Dixons Napf mit Trockenfutter auf und spiele mit dem Gedanken, kurzfristig zu verreisen.
10.15 Uhr Just als ich mich in die Hollywoodschaukel setze, kommt Edelberts JEEP auf der Einfahrt zum Halten. Der Professor wünscht mir einen guten Morgen und plappert davon, dass er aus der Italienmetzgerei “Satreales” köstliche “Gabagool” mitgebracht hat. Ich spähe neugierig in die Papiertüte und registriere, dass es sich hierbei um Wurstbrote handelt, die mit vitaminreichem Capocollo und eingelegtem Paprika belegt wurden – wie schön.
Capocollo ist sehr vitaminreich
11.00 Uhr Während die Sonne vom Himmel brennt und das Aussenthermometer auf schweisstreibende 88°F (31°C) ansteigen lässt, klage ich Edelbert mein Leid und informiere, dass ich Sandra in sieben Stunden vom Flughafen abholen muss. Mein Tischnachbar rollt mit den Augen und ist sich sicher, dass die bevorstehenden Wochen sehr unangenehm werden. Ich schlage in die gleiche Kerbe und gebe zu Protokoll, dass ich dem Kind trotzdem einen schönen Empfang bereiten und es mit einem Blumenstrauss überraschen werde.
11.30 Uhr Da ich aktiver Umweltschützer bin und Benzin sparen will, entschliesse ich mich, auf Schusters Rappen zum Circle K Mart zu laufen. In Dixons und Edelberts Gesellschaft vertrete ich mir die Beine und berichte, dass ich nicht nur Blumen, sondern auch Süssigkeiten einkaufen muss – immerhin frisst Sandra wie einen Scheunendrescher.
12.15 Uhr Pünktlich zur Mittagszeit betrete ich den Saftladen und bemerke, dass “JOLT COLA” im Angebot ist. Obgleich die Limonade nicht schmeckt, nehme ich drei Flaschen aus dem Regal und gebe dem Professor zu verstehen, dass ich Sandra dieses zuckerhaltige Erfrischungsgetränk vorsetzen werde.
13.00 Uhr Nachdem wir einen Rosenstrauss für 3 Dollars und preiswerte Knabbereien erworben haben, kehren wir in die benachbarte Subway Gaststätte ein, um Thunfisch Sandwiches (löblich: Thunfischbrote) zu ordern. Um auch dem Vierbeiner etwas gutes zu tun, lasse ich ihn kurzerhand vom Brot abbeissen – das schmeckt.
14.00 Uhr Endlich sind wir wieder zu Hause und können uns im klimatisierten Wohnzimmer abkühlen. Ich verfrachte eine DVD ins Abspielgerät und lasse Edelbert wissen, dass es Spass macht, Derrick Episoden aus den 1980er Jahren zu sehen. Der Professor nippt genüsslich an seiner Hopfenkaltschale und lehnt sich zufrieden zurück.
15.00 Uhr Als wir uns den spannenden Fall “Der Mann aus Antibes” zu Gemüte führen, stösst Frau Pontecorvo die Terrassentüre auf. Meine Nachbarin redet ohne Unterlass auf uns ein und behauptet, dass Dixon ein Eichhörnchen im Garten zerfetzt. Ich zucke mit den Schultern und entgegne, dass ich mich nicht um alles kümmern kann. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, biete ich der Dame einen Platz an und mache sie darauf aufmerksam, dass Oberkommissar Stefan Derrick gerade den Mord an einer Dolmetscherin aufklären muss.
Hund Dixon zerfetzt eine Eichkatze
16.00 Uhr Im Anschluss geben wir uns einer weiteren Folge hin und frönen dem von Meisterregisseur Jürgen Goslar perfekt in Szene gesetztem Fernsehspiel “Gregs Trompete”. Währenddessen macht sich Frau Pontecorvo in der Küche nützlich und kündigt an, ein Willkommensessen für Sandra vorbereiten zu wollen.
17.00 Uhr Als der Abspann über die Mattscheibe flimmert, schellt die Schwarzbeere. Zu allem Überfluss meldet sich Sandra und sagt, dass der Anschlussflug aus Newark früher gelandet ist. Ich erhebe mich aus dem Ohrensessel und antworte, dass ich mich augenblicklich auf den Weg machen werde.
17.15 Uhr Wenig später sitzen wir im PS-strotzenden Chevrolet und brettern mit durchdrehenden Pneus aus der Garage. Um schneller voran zu kommen, betätige ich die Hupe und nehme mir das Recht heraus, auf der Interstate zu waghalsigen Überholmanövern anzusetzen.
18.00 Uhr Nach 25 Meilen erreichen wir den Flughafen und sehen Sandra vor dem Terminal stehen. Ich trete beherzt auf die Bremse und fordere meine Mieterin auf, ihren Koffer auf der Ladefläche zu verstauen und schnell zuzusteigen. Das Mädchen hüpft freudig auf und ab und lässt es sich nicht nehmen, uns herzlich zu begrüssen.
19.00 Uhr Daheim angekommen, lotse ich Sandra in die Villa und stelle klar, dass ich ohrenbetäubende Hartfelsenmusik sowie Herrenbesuche unter keinen Umständen dulden werde. Edelbert nickt eifrig und sagt, dass in meinem kultivierten Zuhause Zucht und Ordnung herrscht – wie wahr.
Ein prima Abendessen
19.30 Uhr Danach machen wir es uns auf der Terrasse bequem und werden von Frau Pontecorvo mit einem vegetarischen Nudelgericht verwöhnt. Natürlich kommt Sandra aus dem Erzählen gar nicht mehr heraus und berichtet, dass der Flug sehr nervenaufreibend war – das ist mir ganz Wurst.
20.30 Uhr Nachdem wir das Abendessen mit Schaumkaffees abgerundet haben, verabschieden sich Edelbert und Frau Pontecorvo. Sandra gähnt in einer Tour und sagt, dass sie auch gleich ins Bett gehen wird. Zu guter Letzt begleite ich die Maid ins Gästezimmer und deute auf den Blumenstrauss. Mein Gast schenkt mir ein Lächeln und verspricht, sich erkenntlich zu zeigen und mich morgen zum Frühstück einzuladen.
21.00 Uhr Anschliessend wünsche ich der Maid angenehme Träume und laufe schnurstracks ins Schlafzimmer. Gute Nacht.