11. Juli 2014 – Im Krankenhaus

pfaffenbergkl

08.00 Uhr Ich öffne die Augen und bin überrascht, kaum noch Rückenschmerzen zu haben. Laut juchzend stehe ich auf und erkläre Dixon, dass die zehnstündige Nachtruhe Wunder gewirkt hat.
08.30 Uhr Als ich jedoch auf der Terrasse die Morgengymnastik absolviere, fährt mir erneut ein stechender Schmerz ins Kreuz. Völlig entnervt quäle ich mich in die gute Stube und ziehe es vor, mich an den Schreibtisch zu setzen.
09.00 Uhr Just als ich mir eigene Gedanken mache und mich im Internetz über minimalinvasive Operationsmethoden schlau mache, klingeln Edelbert und meine Verwandten an der Haustüre. Ich wünsche den lieben Menschen einen schönen Morgen und gebe zu Protokoll, dass ich mich prima fühle und die geplante Operation absagen werde. Georg erhebt augenblicklich Einspruch und sagt, dass er mich höchstpersönlich ins Krankenhaus bringen wird – wie furchtbar.

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Eingeklemmte Bandscheibe

09.30 Uhr Nach viel Überzeugungsarbeit komme ich zu dem Schluss, dass es wohl doch schlauer wäre, den Bandscheibenvorfall behandeln zu lassen. Auch David beruhigt mich redlichst und verspricht, mich täglich in der Klinik zu besuchen. Ich seufze laut und bringe weiter heraus, dass mein Bruder gestern Abend mit Dr. Rognatelli telefoniert und die Information erhalten hat, dass der operative Eingriff lediglich 20 Minuten dauern wird. Meine Schwägerin schlägt in die gleiche Kerbe und sagt, dass sie mich am Dienstag nach Hause holen und mich bis zu meiner vollständigen Genesung umsorgen wird.
10.30 Uhr Während wir am Frühstückstisch sitzen, kommt Edelbert auf die Tokioreise zu sprechen und setzt mich darüber in Kenntnis, dass es Admiral a.D. Bürstenbinder sehr bedauert, mich nicht in Japan begrüssen zu können. Ich zucke mit den Schultern und lasse meinen Bekannten wissen, dass ich die Reise im Herbst nachholen werde.
11.15 Uhr Nachdem ich meine Kaffeetasse geleert habe, trommle ich mit den Fingern auf die Tischplatte und weise auf die Tatsache hin, dass es langsam Zeit wird, ins Krankenhaus zu fahren. Ich humple nörgelnd ins Schlafzimmer und mache es mir unter Dixons skeptischen Blicken zur Aufgabe, Kleidung sowie Waschutensilien in eine Reisetasche zu werfen. Ausserdem nehme ich einen Bündel Banknoten aus meinem Geheimversteck und gebe Edelbert zu verstehen, dass ich mich dem Klinikpersonal stets spendabel zeigen werde.

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Dixon kann mich nicht begleiten

12.00 Uhr Pünktlich zum Mittagsläuten stattet mir Frau Pontecorvo einen Besuch ab. Die Perle fällt mir um den Hals und sagt, dass sie während der nächsten Tage in meiner Villa wohnen und Dixon beaufsichtigen wird. Ich nicke eifrig und flunkere, dass die Vorhänge gewaschen und sämtliche Schränke ausgewischt werden müssen. Meine Nachbarin schenkt mir ein Lächeln und sagt, dass mir der Humor Gott sei Dank nicht abhanden gekommen ist.
12.45 Uhr Nachdem ich mich von Edelbert, Frau Pontecorvo, den Kindern und Hund Dixon verabschiedet habe, folge ich Georg zu seinem PS-strotzenden JEEP. Der gute Mann hilft mir auf den Beifahrersitz und zögert nicht, hupend in Richtung Süden davonzufahren. Ich blicke mich ein letztes Mal nach meinem Zuhause um und ärgere mich, nicht mit nach Japan fliegen zu können.
13.30 Uhr Am Ziel angekommen, lost mich Georg ins Krankenhaus und plappert, dass die Klinik über 600 Betten verfügt und zu den besten Einrichtungen im Süden der USA zählt – das soll mir auch Recht sein.
14.00 Uhr Ich händige der Empfangsdame meine Versicherungskarte aus und höre, dass Dr. Rognatelli ein Einzelzimmer im zweiten Stock reserviert hat. Weil ich Abschiede nicht leiden kann, reiche ich Georg meine Hand und stelle klar, dass er mich nicht nach oben begleiten muss. Darüber hinaus wünsche ich ihm eine schöne Reise und sichere zu, dass ich mich am Abend telefonisch melden werde.
14.30 Uhr Missmutig fahre ich mit dem Lift nach oben und sehe mich mit einer übergewichtigen Krankenschwester namens Abigail (55) konfrontiert. Die Dame lotst mich in eine gemütliche Unterkunft und sagt, dass Dr. Rognatelli im Laufe des Nachmittags nach mir sehen wird. Ferner überreicht mir die Perle ein Nachthemd und meint, dass sie mir vorher Blut abnehmen und mich in den Röntgenraum bringen muss.
15.15 Uhr Mit einem Klos im Hals schlüpfe ich aus den Freizeitkleidern und werfe mir das hellblaue Nachthemd über. Unterdessen löchere ich Frau Abigail mit Fragen und bringe heraus, dass Dr. Rognatelli im Laufe seiner langjährigen Karriere Hunderte Bandscheibenvorfälle behandelt hat – wie beruhigend.
16.00 Uhr Wenig später lerne ich einen Pfleger namens Morris (29) kennen und erfahre, dass der gute Mann Medizin an der “University of Florida” studiert und bald seine Doktorarbeit schreiben wird. Der Heini nimmt mir Blut ab und sagt, dass wir als nächstes meine Wirbelsäule röntgen müssen. Ich lasse alles über mich ergehen und denke daran, wie schön es doch wäre, zuhause im Kreise der Familie zu sitzen und Kaffee zu trinken.
17.00 Uhr Nachdem ich ein Gespräch mit einem Anästhesisten geführt und die Auskunft erhalten habe, dass der Eingriff unter Vollnarkose durchgeführt wird, kann ich endlich auf mein Zimmer zurückkehren.
17.30 Uhr Zu meiner Freude stattet mir bald Dr. Rognatelli einen Besuch ab und erzählt, dass ich am Samstag gegen acht Uhr von meinen Rückenschmerzen erlöst werde. Ich strahle wie ein Honigkuchenpferd und vernehme ausserdem, dass ich bereits am späten Nachmittag Besuch empfangen darf – wie aufregend.
18.15 Uhr Zu guter Letzt wünscht mir der Arzt einen schönen Abend und versorgt mich mit einer Hochglanzbroschüre. Ich überfliege das Geschriebene und lerne, dass unsere Wirbelsäule aus 23 Bandscheiben besteht, die durch Knorpel miteinander verbunden sind. Ich staune Bauklötze und lese weiter, dass in den Vereinigten Staaten jährlich knapp 3 Millionen Bandscheibenoperationen durchgeführt werden – das ist ja allerhand.

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Ich saufe einen Eistee

19.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner ROLEX auf 7 deutet, serviert mir Frau Abigail ein Glas Eistee sowie eine Schmerztablette. Ferner tippt die Dame auf ihre TIMEX Plastikuhr und kündigt an, dass wir uns morgen Früh zur Operation wiedersehen werde. Ich atme tief durch und spüle meine Kehle mit dem einen grossen Schluck durch. Danach rufe ich bei Georg und Maria an und berichte, dass ich in dreizehn Stunden in den Operationssaal geschoben werde. Meine Schwägerin redet mir gut zu und beteuert, dass der Eingriff ohne Komplikationen verlaufen wird – das will ich doch hoffen.
19.30 Uhr Um Morgen topfit zu sein, beende ich das Telefonat und schliesse die Augen. Gute Nacht.