9. Januar 2014 – Eis, Schnee und Little Portugal

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08.00 Uhr Ich öffne die Augen und fühle mich wie erschlagen. Weil mir der Ausflug an die Niagara Fälle noch immer in den Knochen steckt, dauert das Aufstehen heute etwas länger – was soll das noch hinführen.

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Dixons Pfotenabdruck im Schnee

08.30 Uhr Nach dem Frühsport am Fenster verabschiede ich mich in die Nasszelle, um den Tag mit einem prima Schaumbad zu beginnen. Nebenher navigiere ich mit dem iPad durchs Internetz und bringe heraus, dass der Wetterdienst für die kommenden Tage weitere Schneefälle an der amerikanischen Ostküste und in Ontario voraussagt. Ich atme tief durch und freue mich, am Samstag ins sonnige Florida zurück fliegen zu können.

09.30 Uhr Im Anschluss rutsche ich auf dem Treppengeländer nach unten und werde von Georg begrüsst. Mein Bruder bietet mir einen Platz am Frühstückstisch an und plappert davon, dass Maria mit Edelbert zur Centerpoint Mall gefahren ist. Ich zucke mit den Schultern und lasse es mir nicht nehmen, meine Kaffeetasse mit brühfrischem Bohnentrunk aufzufüllen. Bei dieser Gelegenheit tratsche ich mit meinem Verwandten und rege einen Spaziergang an. Georg nickt eifrig und meint, dass wir zur Dundas Street krusen und “Little Portugal” (löblich: Kleines Portugal) besichtigen könnten – das soll mir Recht sein.
10.15 Uhr Just als ich kraftvoll in ein französisches Hörnchen (unlöblich: Croissant) beisse, kommen Maria und Edelbert vom Schoppingausflug zurück. Der Professor stellt zwei Tüten auf der Küchenarbeitsfläche ab und erzählt, dass in der Centerpoint Mall die Hölle ausgebrochen ist. Meine Schwägerin gibt meinem Bekannten Recht und behauptet, dass die Geschäfte derzeit mit unglaublichen Rabatten locken. Ich komme aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus und stelle klar, dass ich dem Konsumwahn gar nichts abgewinnen kann. Georg nimmt einen letzten Schluck aus seinem Kaffeebecher und sagt, dass wir uns nun auf den Weg machen sollten.

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Ein Becher Kaffee / Bild: Nevit Dilmen / CC BY-SA 3.0

10.45 Uhr Während Maria daheim bleibt, eile ich mit Dixon im Schlepptau nach draussen und helfe ihm auf die Ladefläche des Geländewagens. Danach hüpfe ich auf den Beifahrersitz und lasse Edelbert wissen, dass wir nun ein Stadtviertel besuchen werden, das hauptsächlich von portugiesischen Immigranten bewohnt wird. Mein Bruder schlägt in die gleiche Kerbe und unterbreitet, dass man in “Little Portugal” viele Gaststätten findet, die Spezialitäten von der iberischen Halbinsel servieren – wie aufregend.
11.30 Uhr Nach einer kurzweiligen Reise erreichen wir den verschneiten Stadtkern. Ich schaue fasziniert zum CN Turn (unlöblich: CN Tower) und erfahre von Edelbert, dass der Fernsehturm mit seinen 553 Metern zu den höchsten Gebäuden der Welt zählt. Ich stecke mir einen Zimtkaugummi in den Mund und entgegne, dass nur der Sky Tower in Tokio und der chinesische Canton Turm höher sind.
12.15 Uhr Kurz nach dem Mittagsläuten parken wir das Auto an der College Street und laufen bei -15°C zur parallel verlaufenden Dundas Street. Hund Dixon ist ganz aus dem Häuschen und nimmt sich trotz der Kälte das Recht heraus, an jedem Strassenschild sein Beinchen zu heben – da kommt Freude auf.
12.45 Uhr Unterdessen spähen wir neugierig in die Schaufenster und registrieren, dass die Händler neben inländischen Erzeugnissen auch portugiesische Waren feilbieten. Georg ist bestens informiert und verkündet, dass alleine in Ontario knapp 300.000 Portugiesen leben. Edelbert wird sogleich hellhörig und bestätigt, dass auch die in Victoria in British Columbia geborene Sängerin Nelly Furtado portugiesische Wurzeln hat – das ist mir Wurst.

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Auch Nelly Furtado hat portugiesische Wurzeln
Bild: Miho

13.30 Uhr Da unsere Mägen knurren, kehren wir in das gutbesuchte “Nonaleons Restaurant” ein. Eine dunkelhaarige Kellnerin mit stattlicher Oberweite lässt nicht lange auf sich warten und legt uns nahe, das Tagesgericht zu bestellen. Wir nehmen das Angebot prompt an und ordern zum Eintopf, der in Portugal “Cozido” genannt wird, ausserdem drei süffige Labatt Blue Leichtbiere.
14.15 Uhr Während des Mittagessens komme ich auf Georgs Baufirma zu sprechen und höre, dass mein Bruder nur noch wenige Stunden pro Woche im Büro anzutreffen ist. Der gute Mann schenkt mir ein Lächeln und beteuert, dass sein Prokurist hervorragende Arbeit leistet und die Firma in Eigenregie leitet – das ist phantastisch.
15.00 Uhr Nachdem wir die Brotzeit mit portugiesischen Krapfen (unlöblich: Bolas) und Schaumkaffees abgerundet haben, bescheren wir der Bedienung ein stattliches Trinkgeld. Danach vertreten wir uns die Beine und verabreden, dass wir morgen eine kleine Abschiedsfeier veranstalten sollten.
16.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner ROLEX auf die Vier deutet, stehen wir wieder am Auto. Ich klopfe mir den Schnee von den Mondstiefeln und erkläre Edelbert, dass ich mich zu Hause an den Kamin setzen und mich von den Strapazen des Tages erholen werde. HEUREKA – diesen Stress hält nicht einmal der stärkste Rentner aus.
17.00 Uhr Zurück im noblen Stadtteil York werden wir von Maria herzlich Willkommen geheissen. Die gute Frau schenkt uns ein Lächeln und sagt, dass wir gleich zu Abend essen können. Wir lassen uns nicht zweimal bitten und nehmen hungrig im Esszimmer Platz. Bei Kerzenschein und romantischer Carpenters Musik fährt Maria ein italienisches Nudelgericht auf und verwöhnt uns ausserdem mit selbstgebackenem Roggenbrot – schmeckt gar nicht schlecht.
18.00 Uhr Um endlich zur Ruhe zu kommen, machen wir es uns nach der reichhaltigen Mahlzeit vor der Glotze gemütlich. Ich trinke einen vitaminreichen Bourbon und schalte mich durch die unzähligen Satellitenprogramme. Nach kurzer Suche bleibe ich auf HBO hängen und fröne in Gesellschaft meiner Liebsten dem Kriminalfilm “Manhattan Murder Mystery”. Wir kommen aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und sind einstimmig der Meinung, dass dieser Film zu den herausragendsten Werken des amerikanischen Regisseurs Woody Allen zählt.

20.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung reiche ich die Fernbedienung an Georg weiter und unternehme mit Dixon einen kleinen Gassigang durchs Wohngebiet. Angesichts von -12°C mache ich aber schnell kehrt und kann es kaum noch erwarten, endlich ins Bett zu gehen.
21.00 Uhr Nachdem ich mich von meiner Familie verabschiedet habe, ziehe ich mich ins Gästezimmer zurück und schmökere noch etwas im spannenden Stephen King Roman “Der Anschlag”. Gute Nacht.