07.45 Uhr Obgleich ich seit vielen Jahren ein fröhliches Rentnerdasein führe, stehe ich zeitig auf und entschliesse mich, während der Vormittagsstunden den Garten auf Vordermann zu bringen – wer rastet, der rostet.
08.30 Uhr Bevor ich in die Gänge komme, lasse ich die Seele bei einem Wirbelbad baumeln. Während meine geschundenen Knochen vom Sprudelwasser umspült werden, segle ich mit dem iPad durchs Internetz und lerne, dass am Sonntag die Uhren um eine Stunde zurückgestellt werden. Ich mache mir meine eigenen Gedanken und lese auf Wikipedia, dass in Deutschland bereits seit dem 27. Oktober die Winterzeit gilt.
Meine wertvolle ROLEX
09.30 Uhr Ich beende das Badevergnügen und lasse mir eine Tasse Kakao munden. Dazu gibt es französische Hörnchen (unlöblich: Croissants) mit herzhaftem Virginiaschinken und Cheddarkäse. Nebenher rufe ich bei Edelbert an und lasse ihn wissen, dass ich im Garten schuften und die Petersilie abernten werde. Der Professor ist begeistert und verspricht, bald vorbeizukommen und mir zur Hand zu gehen.
10.00 Uhr Nachdem ich die leistungsstarke Geschirrspülmaschine in Betrieb genommen habe, eile ich hinaus und hole bei angenehmen 71°F (22°C) den Besen aus der Garage. Wie es sich für einen seriösen Villenbesitzer gehört, sorge ich zu aller erst auf der Einfahrt für Ordnung und Sauberkeit.
10.30 Uhr Zu allem Überfluss gesellt sich Herr Connor an meine Seite. Der Heini plappert ohne Unterlass und behauptet, dass Dixon in seinem Vorgarten ein Loch gegraben hat. Ich schüttle entschieden den Kopf und entgegne, dass mein Haustier brav ist und nicht für die Grube verantwortlich ist. Um Diskussionen aus dem Weg zu gehen, tippe ich auf meine goldene ROLEX und erkläre, dass ich unter enormen Zeitdruck stehe.
Mein Zuhause unter Palmen
11.00 Uhr Wenig später kann ich Edelbert herzlich begrüssen. Der Professor präsentiert eine Gebäckschachtel mit Cannolis und sagt, dass er die Italienbäckerei “Biscotti Farrugia” besucht hat. Ich lecke mir die Lippen und mache mich daran, den futuristischen DeLonghi Vollautomaten einzuschalten.
11.30 Uhr Während wir kaffeeschürfend auf der Terrasse sitzen, bringt mein Bekannter das anstehende Halloweenfest zur Sprache und unterbreitet, dass im “Seminole Casino Immokalee” am Donnerstag eine “Fright Night” (löblich: Schreckensnacht) stattfindet. Als ich nachfrage, hält mir der schlaue Mann eine Hochglanzbroschüre unter die Nase und erzählt, dass sich die Gäste nicht nur in den hauseigenen Restaurants am Büfett bedienen, sondern auch an einer Kostümparty teilnehmen können. Obgleich etwas Abwechslung nicht schaden kann, lehne ich ab und erwidere, dass ich Frau Pontecorvo zu Halloween eingeladen habe.
Mein Petersilienbeet
12.15 Uhr Redlichst gestärkt machen wir uns ans Werk und zupfen Unkraut aus dem Petersilienbeet. Ferner hantiere ich mit einer Küchenschere und schneide die Triebe des Doldengewächses gekonnt ab. Anschliessend verfrachte ich die Ernte in wiederverschliessbare Plastikschälchen und gebe zu Protokoll, dass ich einen Teil einfrieren werde. Edelbert wischt sich die Schweissperlen von der Stirn und meint, dass wir Petersilie im grossen Stil anbauen und eine Gärtnerei am Ortsrand eröffnen könnten. HEUREKA – diesen Unsinn muss man gehört haben.
13.00 Uhr Nachdem wir abgefallene Palmwedel zusammengetragen und die Blätter in der Mülltonne entsorgt haben, beenden wir die Arbeit. Ich überreiche Edelbert in der klimatisierten Stube ein kühles Budweiser und gebe vor, dass das schwülwarme Klima kaum auszuhalten ist. Mein Bekannter schlägt in die gleiche Kerbe und sagt, dass er es kaum noch erwarten kann, am 21. Dezember ins winterliche Kanada auszufliegen – wie wahr.
13.45 Uhr Da der Professor am Nachmittag einen Frisörtermin vereinbart hat, begleite ich ihn zum Auto und bedanke mich für die Mithilfe. Danach werfe ich die Türe ins Schloss und entspanne mich redlichst – das tut gut.
14.45 Uhr Ich werde durch ohrenbetäubendes Klopfen aus einem schönen Traum gerissen und finde Frau Pontecorvo auf der Einfahrt vor. Die Dame reibt sich die Hände und berichtet, dass sie am kommenden Montag nach Jacksonville fahren wird. Ich bitte meine Nachbarin spornstreichs herein und lasse es mir nicht nehmen, erneut die Kaffeemaschine einzuschalten. Nebenbei taue ich im Kleinwellenofen (unlöblich: Mikrowelle) vitaminreiche Donuts auf und animiere den Gast, kraftvoll zuzubeissen.
Ein lustiger Donut mit Schokolade
15.30 Uhr Fünfundvierzig Minuten später beendet die kleine Frau ihren Monolog und sagt, dass ich ab Montag für sechs Tage die Pflanzen in ihrem Zuhause mit Wasser versorgen muss – das soll mir auch Recht sein.
16.00 Uhr Endlich kann ich mich wichtigeren Dingen zuwenden und mit der Anschnurarbeit beginnen. Ich schufte hart und registriere, dass Halloween in Deutschland immer mehr an Bedeutung gewinnt – wie unlöblich.
16.45 Uhr Zum Abschluss der heutigen Sitzung überfliege ich die neuesten Einträge im beliebten Gästebuch und gehe dann von der Leine, um mich in der Küche nützlich zu machen. Ich koche Salzwasser auf und zaubere in Minutenschnelle köstliche Farfalle (löblich: Schmetterlingsnudeln) mit Pesto aus dem Glas – wie gut das duftet.
17.30 Uhr Nach der Spezialität scheuche ich Dixon an die frische Luft und vertrete mir die Beine. Ich pfeife das schöne Lied von der “launischen Forelle” und bemerke, dass mittlerweile etliche Nachbarn meinem Beispiel gefolgt sind und ihre Häuser mit Gruselfiguren und Kürbissen geschmückt haben.
18.15 Uhr Daheim angekommen, schalte ich die Glotze ein und informiere mich auf FOX über die tagesaktuellen Geschehnisse in der Welt. Unter anderem erfahre ich, dass wildgewordene Mohammedaner schon wieder einen verheerenden Bombenanschlag im Irak verübt haben – wie furchtbar.
19.00 Uhr Zur Prime Time (löblich: beste Sendezeit) wähle ich das Qualitätsprogramm von AMC aus und fröne dem legendären 1970er Jahre Gruselfilm “Halloween”, der die Lebensgeschichte eines verrückten Massenmörders erzählt – da kommt Freude auf.
21.00 Uhr Nach 110minütigem Nervenkitzel betätige ich den OFF (löblich: AUS) Knopf auf der neumodernen Fernbedienung und lasse den Vierbeiner noch einmal in den Garten hinaus. Anschliessend reguliere ich die Klimaanlage und lege mich schlafen. Gute Nacht.