07.30 Uhr Das Telefon klingelt und reisst mich aus einem schönen Traum. Verärgert nehme ich das Gespräch an und habe Edelberts Stimme im Rohr. Der Professor plappert in einer Tour und erinnert, dass in zwei Tagen Pfingsten gefeiert wird. Darüber hinaus erfahre ich, dass er gestern eine Truthahnfarm besucht und einen Braten eingekauft hat. Ich gebe mich skeptisch und antworte, dass es kein leichtes Unterfangen ist, einen Truthahn zuzubereiten. Edelbert beruhigt mich und beteuert, dass er Frau Pontecorvo gebeten hat, ihm zur Hand zu gehen.
08.00 Uhr Nachdem ich aufgelegt habe, lasse ich bei einem erfrischenden Wirbelbad die Seele baumeln. Ausserdem mache ich mir meinen eigenen Gedanken und fasse den Entschluss, zum Pfingstessen eine “bayerische Vanillecreme” beizusteuern – schon jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
09.00 Uhr Weil man ohne ein reichhaltiges Frühstück nicht aus dem Haus gehen sollte, mache ich es mir auf der Terrasse bequem, um Kaffee zu trinken und Müsli zu fressen. Unterdessen beobachte ich Dixon, der ausgelassen mit dem Nachbarhund Joey über das satte Grün rennt. Ich seufze laut und denke an die vielen Rentner im kalten Europa, die nie die Möglichkeit haben werden, ein prima Leben unter Palmen zu führen.
Mein Zuhause unter Palmen
09.45 Uhr Kurz vor dem Zehnuhrläuten scheuche ich den Vierbeiner zum Chevrolet und kruse zum Wynn’s Delikatessengeschäft an der 9th Street. Während ich zu waghalsigen Überholmanövern ansetze, kontaktiere ich Frau Pontecorvo und lasse sie wissen, dass ich zum Sonntagsessen eine Nachspeise zaubern werde. Die Perle ist begeistert und bittet mich, aus dem Feinkostladen Koriander sowie zwei Flaschen Rotwein mitzubringen.
10.30 Uhr Am Ziel angekommen, wende ich mich an einen gestriegelten Verkäufer und animiere ihn, mir bei der Auswahl der Rebensäfte zur Seite zu stehen. Der Schnösel macht sich sogleich ans Werk und meint, dass zu einem Truthahnbraten ein vollmundiger “Ridge Ponzo Zinfandel” perfekt passt. Zu allem Überfluss hält mir der Verkäufer eine Flasche unter die Nase und behauptet, dass besagter kalifornischer Rotwein 37 Dollars kosten soll.
11.15 Uhr Ausserdem erwerbe ich einen Liter frische Kuhmilch, einen Becher Sahne, Eier, das von Frau Pontecorvo gewünschte Gewürz, Vanilleschoten sowie Gelatine. Danach werde ich an der Kasse vorstellig und sehe mich genötigt, meine praktische Meisterkarte (unlöblich: Mastercard) mit 87 Dollars belasten zu müssen – wie unlöblich.
11.45 Uhr Um nicht stundenlang am heissen Herd stehen zu müssen, ziehe ich es vor, mir an der Fleischtheke eine kleine Brotzeit zu gönnen. Ich nehme die Auslagen zungeschnalzend in Augenschein und ordere zwei mit Schinken, Käse und Paprika belegte Sandwiches (löblich: Wurstbrote).
12.15 Uhr Während der Heimfahrt beisse ich kraftvoll zu und kann es gar nicht mehr erwarten, am Sonntag einen saftigen Braten zu essen. Voller Vorfreude betätige ich die Hupe und lasse Dixon vom Wurstbrot abbeissen.
13.00 Uhr Im Willoughby Drive angekommen, statte ich Frau Pontecorvo einen Besuch ab. Ich überreiche meiner Nachbarin die Weinflaschen und stelle klar, dass dieser Rebentrunk nicht billig war. Die kleine Frau schenkt mir ein Lächeln und entgegnet, dass sie zum Truthahn Folienkartoffeln sowie selbstgemachtes Maisbrot servieren wird.
13.30 Uhr Nachdem wir Kaffee getrunken haben, wünsche ich Frau Pontecorvo einen ruhigen Nachmittag und laufe nach nebenan. Wegen der Hitze stelle ich die Klimaanlage höher und mache es mir auf dem Kanapee bequem.
14.30 Uhr Redlichst ausgeruht schalte ich den Heimrechner ein und beginne mit der wichtigen Anschnurarbeit. Ich schufte hart und bemerke, dass es die junge Generation derzeit besonders bunt treibt. Unter anderem schildert mir Frau Beate W. aus Cottbus ihr Leid und schreibt, dass ihre Tochter Jessica seit mehreren Wochen die Schule schwänzt. Ich hämmere mit der Faust auf den Schreibtisch und rate in meinem Antwortschreiben, dem Kind diese Flausen unter keinen Umständen durchgehen zu lassen – wo kämen wir denn da hin.
15.30 Uhr Um keine runden Augen zu bekommen, fahre ich das Fenster (unlöblich: Windows) Betriebssystem mausdrückend herunter und trinke ein eiskaltes Bier auf der Terrasse. Ferner studiere ich die Tageszeitung und löse das Kreuzworträtsel auf der letzten Seite – das macht Spass.
16.15 Uhr Bevor der wohlverdiente Feierabend beginnt, unternehme ich mit dem Haustier einen Spaziergang. Wir schlendern an den gepflegten Nachbaranwesen vorbei und passieren bald das Eigenheim von Fernsehkoch Wayne Gregor. Zu meiner Freude treffe ich den Prominenten am Briefkasten an und lasse ihn wissen, dass ich am Sonntag zum Kochlöffel greifen und gemeinsam mit Prof. Kuhn und Frau Pontecorvo ein leckeres Menü zaubern werde. Mein Gegenüber ist hocherfreut und wünscht mir gutes Gelingen.
17.00 Uhr Wieder zurück in der kleinen Villa, eile ich in die Küche und sorge für ein nahrhaftes Abendessen. Ich koche Bandnudeln auf und verfeinere die Teigwaren mit handgeriebenem Parmesan und geschälten Tomaten aus dem Glas. Dazu gibt es einen Gurkensalat mit Dill mit perfekt aufgeschnittenen Zwiebelringen – das schmeckt.
18.00 Uhr Als der Stundenzeiger meines wertvollen Chronographens auf 6 zeigt, beende ich die Küchenarbeit und freue mich auf einen entspannten Fernsehabend. Ich rufe Dixon in die gute Stube herein und fröne der informativen FOX NEWS (löblich: Fuchs Nachrichten) Sendung.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit schalte ich auf HBO um und gebe mich dem spannenden Krimi “Zodiac” hin, der sich mit der Geschichte des weltbekannten Serienmörders beschäftigt. Ich lehne mich kartoffelchipsknabbernd zurück und lerne, dass Zodiac in den frühen 1970er Jahren mindestens 5 Menschen in San Franzisko ermordet hat. Ich kratze mich an der Schläfe und erfahre, dass der Mörder bis heute nicht gefasst werden konnte – wie eigenartig.
22.00 Uhr Nach dreistündiger Spitzenunterhaltung schalte ich ab und verschliesse sämtliche Fenster und Türen besonders sicher. Anschliessend lösche ich das Licht und gehe zu Bett.