11. April 2013 – Appalachian Trail Tag 2 – Vom Fontana Damm zum Mollies Ridge Shelter

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07.00 Uhr Hund Dixon stupst mich mit seiner nassen Nase an. Ich öffne die Augen und ärgere mich, weil mein Rücken weh tut. Zudem stelle ich fest, dass ich nicht in einem bequemen Bett liege, sondern die Nacht in einem Schlafsack verbracht habe. Da etwas Bewegung nicht schaden kann, stehe ich auf und nehme mir das Recht heraus, Edelbert zu wecken. Mein Bekannter schimpft wie ein Rohrspatz und behauptet, dass er am heutigen Tag keinen Meter wandern wird – papperlapapp.
07.30 Uhr Nachdem ich Peter und Jill Farrell einen guten Morgen gewünscht habe, strecke ich mich ausgiebig und frage den Professor bezüglich der Morgenwäsche aus. Der schlaue Mann seufzt laut und meint, dass wir uns im eiskalten Fontana Lake waschen müssen. Trotz aller Widrigkeiten lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und putze mir die Zähne.

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08.15 Uhr Während Hund Dixon mit dem Vierbeiner der Farrells spielt, wechsle ich die Kleidung und lasse Edelbert wissen, dass die Jungspunde, die gestern Abend den Fontana Shelter belagert haben, mittlerweile weitergezogen sind. Mein Bekannter schlägt in die gleiche Kerbe und berichtet, dass die Langhaarigen in den frühen Morgenstunden einen Höllenlärm veranstaltet haben – das ist wieder typisch.
09.00 Uhr Endlich brennt das Lagerfeuer und wir können das Frühstück einnehmen. Während wir Kaffee schlürfen und Müsli verzehren, kommt Herr Peter auf die anstehende Tagestour zu sprechen und macht uns darauf aufmerksam, dass wir 800 Höhenmeter überwinden und bis zum Abend den “Mollies Ridge Shelter” (löblich: Mollies Ridge Hütte) erreichen müssen. Ich massiere mir die Waden und bin sicher, dass ich spätestens zur Mittagszeit zusammenbrechen werde.
09.30 Uhr Just als ich mir ein Stück Traubenzucker in den Mund stecke und Dixons Napf im Fluss ausspüle, stösst mich Prof. Kuhn in die Seite und sagt, dass es wohl gescheiter wäre, nach Robbinsville zurück zu kehren. Ich schüttle entschieden den Kopf und erwidere, dass es kein Zurück mehr gibt. Edelbert seufzt laut und schultert missmutig seinen Rucksack.
10.30 Uhr Nach einem beschwerlichen Marsch entlang des Fontana Damms, treffen wir auf zwei muskelbepackte Abenteurer. Wie es sich unter Wandergesellen gehört, schütteln wir Hände und erfahren, dass die Männer (31und 33) bereits vier Wochen unterwegs sind und spätestens im August den Mount Katahdin im Bundesstaat Maine erreichen wollen. Ich staune Bauklötze und wünsche den Heinis auf ihrer 2.000 Meilen langen Wanderung viel Glück. Danach lüfte ich meine NY Yankees Kappe und werfe Dixon ein Stöckchen zu.

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11.15 Uhr Kurz nach dem Elfuhrläuten legen wir eine kurze Rast ein und ölen unsere Kehlen mit frischem Quellwasser. Darüber hinaus lassen wir uns getrocknete Apfelringe munden und blicken fasziniert auf ein wunderschönes Tal. Herr Peter wischt sich die Schweissperlen von der Stirn und unterbreitet, dass wir noch fünf Meilen laufen müssen. Edelbert nimmt den praktischen GPS Wandernavigator zur Hand und rechnet vor, dass wir uns just im Moment auf 883 Höhenmetern befinden. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, nehmen wir die Hunde an die Leine und folgen dem immer steiler werdenden Trail.
13.00 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, hält Edelbert plötzlich inne und deutet ins Gebüsch. Ich nehme meine RAY BAN Sonnenbrille ab und entdecke einen stattlichen Hirschen, der seinen Rücken an einem Baum reibt. Frau Jill knipst Photos und informiert, dass es sich hierbei um einen Wapiti handelt – wie schön.
14.30 Uhr Neunzig Minuten später überschreiten wir die Staatsgrenze nach Tennessee. Ich nehme einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche und lerne anhand einer Informationstafel, dass die nächste Berghütte nur noch zwei Meilen entfernt liegt. Da meine Beine schmerzen und ich einen Bärenhunger habe, halte ich meine Begleiter an, nicht schlapp zu machen. Edelbert schnauft wie ein Walross und unkt, dass ihn bald der Schlag treffen wird – papperlapapp.

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15.30 Uhr Nach einem erquickenden Fünfeinhalbstundenmarsch tut sich vor uns eine kleine Lichtung auf. Voller Vorfreude laufen wir zur Hütte und stellen mit Freuden fest, dass wir den Unterschlupf ganz alleine nutzen können. Ich werfe meinen Ruchsack zu Boden und zögere nicht, Dixons Napf mit Trockenfutter zu befüllen. Unterdessen studiert Herr Peter eine Landkarte und weist darauf hin, dass in nördlicher Richtung ein kleiner Bach fliesst. Frau Jill ist begeistert und sagt, dass sie frisches Wasser besorgen wird.
16.30 Uhr Nachdem wir eine Wäscheleine quer durch den Shelter gespannt und nasse Kleidung aufgehängt haben, schlage ich mich mit Dixon in den Wald, um Brennholz zu sammeln. Zu allem Überfluss kommen plötzlich zwei Wanderer daher, die die Nacht ebenfalls im “Mollies Ridge Shelter” verbringen wollen. Ich grüsse höflich und höre, dass die Leute mehrere Fische gefangen und Beeren gesammelt haben. HEUREKA – ein nahrhafte Jause sollte nun gewährleistet sein.
17.30 Uhr Als sich die Nacht über die Great Smoky Mountains legt, können wir das Abendessen am Lagerfeuer einnehmen. Wir füllen die Teller mit Kartoffelpüree und köstlichem Grillfisch auf. Dazu gibt es Maisbrot und als Nachspeise vitaminreiche Blaubeeren – das schmeckt.
18.00 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen, erzählen die Wanderer, dass sich jeder, der auf dem Appalachian Trail unterwegs ist, einen Spitznamen ausdenken muss. Edelbert gähnt in einer Tour und wirft ein, dass er viel zu müde ist, um sich darüber Gedanken zu machen. Ich gebe dem schlauen Mann Recht und rufe nach Dixon.

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19.30 Uhr Um Batterien zu sparen, löschen wir sämtliche Lichtquellen und betten uns in den Schlafsäcken zur Ruhe. Der Vierbeiner schmiegt sich fiepend an mich und döst nach wenigen Augenblicken ein. Ich lausche noch etwas in die Nacht hinein und kann in weiter Ferne das Röhren einer stolzen Hirschkuh hören. Gute Nacht.