07.30 Uhr Hund Dixon kommt aufgeregt ans Bett und bellt mir ins Ohr. Als ich dem Rüden über den Kopf streichle, macht er kehrt und rennt wie von Sinnen in die Küche. Um dem Tumult genauer auf den Grund zu gehen, folge ich dem Haustier und werde auf ekelerregende Kakerlaken aufmerksam, die sich unter dem Tisch versammelt haben. Ich fluche wie ein Bauarbeiter und eile zum Nachbarhaus, um Frau Pontecorvo über den Schädlingsbefall in Kenntnis zu setzen.
08.00 Uhr Wieder zurück in der Küche, nimmt meine Nachbarin die Insekten in Augenschein und meint, dass es angebracht wäre, einen Kammerjäger zu rufen. Ferner deutet die Dame zu den Küchengeräten und unkt, dass die Schaben womöglich hinter dem Kühlschrank ein Nest gebaut haben – wie unlöblich.
08.30 Uhr Nachdem sich mein Pulsschlag normalisiert hat, schlage ich die “gelben Seiten” (unlöblich: Yellow Pages) auf und rufe kurzerhand bei einer Firma namens “TNT Pest Control” an. Schon bald habe ich eine zuvorkommende Telefonistin dran und beauftrage die Dame, einen Schädlingsbekämpfer in den Willoughby Drive zu entsenden. Die kleine Frau notiert sich meine Adresse und sagt, dass ich innerhalb der nächsten zwei Stunden mit einem Hausbesuch rechnen kann – wie schön.
09.00 Uhr Während Frau Pontecorvo die Krabbeltiere mit dem Besen nach draussen befördert, entspanne ich mich bei einem Wirbelbad. Nebenbei rufe ich Edelbert an und teile ihm mit, dass mein Eigenheim von gefährlichen Insekten befallen wurde. Der Professor seufzt laut und sichert zu, mir in dieser schweren Stunde beizustehen.
10.00 Uhr Wenig später klingelt es an der Pforte und ich kann Prof. Kuhn begrüssen. Der schlaue Mann hält mir ein bebildertes Insektenbuch für Kinder unter die Nase und behauptet, dass die amerikanische Grossschabe in Fachkreisen auch “Periplaneta” genannt wird – wie unlöblich.
Amerikanische Grossschabe
Bild: Preiselbeere on de.wikipedia
10.30 Uhr Just als Edelbert ein weiteres Insekt am Küchenschrank entdeckt, fährt ein Lieferwagen vor. Ich eile spornstreichs hinaus und heisse den Kammerjäger herzlich Willkommen. Der bierbäuchige Knecht stellt sich mir als Frank Berenbaum vor und verspricht, dass die Villa in wenigen Minuten insektenfrei sind wird. Der Heini schleppt einen Kanister ins Haus und zögert nicht, das Inventar mit einer stinkenden Flüssigkeit zu bestäuben.
11.15 Uhr Fünfundvierzig Minuten später präsentiert Herr Berenbaum eine gesalzene Rechnung und fordert mich auf, 270 Dollars im Bar zu bezahlen – wo soll das noch hinführen.
12.00 Uhr Nachdem der Latzhosenträger abgefahren ist, entkorke ich eine Flasche Schaumwein und lade Edelbert sowie Frau Pontecorvo zu einem Umtrunk auf der Terrasse ein. Der Professor schnäuzt in ein Taschentuch und meint, dass es wohl gescheiter wäre, wegen des Gestanks die Nacht in einem Motel zu verbringen – papperlapapp.
12.30 Uhr Während Dixon im Garten spielt, stossen wir redlichst an und verzehren vitaminreiche Wurstbrote. Unterdessen gebe ich zu Protokoll, dass diesem Stress nicht einmal der stärkste Rentner gewachsen ist. Edelbert winkt ab und erinnert, dass wir in zwei Tagen nach Toronto ausfliegen werden. Ich seufze laut und entgegne, dass ich den Urlaub in vollen Zügen geniessen werde.
13.15 Uhr Nach dem verspäteten Frühstück verabschiede ich meine Freunde und falle völlig erschöpft aufs Sofa. Bereits nach wenigen Augenblicken döse ich ein und träume von ruhigeren Stunden im Stadthaus meines Bruders.
14.15 Uhr Leider wird mein Nickerchen bald durch sehr aggressives Türeklingeln gestört. Zu allem Überfluss sehe ich mich mit Herrn Booth konfrontiert und muss mich wegen des unangenehmen Geruchs rechtfertigen. Weil mich mein Nachbar mit Fragen löchert, nehme ich ihm den Wind aus den Segeln und erkläre, dass am Vormittag ein Kammerjäger vor Ort war.
15.00 Uhr Nachdem endlich Ruhe eingekehrt ist, kümmere ich mich um die Anschnurseelsorge. Pflichtbewusst rufe ich Briefe besorgter Heimseitenbesucher ab und helfe bei Problemen. Unter anderem rate ich Frau Kathrin H. aus Ulm, unter keinen Umständen das gefährliche Robbie Williams Konzert im Münchner Olympiastadion zu besuchen.
16.00 Uhr Im Anschluss überprüfe ich die Einträge im beliebten Gästebuch und gehe dann von der Leine. Um Dixon eine kleine Freude zu bereiten, unternehme ich einen Spaziergang durchs Wohngebiet. Dummerweise treffe ich auf die aufdringlichen Nachbarskinder und erfahre, dass Emily (8) und Francis (12) am Wochenende mit ihren Eltern einen Ausflug in die Everglades unternehmen werden.
17.00 Uhr Da in meinem Haus immer noch ein beissender Geruch in der Luft liegt, öffne ich sämtliche Fenster und sorge für reichlich Frischluft. Ferner heize ich den Herd vor und verfrachte eine Tiefkühlpizza in den Ofen. Darüber hinaus schneide ich eine Tomate in mundgerechte Happen und zaubere eine vitaminreiche Beilage.
17.45 Uhr Nach der Mahlzeit wische ich den Küchenboden durch und werfe einige verendete Kakerlaken in den Mülleimer. Danach fülle ich eine Holzschale mit Lay’s Cheese Sticks (löblich: Käsestäbe) auf und freue mich auf einen besinnlichen Fernsehabend. Wie es sich für einen interessierten Rentner gehört, fröne ich als erstes den FOX Abendnachrichten und informiere mich über die politischen Geschehnisse in der Welt.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit schalte ich auf den Bezahlsender AMC um und lasse die Seele bei der Hollywoodproduktion “Marley and I” (auf deutsch: Marley & Ich) baumeln. Der Film erzählt vom Hundewelpen Marley, der bei einem Journalisten-Ehepaar in Palm Beach aufwächst. Hund Dixon ist von den Geschehnissen sichtlich angetan und lässt seinen Blick nicht mehr vom Flachbildschirm – wie schön.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung schalte ich die Glotze ab und lege mich ins Bett. Gute Nacht.
Unlöbliche Unterhaltung: Herr Robbie Williams