07.30 Uhr Die Sonne lacht durchs Schlafzimmerfenster und ich fühle mich prima. Da Frau Gomez Cousin am heutigen Morgen die Küche streichen wird, stehe ich zeitig auf und führe auf der fliegenvergitterten Terrasse die Morgengymnastik durch – wer rastet, der rostet.
09.00 Uhr Nach einem löblichen Wirbelbad mit Eukalyptusöl setze ich mich an den Frühstückstisch und verzehre geröstete Weissbrotscheiben (unlöblich: Toast) mit Cheddarkäse. Leider wird die himmlische Ruhe nach wenigen Augenblicken durch ohrenbetäubendes Türeklingeln unterbrochen. Zu allem Überfluss steht ein braungebrannter Unbekannter vor dem Haus und stellt sich mir als Herr Miguel vor. Ich winke den Mexikaner gutgelaunt herein und erfahre, dass er vorbeigekommen ist, um meine Küche zu renovieren. Der Heini präsentiert einen Kübel mit weisser Farbe und behauptet, dass es ein Kinderspiel wird, Wände sowie Decke zu streichen.
09.30 Uhr Bevor ich Anweisungen geben kann, legt der Knecht eine Plastikfolie aus und macht es sich zur Aufgabe, eine Leiter in die kleine Villa zu schleppen. Ich lasse den Ausländer keine Sekunde aus den Augen und bemerke, dass Herr Miguel mit dem Pinsel umzugehen weiss. Um einen genaueren Überblick zu bekommen, halte ich mit dem Schwarzarbeiter Kleingespräche (unlöblich: Smalltalk) und lerne, dass er bei der Stadtverwaltung angestellt ist und die städtischen Schulen und Kindergärten in Schuss halte muss. Herr Miguel grinst frech und unterbreitet, dass er in seiner Freizeit kleinere Aufträge annimmt, um etwas Geld nebenher zu verdienen – wie schön.
10.45 Uhr Just als der Malergeselle die Fenster abklebt, pocht Frau Pontecorvo an die Terrassentüre und macht mich darauf aufmerksam, dass Dixon schon wieder ein Loch im Garten von Familie Booth gegraben hat. Ich zucke gelangweilt mit den Schultern und erwidere, dass ich gerade einen Maler zu Besuch habe. Meine Nachbarin schiebt mich aufgeregt zur Seite und lässt es sich nicht nehmen, Herrn Miguel zu beauftragen, auch ihr Eigenheim zu verschönern.
11.30 Uhr Während der fleissige Mann schuftet, lade ich meine Bekannte auf die Terrasse ein und kredenze vitaminreiche Sandwiches (löblich: belegte Brote) sowie eiskaltes Budweiser. Als wir kraftvoll zubeissen, komme ich auf Sandra zu sprechen und verrate, dass die Maid in 11 Tagen in Naples ankommen wird. Meine Nachbarin ist hellauf begeistert und verspricht, dem Kind ein kleines Begrüssungsgeschenk zu kaufen.
13.00 Uhr Endlich beendet Herr Miguel die Arbeit und fordert mich auf, die versprochenen 300 Dollars herauszurücken. Ich zücke nörgelnd meine prall gefüllte GOLDEN HEAD Geldbörse und gebe sogar ein stattliches Trinkgeld in Höhe von 10 Dollars oben drauf. Danach lobe ich den Verwandten meiner Putzfrau redlichst und stelle in Aussicht, dass er zum Jahresende mein Wohnzimmer renovieren darf.
14.00 Uhr Nachdem Ruhe im Willoughby Drive eingekehrt ist, rufe ich den Vierbeiner in die gute Stube und falle völlig erschöpft aufs Wohnzimmersofa. Schon bald döse ich ein und träume von meiner Romreise im Jahre 2008.
15.00 Uhr Wenig später klingelt Edelbert an der Pforte und behauptet, dass er grossen Kaffeedurst mitgebracht hat. Ich bitte den schlauen Mann gähnend herein und decke den Terrassentisch mit dem besten Geschirr ein. Darüber hinaus nehme ich die DeLonghi Kaffeemaschine in Betrieb und serviere lustige Donuts – das schmeckt.
16.30 Uhr Nachdem Edelbert die Küche inspiziert und mich für morgen zum Frühstück eingeladen hat, begleite ich ihn zur Türe und wünsche einen schönen Abend. Anschliessend schalte ich den Heimrechner ein und rufe Hilferufe besorgter Erziehungsberechtigter ab. Da es die Jugend derzeit besonders bunt treibt, sehe ich mich genötigt, eine Extraschicht einzulegen und den Heimseitenbesuchern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Zudem rufe ich die Internetzpräsenz von N-TV auf und bringe in Erfahrung, dass gestern das “Statistische Jahrbuch 2012” veröffentlicht wurde. Daraus geht hervor, dass die Bevölkerung in Deutschland die älteste in Europa und nach Japan die zweitälteste der Welt ist – wo soll das noch hinführen.
18.00 Uhr Ein anstrengender Tag geht langsam zu Ende und ich rufe kurzerhand beim “Domino’s” Pizzabringdienst an, um eine mit Schinken, Pilzen und Spinat gefüllte Calzone zu bestellen. Weil man auf einem Bein bekanntlich nicht stehen kann, ordere ich zudem einen vitaminreichen Beilagensalat.
19.00 Uhr Nach dem reichhaltigen Nachtmahl strecke ich im Wohnzimmer die Beine aus und fröne auf HBO dem preisgekrönten Krimi “A Perfect Getaway” (auf deutsch: Ein perfekter Ausflug). Die Hollywoodproduktion aus dem Jahre 2009 erzählt aus dem Leben des frischvermählten Paares Cliff und Cydney, die auf der hawaiianischen Insel Kauaí einen Ausflug unternehmen. Dummerweise geraten sie dabei in den Focus eines Mörders – wie unlöblich.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung beende ich den Fernsehabend und gehe ins Bett. Gute Nacht.
Bild: Rainer Knäpper, Lizenz: artlibre