08.00 Uhr Ich öffne die Augen und greife augenblicklich zum Telefon, um bei meinem Bruder im Lowbank Drive anzurufen. Als sich Georg nach dem siebzehnten Tuten endlich meldet, stelle ich ihn zur Rede und frage nach, ob die Kinder mittlerweile eingetroffen sind. Der gute Mann seufzt laut und erinnert, dass wir James, Amanda und David erst spätabends begrüssen können. Ich nöle in einer Tour und erfahre, dass die jungen Leute mit der Abendmaschine aus Toronto anreisen und gegen halb Elf Uhr landen werden – das ist ja allerhand.
08.30 Uhr Missmutig beende ich das Telefonat und komme zu dem Schluss, dass ich um 22.30 Uhr bereits im Reich der Träume verweilen werde. Trotz aller Widrigkeiten lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und absolviere auf der schattigen Terrasse die Morgengymnastik – wer rastet, der rostet.
09.00 Uhr Verschwitzt ziehe ich mich ins Bad zurück und nehme mir das Recht heraus, mich bei einem erfrischenden Wirbelbad zu entspannen. Ausserdem telefoniere ich mit Prof. Kuhn und vernehme, dass mein Bekannter einen örtlichen Kleidermarkt aufsuchen und sich eine Leinenhose kaufen möchte. Da ich keine unaufschiebbare Termine im Kalender verzeichnet habe, schlage ich vor, dass ich mich diesem Schoppingausflug anschliessen könnte. Edelbert ist hellauf begeistert und wirft ein, dass ich eine Modeikone bin und ihn bestimmt hervorragend beraten werde – das kann man ruhig laut sagen.
10.00 Uhr Weil mein Magen ohne Unterlass knurrt, setze ich mich nach dem Wirbelbad an den Terrassentisch und nehme das Frühstück ein. Unterdessen lasse ich meinen Blick über das Nachbargrundstück schweifen und sehe, wie Herr Booth seinen Rasenmäher aus der Garage schiebt. Um nicht von lautem Motorenlärm terrorisiert zu werden, esse ich ganz schnell auf und scheuche Dixon zum Auto.
Ich scheuche Dixon zum Auto
11.00 Uhr Wenig später komme ich hupend vor Edelberts Wohnadresse zum stehen und freue mich, die Hand meines besten Freundes schütteln zu können. Der Professor legt beste Laune an den Tag und sagt, dass er mich nach dem Einkaufen zum Essen einladen wird – das ist die beste Nachricht des ganzen Tages.
11.30 Uhr Zuerst finden wir uns jedoch in der renommierten “Joseph Wendt” Boutique wieder und nehmen die ausgestellten Sakkos in Augenschein. Wie nicht anders zu erwarten, gesellt sich alsbald ein gestriegelter Verkäufer an unsere Seite und ermutigt uns, die schönen Seidenanzüge anzuprobieren – papperlapapp.
12.15 Uhr Da wir keine Goldesel in den Vorgärten stehen haben, folgen wir der 5th Avenue gen Osten und kehren kurzerhand ins “Lovella” ein. Edelbert reibt sich die Hände und setzt mich darüber in Kenntnis, dass hier auch Schuhe und Sonnenbrillen feilgeboten werden. Ich zucke gelangweilt mit den Schultern und weise auf die Tatsache hin, dass mich die hohen Temperaturen bald ins Grab bringen werden. Mein Begleiter zeigt Verständnis und macht es sich zur Aufgabe, eine Stoffhose vom Kleiderständer zu nehmen und in einer Umkleidekabine zu verschwinden.
13.00 Uhr Endlich zückt mein Bekannter seine Geldbörse und ringt sich dazu durch, die Beinkleider für 79 Dollars zu erwerben. Ich atme tief durch und rege als nächstes einen Besuch der “Osteria Tulia” an.
13.30 Uhr Endlich sitzen wir im besagtem italienischen Gasthaus und bestellen bei einer leichtbekleideten Kellnerin mit üppiger Oberweite zwei grosse Vorspeisenteller (unlöblich: Caprese) sowie mit Ricotta gefüllte Ravioli. Dazu gibt es süffiges Leichtbier aus einem grossen Krug – das tut gut.
Viel trinken hilft gegen die Hitze
14.00 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen, komme ich auf die Ankunft der Kinder zu sprechen und lege anschaulich dar, dass wir die netten Menschen erst am Samstag zum Frühstück zu Gesicht bekommen werden. In diesem Zusammenhang lade ich meinen Tischnachbar ein, Morgen pünktlich um 10 Uhr im Lowbank Drive zu sein.
14.45 Uhr Nachdem wir das Mittagessen mit Espressos und Tiramisu abgeschlossen haben, setzen wir unseren Bummel fort und verschaffen Dixon bei schwindelerregenden Temperaturen etwas Auslauf. Doch bald ziehen wir es vor, mit schnellen Schritten in eine klimatisierte Eisdiele zu streben und grosse Eisbecher mit Sahne zu ordern.
15.30 Nun wird es aber langsam Zeit, zum Auto zurückzukehren und die Heimfahrt anzutreten. Wie es sich gehört, wünsche ich Edelbert einen ruhigen Nachmittag und gleite dann winkend von dannen.
16.15 Uhr Endlich bin ich wieder zu Hause und gönne mir ein kühles Bier aus dem Eiskasten. Während Dixon mit einem Tennisball im Garten spielt, öle ich meine ausgetrocknete Kehle und falle erschöpft aufs Kanapee.
Katze Land – der beste Radiosender
17.15 Uhr Nach der Pause bereite ich zu stimmungsvoller WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Radiomusik das Abendessen zu. Ich schwenke gesundes Butterschmalz in einer Pfanne und brate vitaminreiche Fischstäbe heraus. Dazu gibt es im Ofen aufgebackene Kartoffelstäbe sowie einen bunten Beilagensalat – wie gut das duftet.
18.00 Uhr Nach der Jause nehme ich die Geschirrspülmaschine in Betrieb und mache es mir in der guten Stube gemütlich. Um auf den neuesten Stand zu kommen, fröne ich den FOX Nachrichten und mache mich über die tagesaktuellen Geschehnisse in der Welt schlau.
19.00 Uhr Um auf andere Gedanken zu kommen, wechsle ich zur Hauptsendezeit auf den Premiumkanal AMC und erfreue mich an der amerikanischen Komödie “The Great Outdoors” (auf deutsch: Ferien zu dritt). Der Filmerfolg aus dem Jahre 1988 handelt von einem Familienvater, der seinen Sommerurlaub in einem abgelegenen Blockhaus in den Bergen verbringen möchte. Anstatt jedoch Ruhe zu haben, sieht er sich bald mit seinen marodierenden Verwandten konfrontiert – da bleibt kein Auge trocken.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzeunterhaltung beende ich den Fernsehabend und rufe den Rüden ins Haus. Anschliessend reguliere ich die Klimaanlage und gehe zu Bett. Gute Nacht.