08.00 Uhr Der Johannismonat Juni bricht an und ich freue mich, in zwei Stunden mit meinen Verwandten frühstücken zu können. Weil ich noch baden muss, schwinge ich mich gutgelaunt aus dem Wasserbett und scheuche Dixon an die frische Luft. Voller Elan absolviere ich den Hampelmann und bin überrascht, im Gras einen goldglänzenden Rosenkäfer zu entdecken. Da ich schon seit meiner Jugendzeit von Insekten fasziniert bin, mache ich spornstreichs kehrt und hole den “Kosmos Käferführer” aus dem Wohnzimmerregal. Alsbald wird mir jedoch klar, dass Rosenkäfer ausschliesslich in Nordeuropa sowie Asien vorkommen – wie eigenartig
08.30 Uhr Nachdem ich das knapp 400 Seiten umfassende Standardwerk durchgeblättert habe, fahre ich mir mit der Hand durchs Haar und kläre Hund Dixon über die Tatsache auf, dass wir es hier nicht mit einem Rosenkäfer, sondern mit einem Sandläufer zu tun haben. Darüber hinaus informiere ich, dass dieses Insekt fünf Jahre alt werden kann und den wissenschaftlichen Gattungsnamen “Cicindela sexguttata” trägt – wie aufregend.
09.00 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, in der Nasszelle zu verschwinden und den Tag mit einem Wirbelbad einzuläuten. Ausserdem rufe ich kurzerhand bei Prof. Kuhn an und gebe zu Protokoll, dass ich gegen halb 11 im Lowbank Drive eintreffen und die wichtigste Mahlzeit des Tages an Georgs und Marias Seite einnehmen werde. Edelbert stimmt zu und entgegnet, dass er auch zum Frühstück eingeladen wurde – wie schön.
10.00 Uhr Sechzig Minuten später schlüpfe ich in farbenfrohe Freizeitkleidung und eile mit schnellen Schritten zum PS-strotzenden SUV. Wie es sich gehört, helfe ich dem Vierbeiner auf die Ladefläche des Chevrolets und gleite radiohörend vom Grundstück – was kann es schöneres geben.
10.30 Uhr Mit kurzer Verspätung treffe ich im Lowbank Drive ein und freue mich, nicht nur meinen Bruder sowie meine Schwägerin, sondern auch Edelbert auf der Terrasse anzutreffen. Ich setze mich zungeschnalzend an den Frühstückstisch und stelle wohlwollend fest, dass Maria zur Feier des Tages leckere Rühreier mit Rächerlachs zubereitet hat. Ruckzuck lade ich einen Haufen auf meinen Teller und bitte die Dame des Hauses, mir etwas Meersalz über die Köstlichkeit zu streuen – wie gut das duftet.
In Naples, FL kann man es aushalten
11.00 Uhr Nebenher frage ich die netten Leute über ihren Aufenthalt aus und vernehme, dass die Beiden bis zum August im Rentnerparadies bleiben wollen. Maria legt besonders gute Laune an den Tag und plappert, dass sie bereits Morgen mit dem Winnebago Wohnmobil eine mehrtägige Reise antreten und die Naturparks an der Westküste Floridas besichtigen wollen. Georg nickt eifrig und kündigt an, dass er eine Woche unterwegs sein und auch den “Weeki Wachee Springs State Park” in Spring Hill ansteuern wird – das hört sich verlockend an.
11.30 Uhr Als Maria eine weitere Portion Rühreier auffährt, erinnere ich daran, dass der “Weeki Wachee Springs State Park” mit einem Spassbad aufwartet. Maria schlägt in die gleiche Kerbe und sagt, dass es eine Gaudi werden wird, mehrere Tage “on the Road” (löblich: auf der Strasse) zu sein – das glaube ich gerne.
12.00 Uhr Nachdem wir unsere Teller geleert habe, verwöhnt uns Maria mit spritzigem Schaumwein aus dem Hause “Louis Roederer” und meint, dass wir anschliessend einen Spaziergang unternehmen sollten. Bevor ich antworten kann, meldet sich der Professor zu Wort und sagt, dass er wichtige Termine im Kalender stehen hat und uns leider nicht begleiten kann. Da es viel zu heiss ist, um sich am Strand zu tummeln, erteile ich meiner Schwägerin ebenfalls eine Absage und ziehe es vor, meine ausgetrocknete Kehle mit einem kräftigen Schluck Sekt zu ölen – das tut gut.
Wie das perlt …
13.00 Uhr Wenig später beenden wir das feuchtfröhliche Brunch und schütteln Hände. Ausserdem lädt mich mein Bruder ein, Morgen gegen 10 Uhr in Julies Restaurant zu erscheinen – das lasse ich mir nicht zweimal sagen.
13.30 Uhr Nachdem ich Edelbert einen schönen Nachmittag gewünscht habe, lotse ich Dixon zum SUV und trete die Heimreise an. Zwischendurch steuere ich kurzentschlossen eine McDonalds Schnellgaststätte an und gönne mir einen vitaminreichen McSundae Eisbecher – schmeckt gar nicht schlecht.
14.30 Uhr Zurück im Willoughby Drive, stosse ich die Pforte zur kleinen Villa auf und mache es mir zur Aufgabe, das brave Haustier mit einer Extraportion ROYAL CANIN Trockenfutter zu versorgen. Anschliessend bette ich mich auf dem Wohnzimmerkanapee zur Ruhe und döse prompt ein.
Mein Zuhause unter Palmen
15.30 Uhr Ich erwache ausgeruht und nutze die Nachmittagsstunden, um die Internetzarbeit zu erledigen. In meiner Funktion als staatlich anerkannter Seelsorger nehme ich Depeschen besorgter Eltern in Augenschein und rate einer 31jährigen Mutter aus Lüdenscheid, ihrem Sohn ordentlich die Leviten zu lesen. Immerhin kann es nicht sein, dass sich ein 12jähriger Lausebengel die Haare grün färbt und mit ungewaschenen Punkern am Bahnhof herumlungert.
16.30 Uhr Nachdem ich die neuen Einträge im Gästebuch gelesen habe, gehe ich von der Leine und bereite das Abendessen vor. Um nicht stundenlang vor dem heissen Herd stehen zu müssen, backe ich eine Thunfischpizza auf und fresse dazu einen Gurkensalat mit Dill – das schmeckt.
17.30 Uhr Nach der Brotzeit sorge ich in der Küche für Sauberkeit und gehe dann zum gemütlichen Teil des langen Tages über. Um stets auf dem Laufenden zu bleiben, fröne ich den FOX Nachrichten und lerne, dass just heute der von der UNO im Jahre 1948 ausgerufene “Internationale Kindertag” gefeiert wird – das ist mir Wurst.
19.00 Uhr Zur Hauptfernsehzeit wähle ich das Qualitätsprogramm von HBO aus und lasse beim Liebesfilm “Maudie” die Seele baumeln. Ich sehe mich während der folgenden 120 Minuten in die 1930er Jahre versetzt und lerne Herrn Everett und Frau Maud kennen, die beide vom Leben nie begünstigt wurden aber trotzdem eine lange und liebevolle Ehe führten – da bleibt kein Auge trocken.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung beende ich den Fernsehabend und rufe Dixon ins Haus. Danach reguliere ich die Klimaanlage und lege mich schlafen. Gute Nacht.