24. Mai 2018 – Am Clam Pass

08.00 Uhr Ich rolle mich zufrieden aus dem Wasserbett und registriere, dass Hund Dixon auch schon auf den Beinen ist. Weil der Rüde unentwegt an der Terrassentüre scharrt, eile ich spornstreichs zur Pforte und bitte den Vierbeiner, keine Löcher in den Gärten der Nachbarn zu graben. Ferner gebe ich zu Protokoll, dass wir nach dem Frühstück einen lustigen Ausflug unternehmen werden – was kann es schöneres geben.
09.00 Uhr Nachdem ich mich bei einem erfrischenden Wirbelbad entspannt habe, setze ich mich an den Küchentisch und nehme die wichtigste Mahlzeit des Tages ein. Nebenher rufe ich bei meiner Nachbarin an und frage nach, ob sie mich an den Strand begleiten möchte. Wie nicht anders zu erwarten, ist Frau Pontecorvo hellauf begeistert und beteuert, dass wir in einer Stunde losfahren können – das hört man gerne.


Die Petersilie wächst

09.30 Uhr Weil noch etwas Zeit bleibt, schlendere ich in den Garten und mache es mir zur Aufgabe, das Petersilienbeet zu bewässern. Ausserdem wische ich mir mit dem Handrücken über die nasse Stirn und komme zu dem Schluss, dass mich dieses subtropische Klima bald ins Grab bringen wird – wie unlöblich.
10.00 Uhr Alsbald klingelt es an der Pforte und ich sehe mich mit der Perle von nebenan konfrontiert. Frau Pontecorvo präsentiert sich mir in einem legeren Hosenanzug und meint, dass es sich anbieten würde, zum “Clam Pass Park” zu krusen. Ich nicke zustimmend und erinnere daran, dass dieser Park zu den schönsten Strandabschnitten im ganzen Bundesstaat zählt – wie aufregend.
10.45 Uhr Nach einer kurzweiligen Reise im geräumigen Chevrolet Suburban erreichen wir unser Ziel und können den PS-strotzenden SUV auf einem bewachten Parkplatz abstellen. Weil sich nur wenige Menschen am Strand tummeln, lasse ich Dixon von der Leine und zögere nicht, aus den Flip Flops zu schlüpfen, um meine Füsse im kühlen Nass des Golfs zu baden. Meine Begleiterin folgt meinem Beispiel und unterbreitet, dass wir uns glücklich schätzen können, ein Plätzchen im Paradies gefunden zu haben. Ich schlage in die gleiche Kerbe und merke an, dass man in den Vereinigten Staaten wenigstens noch in Ruhe leben kann. In diesem Zusammenhang verweise ich auf meine alte Heimat und belehre, dass Deutschland angesichts der Asylkatastrophe längst auf dem absteigenden Ast ist – wo soll das noch hinführen.

11.30 Uhr Während unserer Wanderung entlang des azurblauen Wassers, komme ich erneut auf meine Verwandten zu sprechen und verrate, dass Georg und Maria in wenigen Tagen nach Florida ausfliegen und den Sommer unter Palmen verbringen werden. Frau Pontecorvo reibt sich die Hände und sagt, dass sie es kaum noch erwarten kann, die netten Menschen in die Arme zu schliessen – das kann man laut sagen.
12.15 Uhr Weil das kulinarische Wohl nicht zu kurz kommen darf, kehren wir kurzentschlossen in eine gutbesuchte Strandgaststätte ein und ordern bei einer platinblonden Kellnerin mit stattlicher Oberweite schmackhafte Cheeseburgers (löblich: Käseburger) mit Kartoffelstäben und Beilagensalate. Dazu gibt es süffiges Budweiser Bier aus einem grossen Krug – das tut gut.
13.00 Uhr Nach der Jause begleichen wir die Rechnung in Bar und fassen den Entschluss, wegen der grossen Hitze schnell zum Auto zurückzukehren. Da entlang des Boardwalks (löblich: Strandwegs) vor bissigen Schnappschildkröten gewarnt wird, nehme ich Dixon an die kurze Leine und ziehe es vor, dem kniehohen Mangrovengewächsen nicht zu Nahe zu kommen – was muss ich denn noch alles ertragen.


Ich beisse kraftvoll zu

13.30 Uhr Am KFZ angekommen, helfe ich dem Hund auf die Ladefläche und stelle die Klimaanlage auf die höchste Stufe ein. Anschliessend lasse ich den Wählhebel der Automatikschaltung in der “D” Stellung einrasten und gleite zu stimmungsvollen WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Radiomusik in Richtung Wohngebiet davon.
14.30 Uhr Im Willoughby Drive angekommen, verabschiede ich meiner Nachbarin per Handkuss und begebe mich in die Küche, um meinem Haustier süffiges H²O sowie gesundes Trockenfutter aus dem Hause Royal Canin vorzusetzen. Anschliessend bette ich mich auf dem Wohnzimmerkanapee zur Ruhe und döse prompt ein.
15.30 Uhr Ich erwache ausgeruht und schalte den leistungsstarken Heimrechner ein. Da unzählige Menschen meine Hilfe benötigen, komme ich auch heute meinen Pflichten als Anschnurseelsorger nach und schrecke nicht davor zurück, leidgeprüften Menschen Auswege aus schier ausweglosen Situationen aufzuzeigen.
16.30 Uhr Nach getaner Arbeit gehe ich von der Leine und sehe im Garten nach Dixon. Nach kurzer Suche treffe ich den Frechdachs auf dem Grundstück von Familie Crane an und stelle fest, dass er während der letzten Stunde mit dem Nachbarhund Joey eine Grube ausgebuddelt hat. Um von der Hausherrin nicht geschimpft zu werden, scheuche ich Dixon ruckzuck nach Hause und verschliesse die Haustüre sicher.
17.00 Uhr Als die Wanduhr fünfmal schlägt, stelle ich einen Kochtopf auf den Herd und bereite das Abendessen zu. Weil ich keinen grossen Hunger habe, nehme ich lediglich mit italienischen Langnudeln mit Pesto Vorlieb.


Langnudeln schmecken gar nicht schlecht

18.00 Uhr Nachdem ich die Hausarbeit erledigt habe, gehe ich zum gemütlichen Teil des langen Tages über und gebe mich den Nachrichten auf FOX hin. Wissbegierig mache ich mich über die aktuellen Geschehnisse in der Welt schlau und lerne, dass am kommenden Montag der “Memorial Day” gefeiert wird – wie aufregend.
19.00 Uhr Weil ausnahmsweise keine brechenden Neuigkeiten (unlöblich: Breaking News) vorliegen, wechsle ich zeitnah auf HBO und erfreue mich am Kriminalfilm “Game Night”. Die schwarze Komödie handelt von mehren Menschen, die sich regelmässig zu Spieleabende verabreden. Doch eines Abends müssen sich die Protagonisten mit einem waschechten Entführungsfall auseinandersetzen – da kommt besonders grosse Freude auf.
21.00 Uhr Ein spannender Fernsehabend geht zu Ende und ich rufe Dixon ins Haus. Zu guter Letzt verschliesse ich sämtliche Türen und gehe dann ins Bett. Gute Nacht.