13. Dezember 2017 – Der Christbaum

08.00 Uhr Am dreizehnten Tag des Christmonats Dezember rolle ich mich voller Elan aus dem Wasserbett und begrüsse den Morgen mit dem Frühsport. Wie es sich gehört, lockere ich meine Glieder auf der Terrasse und stelle nebenbei fest, dass es ziemlich kühl geworden ist. Um mir keinen Schnupfen einzufangen, mache ich schnell kehrt und ziehe mich in die Nasszelle zurück, um heisses Wasser in die Wirbelbadewanne laufen zu lassen.


Ajaja sind fliegende Ratten

08.30 Uhr Während Hund Dixon im Garten bleibt und kreischende Ajajavögel verjagt, wasche ich mich ordentlich heraus und spiele mit der Idee, während der Vormittagsstunden zum Frisör zu gehen. Leider wird mein Müssiggang bald durch das Schellen der Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) unterbrochen. Zu allem Überfluss meldet sich mein Bruder und gibt vor, dass er zum HOME DEPOT fahren und eine Weihnachtstanne besorgen wird. Ich winke augenblicklich ab und informiere, dass das Angebot an Christbäumen in den hiesigen Baumärkten sehr überschaubar ist. Stattdessen verweise ich auf das “Heath Christmas Trees” Fachgeschäft an der 9th Strasse und gebe zu Protokoll, dass man dort nicht nur echte Tannen, sondern auch Dekorationsartikel einkaufen kann. Georg ist begeistert und schlägt vor, dass wir uns zur Mittagszeit vor diesem Laden treffen sollten.
09.30 Uhr Nach dem Badevergnügen fülle ich Trockenfutter in Dixons Napf und nehme selbst mit einer Portion KELLOGGS Froot Loops Vorlieb. Darüber hinaus telefoniere ich mit Edelbert und lasse ihn wissen, dass sich meine Verwandten entschlossen haben, ein kleines Vermögen in einen Weihnachtsbaum zu investieren. Der Professor kommt aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und berichtet, dass die im Handel feilgebotenen Tannen aus dem hohen Norden importiert werden. Ich stimme zu und rechne vor, dass Georg und Maria mit Kosten in Höhe von mindestens 250 Dollars rechnen müssen – wie unlöblich.


Bald kommt das Christkind

10.15 Uhr Mit vollem Magen scheuche ich den Vierbeiner zum SUV und merke an, dass ich zum Weihnachtsfest eine gute Figur abgeben möchte und nun einen Hair Stylisten (löblich: Frisör) im Zentrum aufsuchen werde. Ruckzuck presche ich vom Grundstück und rase auf dem Tamiami Trail gen Süden davon. Um für gute Stimmung zu sorgen, stelle ich das Radioprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) ein und fröne Schlägen (unlöblich: Hits) angesagter Künstler wie Chris Stapleton oder Lee Bice – das macht Spass.
11.00 Uhr Pünktlich zum Elfuhrläuten parke ich das Auto vor dem “Schyler of Naples” und nehme mir das Recht heraus, mit Dixon im Schlepptau in den Saftladen zu schlendern und nach einem Termin zu fragen. Ein geleckter Schnösel namens Adrian (23) meldet sich prompt zu Wort und sagt, dass er Zeit hätte und mir gerne die Haare aufsteilen würde. Ich komme dem Aufruf anstandslos nach und bitte den Heini, auf eine Haarwäsche zu verzichten. Der Homosexuelle nickt eifrig und macht es sich zur Aufgabe, gekonnt mit der Schere zu hantieren. Unterdessen schliesse ich die Augen und hoffe inständig, mir hier kein AIDS einzufangen.
11.45 Uhr Dreissig Minuten später blicke ich den Spiegel und erkenne mit geschultem Auge, dass der Frisör sein Handwerk versteht. Ich bedanke mich und stecke Herrn Adrian ein kleines Trinkgeld zu. Danach begebe ich mich zur Kasse und sehe mich genötigt, 85 Dollars für den Schnitt bezahlen zu müssen – das ist ja allerhand.


Herr Adrian bekommt ein Trinkgeld

12.15 Uhr Kopfschüttelnd treffe ich am Auto ein und schicke mich an, als nächstes zur 9. Strasse zu krusen und nach dem JEEP meines Bruders Ausschau zu halten. Schon bald entdecke ich den nachtschwarzen Geländewagen und freue mich, auch Maria die Hand schütteln zu können. Meine Verwandten legen beste Laune an den Tag und plappern davon, dass man an Weihnachten eine echte Tanne in der guten Stube aufstellen sollte. Ich zucke mit den Schultern und antworte, dass ich mit meinem künstlichen Exemplar sehr zufrieden bin. Leider lassen sich die beiden nicht beeindrucken und flitzen wie der Wind in ein klimatisiertes Verkaufszelt.
12.45 Uhr Eine halbe Stunde später fällen meine Verwandten eine Entscheidung und ringen sich dazu durch, eine in Nebraska gewachsene Edeltanne für 295 Dollars zu erwerben.
13.30 Uhr Nach dem Bezahlvorgang verweise ich auf die Uhrzeit und unterbreite, dass mein knurrender Magen nach einer warmen Mahlzeit verlangt. Maria schlägt in die gleiche Kerbe und meint, dass wir zum “Olive Garden” Italiengasthaus an der 5. Strasse fahren sollten – das ist die beste Nachricht des ganzen Tages.
14.00 Uhr Nach drei Meilen parke ich den Chevrolet auf dem Kundenparkplatz und folge Georg und Maria in das Restaurant. Wir nehmen einen Fenstertisch unter Beschlag und wählen von der Tageskarte hausgemachte Tortelloni mit Käsesauce und Fleischbällchen. Dazu gibt es lustige Beilagensalate sowie durstlöschenden Eistee. Als ich kraftvoll zubeisse, lobt mich meine Schwägerin wegen meines flotten Haarschnitts und sagt, dass es langsam an der Zeit war, einen Frisör aufzusuchen. Ich winke gelangweilt ab und antworte, dass ich mir diesen Luxus nicht alle Tage leisten kann – immerhin bin ich kein Millionär.
15.00 Uhr Schlussendlich beschliessen wir die Mahlzeit mit Kaffee und Kuchen. Im Anschluss übernimmt Georg die Rechnung und sagt, dass er nun mit seiner Frau in den Lowbank Drive zurückfahren wird – das soll mir Recht sein.


Mein Zuhause unter Palmen

15.45 Uhr Zuhause angekommen, falle ich schnaufend aufs Kanapee und schliesse die Augen. Nach wenigen Sekunden schlummere ich ein und träume von meiner diesjährigen Reise entlang der amerikanischen Ostküste.
16.45 Uhr Ich erwache ausgeruht und begebe mich in die Küche, um das Abendessen vorzubereiten. Radiohörend koche ich eine Dosensuppe auf und verfeinere sie mit Brotstücken und einem Schuss A1 Sauce. Danach köpfe ich eine Flasche Rotwein und nehme das Nachtmahl in Gesellschaft meines Haustieres ein.
17.45 Uhr Nach der Stärkung nehme ich die Glotze in Betrieb und fröne den Nachrichten auf FOX sowie einer aufschlussreichen Call-In (löblich: Ruf herein) Politiksendung. Ich mache mich über das Treiben der amerikanischen Regierung schlau und lerne, dass das Weisse Haus in der vergangenen Woche mit einem grossen Weihnachtsbaum und lustigen Misteln ausgestattet wurde – wie aufregend.

19.00 Uhr Zum Abschluss des Tages amüsiere ich mich bei der seichten Komödie “Die Glücksritter” (auf englisch: Trading Places) aus dem Jahre 1983. Die Produktion erzählt die haarsträubende Geschichte zweier kauziger Börsenmakler, die einen jungen Menetscher in den Ruin treiben – da kommt Freude auf.
21.00 Uhr Nach 120minütiger Spitzenunterhaltung beende ich den Fernsehabend und lege mich zufrieden ins Bett. Gute Nacht.