21. November 2017 – Schoppingwahnsinn

08.00 Uhr Wie es sich für einen Rentner gehört, stehe ich zeitig auf und scheuche Hund Dixon auf die Terrasse. Bei kühlen Temperaturen lockere ich meine Glieder und habe nebenher das Vergnügen, einen Ajaja zu sehen, der am Teich nach Insekten Ausschau hält. Als der lustige Vogel seinen unförmigen Schnabel in das trübe Wasser steckt, schnellt plötzlich die handzahme Echse Billy hervor und beisst dem Flügelträger in die Gurgel – wie lustig.


Ein lustiger Ajaja

08.30 Uhr Lachend beende ich die Morgengymnastik und kehre mit dem Vierbeiner an meiner Seite in die gute Stube zurück. Während sich der Rüde über einen Kauknochen hermacht, verabschiede ich mich ins Bad und lasse die Seele bei einem Wirbelbad baumeln. Unterdessen telefoniere ich mit Edelbert und vernehme, dass mein Bekannter gerade eben mit seinem Sohn telefoniert hat. Der Professor schimpft wie ein Rohrspatz und erzählt, dass Herr Peter mit dem Gedanken spielt, seinen Tschob im Bundesfinanzministerium aufzugeben und in die freie Wirtschaft zu wechseln. In diesem Zusammenhang kommt Edelbert auf die untragbaren Zustände im besagten Ministerium zu sprechen und verdeutlicht, dass unsere alte Heimat am Randes des Abgrunds steht – wie wahr.
09.30 Uhr Nachdem ich mich mit Edelbert im “The Cafe” an der 5th Avenue verabredet habe, hüpfe ich aus der Wanne und trockne mich redlichst ab. Darüber hinaus kontaktiere ich meine Verwandten und lege ihnen nahe, ebenfalls ins Zentrum zu krusen und uns gegen 11 Uhr im besagten Kaffeehaus zu treffen.
10.00 Uhr Bevor ich mich auf den Weg mache, schlürfe ich einen Espresso und vergesse auch nicht, Dixons Napf mit Trockenfutter aufzufüllen. Ausserdem stelle ich ihm frisches Trinkwasser bereit und merke an, dass wir nach dem Frühstück einen ausgedehnten Stadtbummeln unternehmen werden – das wird eine Gaudi.
10.30 Uhr Um nicht zu spät zur Verabredung zu kommen, verfrachte ich die Kaffeetasse in die Spüle und schicke mich an, Dixon zum PS-strotzenden SUV zu treiben. Danach gleite ich hupend vom Grundstück und folge der Immokalee Road in westlicher Richtung – was kann es schöneres geben.


Naples muss man gesehen haben

11.00 Uhr Pünktlich auf die Minute erreiche ich mein Ziel und habe die Ehre, Georg, Maria sowie den Professor per Handschlag begrüssen zu können. Da unsere Mägen knurren, fackeln wir nicht lange und nehmen einen schönen Tisch im europäisch eingerichteten Kaffeehaus in Beschlag. Alsbald nähert sich eine braungebrannte Kellnerin und nimmt zuvorkommend die Bestellung auf. Ich deute ohne zu zögern auf die Tageskarte und halte die 22jährige an, ein grosses Frühstück aufzutischen – schon jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
11.30 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen, kommt Edelbert auf den Mittwoch zu sprechen und informiert, dass Morgen in unserer alten Heimat der Buss- und Bettag gefeiert wird. Ich nicke eifrig und weise auf die Tatsache hin, dass dieses Hochfest der katholischen Kirche seit 1995 kein gesetzlicher Feiertag mehr ist. Der Professor gibt mir Recht und beteuert, dass sich die hochnäsigen Politiker damals entschlossen haben, mit den Mehreinnahmen die neueingeführte Pflegeversicherung zu stützen – wo soll das noch hinführen.
12.30 Uhr Mit vollen Bäuchen verlassen wir die Gaststätte und brechen zu einem entspannten Spaziergang auf. Während sich Edelbert und Georg stinkende Zigarren anstecken, komme ich mit meiner Schwägerin ins Plaudern und bringe heraus, dass die Kinder die Weihnachtszeit in Florida verbringen wollen. Ich mache grosse Augen und komme prompt zu dem Schluss, dass der heilige Abend bereits in vier Wochen gefeiert wird – wie schön.


Bald kommt das Christkind

13.15 Uhr Obwohl wir lieber das Pier besucht hätte, lotst uns Maria kurzerhand in den “Chico’s” Kleidermarkt und nimmt sündteure Umhängetaschen in Augenschein. Währenddessen wende ich mich Georg zu und frage, ob er sich schon Gedanken bezüglich der Weihnachtsgeschenke gemacht hat. Mein Bruder legt seine Stirn in Falten und mutmasst, dass sich seine Frau über neue Ohrringe aus Weissgold freuen würde – das hat gerade noch gefehlt.
14.00 Uhr Nachdem Maria einen Schal für 87 Dollars erworben hat, verlassen wir die Boutique und steuern eine Eisdiele an, um uns eine köstliche Erfrischung zu gönnen. Im Anschluss schlendern wir zu den Autos zurück und vereinbaren, das wir anlässlich des Thanksgiving Days (löblich: Erntedank Tag) eine kleine Grillfeier auf meiner Terrasse veranstalten sollten. Ich lecke mir die Lippen und entgegne, dass ich mich nicht lumpen lassen und einen saftigen Schweinebraten auf den Tisch des Hauses bringen werde – das wird ein ganz grosser Spass.
15.00 Uhr Endlich bin ich wieder dahoam und kann aus den Kuhjungenstiefeln (löblich: Cowboyboots) schlüpfen. Zudem lasse ich die Jalousien nach unten gleiten und lege im Wohnzimmer eine kleine Pause ein – das tut gut.


Ich spüle meine ausgetrocknete Kehle durch

16.00 Uhr Als der Minutenzeiger meiner ROLEX auf 4 Uhr zugeht, schwinge ich mich vom Kanapee und schnappe mir eine Flasche Budweiser aus dem Eiskasten. Anschliessend mache ich es mir auf der Terrasse bequem und beobachte Herrn Booth, wie er mit einer Schere durch den Garten flitzt und die Rosengewächse stutzt.
17.00 Uhr Weil das kulinarische Wohl nicht zu kurz kommen darf, kehre ich bald in die Küche zurück und nehme den Herd in Betrieb. Fachmännisch schütte ich etwas Olivenöl in eine Pfanne und brate ein vitaminreiches T-Knochen Schnitzel (unlöblich: T Bone Steak) an – wie gut das duftet.
18.00 Uhr Nach einem reichhaltigen Nachtmahl gehe ich zum gemütlichen Teil des Tages über und schaue mir die Nachrichten auf FOX an. Unter anderem vernehme ich, dass morgen vor 397 Jahren die ersten Pilgerväter auf der “Mayflower” in Amerika angekommen sind – wie aufregend.


Auf der Mayflower kamen die ersten Siedler nach Amerika

19.00 Uhr Zur besten Sendezeit gebe ich mich einer Dokumentation hin und informiere mich auf PBS über die Machenschaften amerikanischer Spitzenpolitiker. Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und lerne, dass hochrangige Minister seit vielen Jahren an zwielichtigen Firmen beteiligt sind – das ist ja allerhand.
21.00 Uhr Nachdenklich schalte ich die Glotze aus und unternehme mit Dixon einen kleinen Rundgang durch den Garten. Danach schliesse ich sämtliche Fenster und gehe zu Bett. Gute Nacht.