18. März 2015 – Ohrenschmalz

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08.00 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und habe ein Summen im Ohr. Missmutig werfe ich die Bettdecke beiseite und registriere, dass das Surren auch im Wohnzimmer und in der Küche zu hören ist. Um einen genaueren Überblick zu bekommen, eile ich nach nebenan und erkundige mich bei Frau Pontecorvo, ob sie das Summen ebenfalls hört. Meine Nachbarin schüttelt den Kopf und unkt, dass ich womöglich an einem Tinnitus leide – wie schrecklich.
08.30 Uhr Nachdenklich kehre ich in die kleine Villa zurück und telefoniere während des Badevergnügens mit Edelbert. Der schlaue Mann beruhigt mich redlichst und sagt, dass ich gestern zu tief ins Glas geschaut habe.

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Die kleine Villa unter Palmen

09.30 Uhr Nachdem ich mich angezogen habe, lasse ich mich mit einem Honigbrot und einem Becher Kaffee auf der Terrasse nieder. Ich spüle meinen trocknen Hals mit kräftigen Schlucken durch und freue mich, als plötzlich der JEEP meiner Verwandten vorfährt. Georg und Maria wünschen mir einen guten Morgen und möchten wissen, ob ich mich wohl fühle. Natürlich schüttle ich den Kopf und antworte, dass ich ein Surren im Ohr habe. Georg winkt demonstrativ ab und sagt, dass ich einen Arzt aufsuchen und mir das Ohrenschmalz entfernen lassen sollte.
10.00 Uhr Bevor ich antworten kann, wirft mir Georg die Flip Flops vor die Füsse und meint, dass wir nun zum “Naples Hospital Campus” fahren und einen Ohrenarzt zu Rate ziehen werden. Maria gibt ihrem Ehemann Recht und verspricht, während unserer Abwesenheit auf Dixon aufzupassen – wie schön.
10.30 Uhr Wenig später sitze ich im JEEP und vernehme, dass ein Ohrenpfropfen meist ein Rauschen oder einen Juckreiz auslösen kann. Ich gebe mich erleichtert und verrate, dass ich mit dem Schlimmsten gerechnet und mich bereits im Krankenhaus gesehen habe.

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Ein lustiges Ohr

11.15 Uhr Kurz nach dem Elfuhrläuten betreten wir das Ärztehaus und lesen auf einer Informationstafel, dass im ersten Obergeschoss eine Hals-Nasen-Ohren Praxis zu finden ist. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, erklimmen wir die Stufen und sind überrascht, im Wartezimmer von Herrn Dr. Glaser nur einen Patienten anzutreffen. Darüber hinaus stelle ich mich bei einer drallen Sprechstundenhilfe vor und gebe zu Protokoll, dass ich dringend den Arzt sprechen muss. Frau Maureen (26) schenkt mir ein Lächeln und sichert zu, dass sich Dr. Glaser meiner Probleme in Kürze annehmen wird.
12.00 Uhr Nachdem wir fünfundvierzig Minuten warten mussten, werde ich endlich in den Behandlungsraum gerufen. Ein bärtiger Arzt (61) heisst mich herzlich Willkommen und möchte wissen, von welchem Leiden ich geplagt werde. Selbstverständlich verweise ich auf das permanente Surren und schildere alles ganz genau. Dr. Glaser nickt eifrig und steckt einen futuristisch aussehenden Saugstab in mein Ohr – wie unlöblich.
12.15 Uhr Fünfzehn Minuten später stehe ich beschwerdefrei im Wartezimmer und erkläre Georg, dass er mit seiner Vermutung ins Schwarze getroffen hat. Ich gebe mich erleichtert und erzähle, dass Dr. Glaser beide Ohrenpfropfen entfernt und mich ermutigt hat, die Prozedur jährlich zu wiederholen. Georg ist begeistert und lotst mich zur Praxismitarbeiterin, die mir eine Rechnung über 370 Dollars präsentiert – wo soll das noch hinführen.

200dollars
Die Behandlung kostet ein kleines Vermögen

13.00 Uhr Weil das kulinarische Wohl nicht zu kurz kommen darf, fassen wir den Entschluss, die Heimfahrt aufzuschieben und stattdessen ins “Bistro 821” einzukehren. Ich zücke meine praktische Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und lasse es mir nicht nehmen, Edelbert zu einem Umtrunk ins besagte Gasthaus einzuladen.
13.30 Uhr Hungrig und durstig betreten wir das Restaurant und treffen den Professor an einem Tisch mit Aussicht auf die 5th Avenue South an. Edelbert löchert mich mit Fragen und lässt sich meine Erlebnisse in allen Einzelheiten berichten. Nebenbei ordern wir lustige “House Salads” (löblich: Haussalate), Neapolitan Pasta (löblich: Neapolitanische Nudeln) sowie süffiges Budweiser vom Fass – das schmeckt.
14.00 Uhr Als wir kraftvoll zubeissen, kommt Georg auf seinen anstehenden Heimflug zu sprechen und sagt, dass es kein Vergnügen wird, in zwei Tagen nach Kanada auszufliegen. Ich schlage in die gleiche Kerbe und erwähne, dass Toronto im Schnee versinkt.
14.30 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, nach Hause zurückzukehren. Wir winken einen Kellner herbei und begleichen die Zeche mit druckfrischen Banknoten. Danach verabschieden wir uns von Prof. Kuhn und krusen zu stimmungsvoller WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Radiomusik in Richtung Willoughby Drive davon.
15.15 Uhr Zuhause angekommen, werden wir von Hund Dixon stürmisch begrüsst. Auch Maria freut sich, uns wieder zu sehen und unterbreitet, dass sie just im Moment Kaffee aufgebrüht hat. Völlig erschöpft lasse ich mich in der klimatisierten Wohnstube nieder und streichle dem Rüden über den Kopf.

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Ich beisse kraftvoll zu

15.45 Uhr Während wir ein Kaffeekränzchen abhalten und köstliche Backwaren verzehren, erfahre ich von meiner Schwägerin, dass während meiner Abwesenheit Putzperle Frau Gomez zu Besuch war. Ich atme tief durch und nehme mir das Recht heraus, einen weiteren Muffin mit Quarkfüllung zu fressen.
16.30 Uhr Als endlich Ruhe in der kleinen Villa Einzug gehalten hat, lasse ich die Jalousien nach unten gleiten und bette mich auf dem Wohnzimmerkanapee zur Ruhe – immerhin bin ich nicht mehr der Jüngste.
17.30 Uhr Da Dixon langsam unruhig wird, schwinge ich mich vom Sofa und öffne die Terrassentüre. Ausserdem mache ich mich in der Küche nützlich und richte eine Brotzeitplatte mit hauchdünn aufgeschnittenem Capocollo, Cheddar Käse und Gewürzgurken an. Im Anschluss mache ich es mir auf der fliegenvergitterten Terrasse gemütlich und blättere in der Tageszeitung – was kann es schöneres geben.

https://www.youtube.com/watch?v=t1YnGhofJGQ

18.00 Uhr Endlich beginnt der wohlverdiente Feierabend. Ich schalte die Glotze ein und lerne während der Abendnachrichten, dass vor 167 Jahren der Scharfschütze Wyatt Earp geboren wurde. Der FOX Moderator kommt aus dem Plappern gar nicht mehr heraus und kündigt grossspurig an, dass im Anschluss eine zweistündige Dokumentation über den Westernhelden zu sehen ist – wie aufregend.
19.00 Uhr Ich lehne mich entspannt zurück und tauche in das Leben der Farmersfamilie Earp ein, die anno 1850 mit einem Planwagen in den goldenen Westen gezogen ist – da kommt Freude auf.
21.00 Uhr Ich beende den Fernsehabend und rufe Dixon ins Haus. Nachdem ich die Haustüre sicher verschlossen habe, falle ich gähnend ins Bett. Gute Nacht.