18. August 2014 – Keiner will meine Aquarelle ausstellen

pfaffenbergkl

08.00 Uhr Bevor ich aufstehe und den Frühsport absolviere, greife ich zum Telefon, um Edelbert anzurufen. Bereits nach dem zweiten Tuten meldet sich mein Bekannter und ich lasse ihn wissen, dass ich ein Geburtstagsgeschenk für Frau Pontecorvo benötige. Ferner gebe ich zu Protokoll, dass ich gleich in die Stadt fahren und nicht nur ein Präsent kaufen, sondern auch in einer Kunstgalerie meine Aquarelle zum Kauf anbieten werde. Der Professor ist begeistert und schlägt vor, dass wir uns gegen 10 Uhr im “Cafe Luna” treffen könnten – wie schön.

geschenk
Ich benötige ein Geschenk für die Pontecorvo

08.30 Uhr Nachdem ich die DeLonghi Kaffeemaschine eingestellt und Purzelbäume im Garten geschlagen habe, verabschiede ich mich in die Nasszelle. Ich entspanne mich bei einem Wirbelbad und nutze die Ruhe, um mit dem iPad die Tagebucheinträge meiner unterbelichteten Mieterin zu studieren. Dabei komme ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und erfahre, dass das Kind am gestrigen Abend einen Gruselfilm angeschaut hat. An diesem Beispiel sieht man anschaulich, dass die Jugend von heute nicht mehr alle Tassen im Schrank hat.
09.30 Uhr Just als ich Dixons Napf auffülle, klopft Frau Pontecorvo an die Terrassentüre und plappert davon, dass sie für morgen eine kleine Feier plant. Ich nicke eifrig und entgegne, dass ich zur Geburtstagsfeier selbstverständlich kommen und ein kleines Geschenk mitbringen werde.
09.45 Uhr Wenig später scheuche ich Hund Dixon zum Auto und lege die selbstgemalten Aquarelle vorsichtig auf den Beifahrersitz. Anschliessend presche ich hupend aus dem Wohngebiet und lausche während der kurzweiligen Reise dem Qualitätsprogramm meines Lieblingsradiosenders aus Fort Myers – was kann es schöneres geben.

katzelandmusik
Mein Lieblingsradiosender

10.15 Uhr Mit kurzer Verspätung treffe ich im Kaffeehaus ein und lasse mich neben Edelbert an der Bar nieder. Ich begrüsse den schlauen Mann herzlich und unterbreite, dass das schwülwarme Wetter sogar den stärksten Rentner aus der Bahn wirft. Mein Bekannter nippt am Kaffeebecher und wirft ein, dass es mir nach einer Brotzeit gleich besser gehen wird. Ich fackle nicht lange und ordere bei einem Kellner ein grosses Frühstück.
11.00 Uhr Nachdem wir uns gestärkt haben, eilen wir zum Auto und holen die Aquarelle hervor. Danach schlendern wir auf der 5th Avenue gen Westen und stossen bald auf eine Galerie, in der örtliche Künstler wie Priscilla Jeffcoat und Kiki Bresaugh ihre Arbeiten ausstellen.

beach2
Ein richtiges Meisterwerk

11.30 Uhr Voller Vorfreude betrete ich das Geschäft und lasse es mir nicht nehmen, der Besitzerin die Hand zu schütteln. Darüber hinaus überreiche ich Frau Susan (58) meine Bilder und erzähle, dass ich mich seit wenigen Wochen als Maler versuche. Die Kunstexpertin beäugt die Bilder sorgfältig und bescheinigt mir eine präzise Pinselführung. Ausserdem behauptet die kleine Frau, dass ich Talent habe und die Meisterwerke jederzeit ausstellen kann. Als ich mich schon im Geld schwimmen sehe, händigt mir die Dame einen Vertrag aus und informiert, dass ich im kommenden Monat meine Bilder zu einem Unkostenbeitrag von 750 Dollars in ihrer Galerie aufhängen kann. Ich klopfe mir lachend auf die Schenkel und erwidere, dass ich auf diesen Kuhhandel ganz bestimmt nicht eingehen werde – wo kämen wir denn da hin.
12.30 Uhr Nachdem wir in zwei weiteren Galerien Absagen erhalten haben, kehren wir entnervt in eine “Starbucks” Wirtschaft ein. Ich schnippe mit den Fingern und beauftrage eine übergewichtige Bedienung, Kaffee, Quarktaschen (unlöblich: Cheese Danish) sowie Wasser für Hund Dixon aufzufahren.
13.00 Uhr Ich beisse kraftvoll zu und spiele mit der Idee, Herrn Wangs Angebot anzunehmen und die Bilder im Eingangsbereich des “Naples Manor Motels” auszustellen. Edelbert redet mir gut zu und ist sich sicher, dass die Touristen begeistert sein und Höchstpreise für die Aquarelle zahlen werden.
13.30 Uhr Im Anschluss sehen wir uns im “Best of Everything” (löblich: Beste von Allem) Ramschladen um. Ich nehme das Zeug argwöhnisch in Augenschein und registriere, dass ich hier ganz bestimmt kein geeignetes Geschenk für Frau Pontecorvo finden werde.
14.00 Uhr Weil es keinen Spass macht, bei dieser Affenhitze durch die Stadt zu laufen, fassen wir den Entschluss, unseren Bummel zu beenden. Mit hängendem Kopf mache ich kehrt und laufe zum Auto zurück. Unterdessen plappert der Professor ohne Unterlass und legt mir nahe, Frau Pontecorvo ein Aquarell zu überreichen. Da ein selbstgemaltes Bild nichts kostet, nehme ich den Vorschlag dankbar an und wünsche Edelbert einen schönen Nachmittag.
15.00 Uhr Endlich bin ich wieder daheim und kann mich von den Strapazen erholen. Ich lege auf dem Sofa die Beine hoch und döse prompt ein, um von meiner Appalachian Trail Wanderung zu träumen – das war phantastisch.
16.00 Uhr Ich erwache ausgeruht und nehme die Anschnurarbeit in Angriff. Während der Vierbeiner im Garten spielt und wunderschöne WCKT CAT COUNTRY Musik aus den Lautsprechern dröhnt, rate ich einer Mutter (47) aus Wien, ihrer erst 16jährigen Tochter kein strahlendes Handtelefon zum Geburtstag zu schenken.

telefon
Handtelefone braucht die Welt nicht

17.00 Uhr Zu guter Letzt überfliege ich die Einträge im Gästebuch und ärgere mich über garstige Jugendliche, die mich aufs Übelste beschimpfen. Weil man sich nicht alles bieten lassen darf, kontaktiere ich das BKA und erstatte Anzeige gegen alle.
17.30 Uhr Nach der Arbeit wickle ich eine Flasche Kerbel Weisswein in farbenfrohes Geschenkpapier und gebe Dixon zu verstehen, dass meine Nachbarin an diesem edlen Tröpfchen Gefallen finden wird.
18.00 Uhr Nachdem ich belegte Brote gegessen und ein Budweiser getrunken habe, beginnt der wohlverdiente Feierabend. Ich stelle die Klimaanlage höher und schaue mir die FOX Nachrichten an.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit wähle ich das Qualitätsprogramm von AMC aus und erfreue mich am Westernfilm “Chisum” aus dem Jahre 1970. Ich öle meine Kehle mit einem kräftigen Schluck aus der Whiskeyflasche und tauche in das Leben eines Farmers ein, der gegen den Rinderzüchter Lawrence in den Krieg zieht – wie aufregend.
21.00 Uhr Ein wunderschöner Fernsehabend geht zu Ende und ich schalte den Flachbildschirm gähnend aus. Zu guter Letzt verschaffe ich Dixon noch etwas Auslauf und lege mich dann ins Bett. Gute Nacht.