07.30 Uhr Eine neue Woche beginnt und ich hüpfe sportlich aus dem Wasserbett. Bei mässig warmen Temperaturen absolviere ich die Morgengymnastik und denke daran, dass bereits in drei Tagen dem heiligen Nikolaus von Myra gedacht wird. Ich mache Kniebeugen und lasse Hund Dixon wissen, dass der Nikolaustag in den Vereinigten Staaten nicht gefeiert wird – wie schade.
09.00 Uhr Nach einem reichhaltigen Frühstück greife ich zum Telefonhörer und rufe bei Edelbert an. Der schlaue Mann meldet sich nach dem zweiten Tuten und schimpft, weil er sich gestern Abend einen Hexenschuss eingefangen hat. Mein Bekannter kommt aus dem Jammern gar nicht mehr heraus und unterbreitet, dass er weder stehen, noch liegen kann. Natürlich rede ich Edelbert gut zu und biete an, dass ich ihn jederzeit zum Arzt bringen kann. Der Professor willigt ein und meint, dass es gescheiter wäre, ein Krankenhaus aufzusuchen.
09.45 Uhr Wenig später scheuche ich Hund Dixon zum Eigenheim von Familie Crane und bitte die Dame des Hauses, ausnahmsweise auf mein Tier aufzupassen. Um meinen Aussagen Nachdruck zu verleihen, komme ich auf Edelberts Rückenschmerzen zu sprechen und weise auf die Tatsache hin, dass ich einem guten Freund in einer schweren Stunde beistehen muss. Die ehemalige Olympiateilnehmerin nickt eifrig und verspricht, Dixon zu beaufsichtigen und sein Fell zu bürsten.
10.30 Uhr Als der Minutenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf halb Elf deutet, komme ich mit quietschenden Bremsen im Stadtzentrum zum Halten. Ruckzuck erklimme ich die Treppe und zögere nicht, an Edelberts Wohnungstüre zu klingeln. Der gute Mann öffnet die Pforte mit schmerzverzerrtem Gesicht und sagt, dass nun die Zeit gekommen ist, um ein Testament aufzusetzen – papperlapapp.
11.30 Uhr Nachdem wir uns durch den dichten Verkehr gequält haben, erreichen wir endlich das “Naples Medical Center” (löblich: Naples Medizinzentrum) an der 8. Strasse. Während ich das Auto hupend vor der Notaufnahme parke, versorgt mich Edelbert mit Infos und erzählt, dass er gestern Abend das Wohnzimmer weihnachtlich geschmückt und dabei eine falsche Bewegung gemacht hat. Ich mache mir die grössten Sorgen und unke, dass womöglich ein komplizierter Bandscheibenvorfall vorliegt.
12.30 Uhr Nach dreissig Minuten sind wir an der Reihe und schütteln die Hand eines weissgekleideten Arztes. Dr. Patrick (34) führt uns in ein Behandlungszimmer und macht es sich zur Aufgabe, Edelberts Rücken abzutasten. Schon bald erfahren wir, dass keine Verletzung an der Wirbelsäule vorliegt. Um auf Nummer sicher zu gehen, ordnet der Doktor eine Röntgenaufnahme an und meint, dass ich unterdessen in der hauseigenen Cafeteria im Erdgeschoss warten kann – das soll mir Recht sein.
14.00 Uhr Als ich gemütlich im Kaffeehaus sitze und kraftvoll in ein mit Thunfisch und Ei belegtes Sandwich beisse, schellt das neumoderne NOKIA Telefon. Edelbert ist dran und teilt mir auf Anfrage mit, dass die Behandlung mittlerweile abgeschlossen ist. Mein Bekannter freut sich und berichtet, dass Dr. Patrick beste Arbeit abgeliefert und ihm eine krampflösende Spritze verpasst hat – das ist phantastisch.
14.30 Uhr Nachdem ich Edelbert in der Notaufnahme abgeholt habe, kehren wir plaudernd zum Auto zurück. Mein Begleiter redet ohne Unterlass auf mich ein und bestätigt, dass er sich zwar wie neugeboren fühlt, aber bis zum Mittwoch etwas kürzer treten muss. Darüber hinaus lerne ich, dass Edelbert die Behandlung per Kreditkarte bezahlen musste und um 430 Dollars erleichtert wurde – wo soll das noch hinführen.
15.30 Uhr Wieder zurück in der kleinen Villa, hole ich Dixon bei den Nachbarn ab und versorge das Haustier mit einer Portion Trockenfutter. Danach falle ich völlig erschöpft aufs Kanapee und komme zu dem Schluss, dass ich dem ganzen Stress bald nicht mehr gewachsen bin.
16.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und nehme kaffeegeniessend am Heimrechner Platz. Auch heute komme ich meinen Pflichten als staatlich anerkannter Anschnurseelsorger nach und helfe, wo ich nur kann. Bei dieser Gelegenheit nehme ich die aktuellen Einträge im Gästebuch in Augenschein und freue mich über die netten Botschaften.
17.15 Uhr Als alles abgearbeitet ist, schalte ich das Arbeitsgerät aus und bereite in der Küche ein nahrhaftes Abendessen zu. Um mir nicht stundenlang die Beine in den Bauch stehen zu müssen, nehme ich mit einer kalten Wurst- und Käseplatte Vorlieb – das schmeckt und geht schnell.
18.00 Uhr Ein langer und nervenaufreibender Tag neigt sich langsam aber sicher seinem Ende zu. Ich rufe Dixon in die gute Stube herein und mache es mir im klimatisierten Wohnzimmer gemütlich. Unter anderem schaue ich mir die Nachrichten auf FOX an und höre, dass Barack Obama Nägel mit Köpfen macht und reichen Menschen höhere Steuern abverlangen will. HEUREKA – diesen Unsinn muss man gehört haben.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit schalte ich auf den Film- und Serienkanal AMC um und erfreue mich am sehenswerten Fernsehspiel “Breaking Bad”. Obgleich eine Wiederholung kommt, amüsiere ich mich köstlich und lache am laufenden Band.
21.00 Uhr Im Anschluss führe ich den Vierbeiner durch den Garten und vergesse auch nicht, sämtliche Lichter zu löschen. Danach lege ich mich ins Bett und döse augenblicklich ein. Gute Nacht.
In Amerika ein grosser Erfolg: “Breaking Bad”: