1. Oktober 2013 – Wiedersehen mit Gräfin Gloria von Rudnik

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08.00 Uhr Ich schwinge mich voller Tatendrang aus dem Bett und registriere, dass heute der zehnte Monat des Jahres begonnen hat. Während ich mir mit der Hand durchs Haar fahre, wird mir klar, dass in zwei Tagen der “Tag der deutschen Einheit” gefeiert wird. Seufzend schüttle ich die Bettdecke auf und erkläre Dixon, dass In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1990 die beiden deutschen Staaten wiedervereint wurden.

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Wiedervereint / Bundesarchiv
Bild 183-1990-1003-400 / Grimm, Peer / CC-BY-SA

08.45 Uhr Nachdem ich die Morgengymnastik absolviert habe, kehre ich in die gute Stube zurück und lasse Edelbert wissen, dass wir nach dem Frühstück zum Schloss Baienbach fahren könnten. Mein Gastgeber reibt sich die Hände und meint, dass auch ein Wiesnbesuch nicht schaden kann – das hört sich verlockend an.
09.30 Uhr Bevor ich mich bei einem Vollbad entspanne, leiste ich dem Professor bei der wichtigsten Mahlzeit des Tages Gesellschaft. Ich streiche Butter auf eine Scheibe Landbrot und berichte, dass wir bald unsere Koffer packen und nach Florida ausfliegen werden. Edelbert schnalzt mit der Zunge und sagt, dass ihm das kalte Wetter in Bayern ganz und gar nicht gut tut – das kann man laut sagen.
10.00 Uhr Anschliessend lasse ich die Seele bei einem prima Schaumbad baumeln und lausche dem Programm des Bayerischen Rundfunks. Unter anderem höre ich, dass heute vor 67 Jahren der “Nürnberger Prozess” mit der Urteilsverkündung endete. Wie jeder weiss, wurden 12 der 24 Angeklagten zum Tode verurteilt und wenige Tage später in einer Nürnberger Turnhalle hingerichtet.
11.00 Uhr Nach dem Badespass ziehe ich modische Freizeitkleidung an und kann es kaum noch erwarten, Gräfin Gloria wiederzusehen. Mit Dixon und Edelbert im Schlepptau eile ich zum JAGUAR und helfe dem Vierbeiner auf den Rücksitz. Danach lasse ich den Motor aufheulen und rase mit durchdrehenden Pneus zum Schloss.

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Mein schicker Jaguar

11.30 Uhr Kurz vor der Mittagszeit komme ich im Innenhof der weitläufigen Burganlage zum stehen. Gräfin Glorias Butler lässt nicht lange auf sich warten und gibt uns hochnäsig zu verstehen, dass das Anwesen für Touristen nicht zugänglich ist. Ich klopfe dem Knecht auf die Schulter und entgegne, dass wir Freunde des Hauses sind. Bevor der Heini Widerworte geben kann, durchschreiten wir die pompöse Haupthalle und treffen Gloria zeitungslesend in der Bibliothek an. Die Gräfin legt ihre Lektüre beiseite und lässt es sich nicht nehmen, uns herzlich zu begrüssen. Ich hauche der Perle ein Bussi auf die Wange und frage, ob interessante Geschichten in der wöchentlich erscheinende Zeitschrift “Frau mit Herz” stehen. Die Freifrau nickt eifrig und behauptet, dass sie stets über das Treiben der englischen Königsfamilie informiert sein muss – wie wahr.
12.00 Uhr Pünktlich zum Mittagsläuten führt uns die Gräfin in den Rittersaal und lädt uns zum Essen ein. Als wir Platz nehmen, kommt Meisterköchin Antonia dazu und kredenzt hausgemachten Apfelstrudel. Die Haushälterin freut sich sehr und leistet uns prompt Gesellschaft. Nebenher löchert uns Gloria mit Fragen und bittet uns, Geschichten aus Amerika vorzutragen. Edelbert kommt der Aufforderung augenblicklich nach und erörtert, dass wir uns im Rentnerparadies sehr wohl fühlen.
13.00 Uhr Nachdem wir aufgegessen haben, heisst es Abschied nehmen. Wir winken den Damen redlichst zu und rasen in Richtung München davon. Um schneller voran zu kommen, fahre ich kurzerhand auf die Autobahn auf und setze zu waghalsigen Überholmanövern an.
13.45 Uhr Nach fünfundvierzig Minuten passieren wir das Willkommensschild der bayerischen Landeshauptstadt und ärgern uns über den dichten Mittagsverkehr. Ich betätige wildgestikulierend die Hupe und animiere die anderen Verkehrteilnehmer, uns Platz zu machen – immerhin habe ich meine Zeit nicht gestohlen.

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Willkommen in der bayerischen Landeshauptstadt

14.30 Uhr Endlich finden wir einen geeigneten Stellplatz und können den auf Hochglanz aufpolierten JAGUAR direkt am Goetheplatz parken. Weil meine Kehle ganz ausgetrocknet ist, nehme ich den Vierbeiner an die Leine und eile mit schnellen Schritten zur 400 Meter entfernten Festwiese – wie aufregend.
15.00 Uhr Gutgelaunt kehren wir in den Augustiner Biergarten ein und finden zwei Plätze unweit des Ausschanks. Edelbert fackelt nicht lange und beauftragt eine Bedienung, zwei Massen sowie eine grosse Brezn zu servieren.
15.45 Uhr Während wir den würzigen Hopfensaft geniessen, beobachten wir eine Gruppe Italiener, die am Nebentisch lustige Trinkspiele veranstalten. Ich klopfe mir lachend auf die Schenkel und gebe dem Professor zu verstehen, dass sich das Festbier nicht mit Wodka verträgt. Just als Edelbert mit dem Kopf nickt, werden wir Zeugen, wie sich ein Italiener röchelnd übergibt und von der Sitzbank fällt – das ist ja allerhand.
16.45 Uhr Da immer mehr Menschen in den Biergarten drängen, fassen wir den Entschluss, die Krüge zu leeren und den Heimweg anzutreten.
17.30 Uhr Zufrieden steuere ich das PS-strotzende Auto nach Hause und freue mich auf einen schönen Fernsehabend. Edelbert wippt beschwingt mit dem Fuss und kündigt an, dass am Abend ein Alfred Hitchcock Krimi gezeigt wird – das ist die beste Nachricht des ganzen Tages.
18.30 Uhr Zuhause angekommen, scheuche ich den Rüden ins Haus und mache mich daran, eine Wurstplatte anzurichten. Der Professor hilft tatkräftig mit und schneidet Tomaten in mundgerechte Scheiben. Im Anschluss machen wir es uns im Wohnzimmer bequem und trinken zu der Jause süffiges Paulaner Bier.
19.30 Uhr Zur besten Sendezeit schalten wir den Röhrenfernseher ein und informieren uns bei der “Heute” Sendung über die Geschehnisse in der Welt. Ich habe nur Hohn und Spott für die deutschen Politiker über und merke an, dass ich die scheinheiligen Volksvertreter nicht mehr sehen kann.

20.00 Uhr Um nicht ganz zu verblöden, wechseln wir ins Privatfernsehen und geben uns dem nervenaufreibenden Klassiker “Cocktail für eine Leiche” (auf englisch: Rope) hin, der von einem perfekten Verbrechen erzählt. Ich amüsiere mich köstlich und schaufle vitaminreiche Kartoffelchips in mich hinein.
22.00 Uhr Ein schöner Fernsehabend geht zu Ende und ich wünsche Prof. Kuhn eine gute Nacht. Nachdem ich Dixon in den Garten gelassen habe, schlüpfe in den Schlafanzug und gehe zu Bett. Gute Nacht.