15. April 2013 – Appalachian Trail Tag 6 – Gatlinburg, TN

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07.15 Uhr Ich öffne den Schlafsack und bemerke, dass es während der Nacht geregnet hat. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, stosse ich Edelbert in die Seite und rate ihm, schnellstmöglich in die Gänge zu kommen. Mein Begleiter nölt in einer Tour und sagt, dass er immer noch einen Schnupfen hat. Weil ich mich auch unwohl fühle, spreche ich dem Professor gut zu und stelle klar, dass wir heute nur wenige Meilen laufen und dann per Anhalter nach Gatlinburg fahren werden.
08.00 Uhr Nachdem wir im Mount Collins Shelter ein spärliches Frühstück eingenommen haben, lege ich dem zerzausten Vierbeiner die Hundeleine um und folge Edelbert gen Norden. Missmutig laufen wir bergab und werden während unseres Spaziergangs immer wieder von jungen Wandern überholt. Ein langhaariger Schnösel aus New Jersey freut sich, unsere Bekanntschaft zu machen und behauptet, dass wir uns auf dem Trail bereits einen Namen gemacht haben. Als wir genauer nachfragen, kommt der Gammler aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und sagt, dass wir von allen nur noch “The Funny Pensioners” (löblich: Die lustigen Pensionisten) genannt werden – wie unlöblich.

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09.30 Uhr Nach neunzig Minuten erreichen wir den Highway 441. Da meine Kehle ausgetrocknet ist, lasse ich mich auf einem Baumstumpf nieder und nehme einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche. Edelbert legt seine Stirn in Falten und weist mich darauf hin, dass die Wasservorräte langsam zur Neige gehen. Ich winke demonstrativ ab und entgegne, dass wir bald in Gatlinburg sein und in einem einladenden Restaurant sitzen werden – das wird ein Spass.
10.00 Uhr Endlich kommt ein U-HAWL Lastkraftwagen dahergebraust. Wir springen wildgestikulierend auf und fordern den Fahrer unmissverständlich auf, sofort anzuhalten. Der Ganove tritt jedoch aufs Gas und ich kann gerade noch im letzten Augenblick zur Seite hüpfen.
10.30 Uhr Nach weiteren dreissig Minuten zeigt ein Verkehrsteilnehmer doch noch ein Herz und bittet uns, die Rucksäcke sowie die Wanderstöcke im Kofferraum zu deponieren. Anschliessend helfe ich Dixon in den Cadillac und gebe vor, dass wir gestresste Wanderer sind und nach Gatlinburg gebracht werden müssen.
11.00 Uhr Während der Reise kommen wir mit dem Fahrer (66) ins Gespräch und erfahren, dass es in Gatlinburg etliche Motels sowie einladende Gastwirtschaften gibt. Ich lecke mit die Lippen und höre, dass man im “Bennett’s Pit Bar-B-Que” Restaurant besonders gut essen kann – das hört sich verlockend an.
11.30 Uhr Kurz vor der Mittagszeit kehren wir in die besagte Wirtschaft ein und werden von einer rothaarigen Kellnerin skeptisch beäugt. Ich schlüpfe aus dem nassen Regenponcho und lasse die Maid wissen, dass wir tagelang auf dem Appalachian Trail unterwegs waren und fast verhungert wären. Die Dame lotst uns zu einem Tisch und serviert süffiges Tafelwasser sowie die Menükarten. Wir fackeln nicht lange und bestellen zwei Portionen “Famous Hickory Wings” (löblich: Famose Walnussholz Flügel), “Potato Skins” (löblich: Kartoffelspalten) mit Cheddar Käse, “Homemade Soups of the Day” (löblich: Hausgemachte Suppen des Tages) sowie “Rocky Mountains Steaks” mit Krautsalat. Dazu gibt es mehrere Pitcher (löblich: Krüge) Budweiser – das tut gut.
12.30 Uhr Nachdem wir lustige Eisbecher mit Sahne verzehrt haben, winken wir der Kellnerin zu und fragen nach einer preiswerte Unterkunft. Frau Abigail (21) legt ihren Zeigefinger an die Unterlippe und sagt, dass derzeit eine Landwirtschaftsausstellung in Gatlinburg stattfindet. Trotzdem rät uns das Mädchen, unser Glück im nahegelegenen “Hilton Garden Inn” zu versuchen – wie aufregend.
13.00 Uhr Wenig später finden wir uns am Empfang der Vier-Sterne-Herberge wieder und lernen, dass nur noch wenige Zimmer im dritten Stock verfügbar sind. Da wir uns vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten können, nehmen wir das Angebot an und bezahlen bereitwillig jeweils 173 Dollars für zwei Einzelzimmer.
14.00 Uhr Bevor ich mich zur Ruhe bette, verfrachte ich Dixon in die Badewanne und brause ihn ordentlich ab. Im Anschluss wasche ich mich redlichst und vergesse auch nicht, meine Bartstoppeln abzurasieren.
15.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 3 deutet, falle ich völlig übermüdet ins Bett und schlummere augenblicklich ein.

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17.00 Uhr Just als ich von unserer ersten Übernachtung entlang des Appalachian Trails träume, klingelt das NOKIA Handtelefon. Zu allem Überfluss meldet sich Edelbert im Rohr und unterbreitet, dass er sich entschlossen hat, die hauseigene Wellness Oase zu besuchen und sich massieren zu lassen. Darüber hinaus höre ich, dass der schlaue Mann Schmutzwäsche am Empfang abgegeben hat und einen Mitarbeiter gebeten hat, die Kleider zu waschen. Ich gähne ausgiebig und verabrede mit Edelbert, dass wir uns um halb Sieben vor dem Haupteingang des benachbarten “Park Plaza Shopping Centers” treffen sollten.
18.00 Uhr Nachdem ich Dixon mit einer Portion Trockenfutter verwöhnt habe, eile ich nach Unten und werde an der Rezeption vorstellig. Ich komme mit einem Lakaien ins Gespräch und drücke ihm meine verschmutzten Anziehsachen in die Hand. Ausserdem animiere ich den Deppen, die T-Hemden sowie die Wanderhose zu waschen. Der Anzugträger stimmt lächelnd zu und verspricht, die Kleider Morgen früh aufs Zimmer zu liefern – jaja.
18.30 Uhr Pünktlich auf die Minute erreiche ich das Einkaufszentrum und begrüsse Edelbert händeschüttelnd. Der Professor führt mich plappernd in das gutbesuchte “Elks Restaurant” und sagt, dass er mich zu Speis und Trank einladen wird. Da ich nicht auf die Preise schauen muss, ordere ich ein vitaminreiches “Parmesan Chicken Sandwich” (löblich: Parmesan Hühnerwurstsemmel) sowie “Housemade Italian Meatballs” (löblich: Hausgemachte italienische Fleischbälle) mit Salat – das schmeckt.
19.00 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse, kommt Edelbert auf die Vorzüge der Kleinstadt Gatlinburg zu sprechen und meint, dass es sich anbieten würde, den Aufenthalt um einen Tag auszudehnen. Ferner präsentiert der gute Mann eine Hochglanzbroschüre und sagt, dass wir morgen das weltbekannte “Ripley’s Aquarium” besichtigen könnten. Obgleich ich viel lieber auf den Appalachian Trail zurückkehren würde, willige ich letztendlich doch ein.
20.15 Uhr Nachdem wir das Abendessen mit Kaffee und Obstkuchen abgerundet haben, schlendern wir zum Hotel, um in der Lounge eine kühle Halbe sowie in Bierteig panierte Zwiebelringe zu geniessen.
21.30 Uhr Um endlich zur Ruhe zu kommen, lassen wir die Rechnung auf die Zimmer schreiben. Danach verabschiede ich mich von meinem Bekannten und falle erschöpft ins Bett. Gute Nacht.