16. Mai 2017 – Berkeley

07.30 Uhr Ich werde durch ein eigenartiges Surren geweckt und habe gar keine Orientierung. Erst nachdem ich mir den Schlaf aus den Augen gerieben habe, erinnere ich mich, dass ich mich seit gestern in der 850.000 Einwohner zählenden Grossstadt San Franzisko aufhalte. Missmutig hüpfe ich aus dem viel zu weichen Motelbett und ärgere mich, Hund Dixon in Naples gelassen zu haben.


Dixon musste in Naples bleiben

08.00 Uhr Trotz aller Widrigkeiten lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und eile nach dem Frühsport ins Bad, um mich frisch zu machen. Wie es sich gehört, rasiere ich mir die Bartstoppeln ab und vergesse auch nicht, mir die Haare mit einem Pflegeprodukt aus dem Hause Schwarzkopf zu waschen – wie gut das duftet.
08.45 Uhr Kurz vor dem Neunuhrläuten nehme ich das praktische iPad in Betrieb und kontaktiere per Videoanruf meinen Bruder im fernen Florida. Schon bald sehe ich Georgs Gesicht und bringe heraus, dass es in Naples kurz vor Mittag ist. Natürlich frage ich meinen Verwandten bezüglich des Verbeiners aus und erfahre, dass Dixon just im Moment eine stattliche Portion Hühnermägen mit Reis verschlingt – wie schön.
09.30 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, die Zelte in San Franzisko abzubrechen und nach Berkeley zu krusen. Ich werfe meine Habseligkeiten in den Rollkoffer und schicke mich an, lautstark an Edelberts Zimmertüre zu hämmern. Mein Bekannter lässt nicht lange auf sich warten und kündigt an, dass wir zuerst frühstücken und anschliessend durchs Zentrum von Oakland rasen sollten – das hört sich spannend an.
10.00 Uhr Während wir die wichtigste Mahlzeit des Tages im moteleigenen Restaurant einnehmen, jammert Edelbert in einer Tour und behauptet, dass sein Zimmer sehr hellhörig war. Ich zucke mit den Schultern und entgegne, dass ich wie ein Kleinkind geschlafen habe. Mein Tischnachbar blickt skeptisch drein und erinnert, dass ich gestern auch zu tief ins Glas geschaut habe. Ich zeige dem Professor den Vogel und rechne vor, dass ich in der “Ha-Ra Bar” lediglich sieben Budweiser, vier Bourbon sowie ein Langgetränk (unlöblich: Longdrink) hatte.


Die Golden Gate Brücke wurde 1937 eröffnet

11.00 Uhr Endlich können wir das Gepäck in den geräumigen Chevrolet Tahoe verladen und von dannen preschen. Weil San Franzisko zu den schönsten Städten auf dem nordamerikanischen Kontinent zählt, gleiten wir mit grossen Augen durch das Presidio Naturschutzgebiet und freuen uns, einen Blick auf die rotschimmernde “Golden Gate Bridge” erhaschen zu können. Edelbert ist bestens informiert und vertellt, dass diese Hängebrücke anno 1937 feierlich eröffnet wurde und eine Länge von knapp 3 Kilometern misst – wie aufregend.
12.00 Uhr Pünktlich zur Mittagszeit überqueren wir die kostenpflichtige “Bay Bridge” (löblich: Bucht Brücke), die San Franzisko mit Oakland verbindet. Wir staunen Bauklötze und nehmen uns das Recht heraus, durch den Stadtkern zu gleiten und die wunderschönen Art Déco Gebäude in Augenschein zu nehmen. Zudem höre ich, dass diese Gemeinde im Jahre 1852 gegründet wurde und seitdem stark industriell geprägt ist. Edelbert deutet zum altehrwürdigen FOX Theater und macht mich auf den Umstand aufmerksam, dass sich in dieser Gegend um das Jahr 1900 unzählige Einwanderer niederliessen und Oakland zu einem wichtigen Handelszentrum machten.


Das Fox Theater in Oakland, CA

12.45 Uhr Fünfundvierzig Minuten später kommen wir vor dem Haupttor der “University of California” zum Stehen und sehen uns mit einem uniformierten Wachmann konfrontiert. Der Knecht verwehrt uns die Weiterfahrt und plappert, dass ausschliesslich Studenten und Lehrer das Areal befahren dürfen. Edelbert meldet sich prompt zu Wort und beteuert, dass er viele Jahre an dieser Eliteschule geforscht hat. Bei dieser Gelegenheit zieht mein Bekannter ein Einladungsschreiben aus seiner Jackentasche und unterbreitet, dass er Herrn Tyrus Boetticher besuchen möchte. Nach langem Hin und Her bekommen wir zwei Besucherausweise überreicht und lernen, dass wir das Haupthaus der “Alpha Gamma Omega” Studentenverbindung an der Hearst Avenue finden werden – wie schön.


Wir krusen zum Verbindungshaus der Alpha Gamma Omega Verbindung

13.30 Uhr Endlich erreichen wir unser Ziel und können den Tahoe unweit des Wohnhauses abstellen. Im Anschluss suchen wir Herrn Boetticher Büro im Erdgeschoss auf und schütteln Hände. Der Wissenschaftler präsentiert sich uns in einem weissen Kittel und erzählt, dass er gleich Studenten in seinem Forschungslabor treffen muss. Ferner drückt uns der 63jährige zwei Schlüssel in die Hände und legt uns nahe, die Koffer auf unsere Zimmer im vierten Stock zu bringen.
14.15 Uhr Da das Wohnhaus über keinen Aufzug verfügt, sehen wir uns genötigt, die Koffer nach oben zu schleppen. Währenddessen fällt uns auf, dass in der Wohnanlage nicht nur Universitätsmitarbeiter, sondern auch verlotterte Studenten leben. Naserümpfend stosse ich eine junge Maid mit Arschgeweih beiseite und lasse Edelbert wissen, dass ich mein Zimmer während der Nachtstunden fest verschliessen werde. Prof. Kuhn schlägt in die gleiche Kerbe und setzt mich darüber in Kenntnis, dass es Studenten sehr bunt treiben und sogar zu Drogen greifen – wie unlöblich.


Der Campus der Berkeley Universität

15.15 Uhr Nachdem wir die spartanisch eingerichteten Räumlichkeiten bezogen haben, kehren wir in die Lobby zurück und bedienen uns am Kaffeeautomaten. Danach nehmen wir in der Leseecke platz und beäugen das rege Treiben. Wenig später gesellt sich Herr Boetticher an unsere Seite und sagt, dass nun die Zeit gekommen ist, um einen kleinen Rundgang durch sein Labor zu unternehmen – wie aufregend.
15.45 Uhr Wir folgen dem Heini ins Nachbargebäude und haben das Vergnügen, uns in seinem “Time Lab” (löblich: Zeit Labor) umzusehen. Unterdessen versorgt uns Herr Boetticher mit allerhand Informationen und verrät, dass er sich seit vielen Jahren mit der sogenannten “Zeitdilatation” auseinandersetzt. Da ich mit diesem Begriff gar nichts anfangen kann, hält mir der Wissenschaftler komplizierte Diagramme unter die Nase und bekräftigt, dass schon Albert Einstein die vierdimensionale Raumzeit in seiner Relativitätstheorie nachgewiesen hat.


Wir bestaunen komische Gerätschaften

16.45 Uhr Während Prof. Kuhn und Herr Boetticher in ein Fachgespräch vertieft sind, verlasse ich das Labor und rufe kurzentschlossen im Sonnenscheinstaat an. Als sich Georg nach dem zweiten Tuten meldet, breche ich in lautes Gelächter aus und gebe zu Protokoll, dass Edelberts Bekannter den Verstand verloren hat. Mein Bruder folgt meinen Ausführungen mit grossem Interesse und legt mir nahe, schnellstmöglich das Weite zu suchen.


Wir essen Pizza

17.30 Uhr Als nächstes lotst uns Herr Boetticher in eine Pizzeria und belehrt, dass Studierende und Gäste der Universität in sämtlichen Campus-Restaurants 25% Rabatt einstreichen können. Ich reibe mir die Hände und ordere kurzerhand eine grosse Pizza mit Schinken – schmeckt gar nicht schlecht.
18.15 Uhr Nach dem Nachtmahl vertreten wir uns die Beine und erklimmen bei angenehmen Temperaturen die Hügel oberhalb des Campus. Nebenher bringen wir in Erfahrung, dass hier das “Lawrence Berkeley National Laboratory” zu finden ist, in dem die Regierung wissenschaftliche Forschungen betreibt – das ist ja allerhand.
19.00 Uhr Mit schmerzenden Füssen treffen wir im Wohnhaus ein und wünschen einander ruhige Stunden. Danach ziehe ich mich fix und foxi auf mein Zimmer zurück und genehmige mir zum Abschluss des langen Tages eine Dusche. Anschliessend schlüpfe ich aus den Kleidern und falle erschöpft ins Bett. Gute Nacht.