07.45 Uhr Der 14. Tages des Jahres beginnt und ich fühle mich wie gerädert. Mit letzter Kraft schleppe ich mich auf die Terrasse und gebe Dixon zu verstehen, dass mir die Reisestrapazen immer noch in den Knochen stecken. Trotz aller Widrigkeiten lockere ich meine Glieder und schlage sogar einen Purzelbaum – das macht Spass.
08.15 Uhr Bevor ich die wichtigste Mahlzeit des Tages einnehme, lasse ich die Seele bei einem prima Wirbelbad baumeln. Darüber hinaus blättere ich in der Tageszeitung und entschliesse mich, heute zum Einkaufen zu krusen – immerhin herrscht im Eiskasten gähnende Leere.
09.15 Uhr Weil sogar die Eier ausgegangen sind, laufe ich nach nebenan und frage Frau Pontecorvo, ob sie mir eine Scheibe Brot ausborgen kann. Meine Nachbarin winkt mich zuvorkommend herein und sagt, dass ich selbstverständlich mit ihr frühstücken kann. Ich lasse mich hungrig am Küchentisch nieder und freue mich, eine Portion Rühreier sowie selbstzubereitete Waffeln serviert zu bekommen. Natürlich greife ich spornstreichs zur Gabel und erkläre meiner Bekannten, dass ich den Vormittag nutzen werde, um ein kleines Vermögen im WINN DIXIE zu lassen. Frau Pontecorvo giesst Kaffee in die Tassen und sagt, dass sie mich begleiten wird – wie schön.
10.00 Uhr Nachdem ich mich gestärkt habe, tippe ich Edelberts Handtelefonnummer in die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und rege für den Nachmittag einen Ausflug an. Der schlaue Mann schlägt die Einladung jedoch aus und entgegnet, dass er bei Familie Satesh eingeladen ist – wie schade.
10.30 Uhr Nach der Jause eile ich mit Frau Pontecorvo und Hund Dixon zum Chevrolet und presche mit durchdrehenden Pneus aus dem Wohngebiet. Unterdessen komme ich auf Georgs Grand Cherokee zu sprechen und lobe den Geländewagen über den Schellenkönig. Ferner spiele ich mit der Idee, den Suburban zu veräussern und mir ebenfalls einen PS-strotzenden JEEP anzuschaffen. Meine Begleiterin seufzt laut und meint, dass es ihr leider nicht vergönnt ist, eine Luxuskarosse zu kaufen – papperlapapp.
Meine wertvolle ROLEX
11.00 Uhr Als der Stundenzeiger meines wertvollen Chronographens auf 11 deutet, fahren wir auf den Parkplatz des Supermarkts auf. Ich lasse wegen der grossen Hitze die Klimaanlage laufen und bitte Dixon, während unseres Schoppingvergnügens brav zu sein. Danach schlendern wir in die Markthalle und verfrachten Waren des täglichen Bedarfs in den Einkaufswagen. Nebenbei plaudere ich mit meiner Nachbarin und lasse sie wissen, dass Lebensmittel in Kanada 25 % teurer sind. Frau Pontecorvo wirft eine Tüte Collard Green (löblich: Kohlblätter) aus dem Hause “Nature’s Green” in den Wagen und sagt, dass auch die Mieten im hohen Norden kaum erschwinglich sind – dem ist nichts hinzuzufügen.
Kohl ist sehr gesund
12.00 Uhr An der Kasse angekommen, entdecke ich einen Verkaufsständer mit aktuellen Kompaktscheiben. Ich deute auf das nagelneue Bruce Springstein Album “High Hopes” (löblich: Hohe Erwartungen) und entschliesse mich ganz spontan, ein Exemplar für 12 Dollars zu erwerben.
Bruce Springsteen – High Hopes
12.30 Uhr Zurück am Auto, schiebe ich den Silberling in die Musikanlage und komme während in den Genuss, etliche Kompositionen zu hören. Während Frau Pontecorvo freudig mit dem Fuss wippt, lasse ich kein gutes Haar am Titellied und bin mir ziemlich sicher, dass das 18. Studioalbum des 64jährigen ein Ladenhüter werden wird.
13.15 Uhr Nachdem ich die Einkaufstüten ins Haus geschleppt und mich von meiner Nachbarin verabschiedet habe, strecke ich auf dem Sofa die Beine aus. Ich döse schnell ein und sehe mich im Traum an den Lake Simcoe versetzt.
14.15 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und mache es mir zur Aufgabe, an der frischen Luft Kaffee zu trinken und im Stephen King Roman “Der Anschlag” zu schmökern. Dabei komme ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und denke daran, wie aufregend es wäre, mit einer Zeitmaschine in die 1950er Jahre zu reisen – das wäre eine Gaudi.
15.15 Uhr Im Anschluss gehe ich an die Leine und komme meinen Pflichten als staatlich anerkannter Anschnurseelsorger nach. Ich helfe verzweifelten Eltern aus schier ausweglosen Situationen und rate, der verlotterten Jugend nicht alles durchgehen zu lassen – wo kämen wir denn da hin.
16.15 Uhr Nach sechzig Minuten fahre ich den leistungsstarken Heimrechner mausdrückend herunter und breche trotz schweisstreibender Temperaturen zu einem Spaziergang in Richtung “La Playa” Golfplatz auf. Dummerweise treffe ich auf halbem Weg die vorlauten Nachbarskinder Emily und Francis und vernehme, dass Familie Connor am Wochenende ein Indianerreservat besuchen wird. Ich kneife der frechen Emily in die Wange und ermahne sie, den Rothäuten nicht zu Nahe zu kommen.
17.00 Uhr Zuhause angekommen, mache ich mich in der Küche nützlich und erwärme ein Nudelschichtgericht im Kleinwellenofen. Dazu gibt es einen vitaminreichen Gurkensalat sowie ein süffiges Budweiser – das tut gut.
Hurra dem Hopfen, hurra dem Malz, sie sind des Daseins Würz und Salz
18.00 Uhr Nach dem Abendessen stelle ich die Klimaanlage etwas höher und freue mich auf einen perfekten Fernsehabend. Ich öffne eine Packung Lays Kartoffelchips und fröne in Dixons Gesellschaft den Abendnachrichten sowie der JEOPARDY Ratesendung auf FOX – was kann es schöneres geben.
http://www.youtube.com/watch?v=lVRHFSeWImQ
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit schalte ich auf SHOWTIME um und bin überrascht, eine nagelneue Episode der lustigen Familienserie “Shameless” (löblich: Schamlos) zu sehen. Ich staune Bauklötze und werde Zeuge, wie sich der älteste Sohn der Gallaghers an einer Hochschule anmeldet. Leider währt das Glück nicht lange, denn plötzlich taucht der trinksüchtige Vater Frank auf und sorgt für viel Wirbel – das ist ja allerhand.
21.00 Uhr Nachdem ich zwei Folgen der dritten Staffel verfolgt habe, schalte ich die Glotze ab und begleite Dixon in den Garten. Anschliessend verschliesse ich die Haustüre besonders sicher und lege mich schlafen. Gute Nacht.