4. Dezember 2012 – Besuch im Seniorenwohnheim

07.30 Uhr Der Radiowecker geht an und ich erfahre auf der Frequenz von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land), dass sich auf dem Tamiami Trail ein verheerender Auffahrunfall ereignet hat. Angeblich soll ein Tourist die Kontrolle über seinen Mietwagen verloren haben und frontal in einen Schulbus gekracht sein – wie unlöblich.
08.00 Uhr Trotz der Schreckensmeldungen lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und läute den 338. Tag des Jahres mit dem Frühsport auf der Terrasse ein. Unterdessen tratsche ich mit Frau Booth und höre, dass sich Herr Rhodes in der vergangenen Woche einer Augenoperation unterziehen musste. Ich frage genauer nach und lerne, dass der 91jährige am “grünen Star” litt und per Laseroperation geheilt wurde. Weil Herr Rhodes im vergangenen Jahr ins “Terracina Grand” Seniorenwohnheim umgezogen ist, fasse ich den Entschluss, ihn kurzerhand zu besuchen.
09.30 Uhr Nachdem ich ein reichhaltiges Frühstück auf der fliegenvergitterten Terrasse verzehrt habe, lotse ich Dixon zum Chevrolet und lasse den Wählhebel der Automatikschaltung in der “D” Stellung einrasten. Zu prima Landmusik fahre ich gen Süden davon und erfreue mich an den wärmenden Sonnenstrahlen – was kann es schöneres geben,
10.15 Uhr Nach 15 Meilen parke ich das Auto auf einem Besucherstellplatz und eile mit schnellen Schritten in die luxuriöse Wohnanlage. Wie nicht anders zu erwarten, treffe ich Herrn Rhodes langgetränkschürfend am hauseigenen Schwimmbecken an und bringe in Erfahrung, dass er die Laseroperation gut überstanden hat. Der Mann wischt sich über die nasse Stirn und berichtet, dass er nun wieder glasklar sehen kann – das ist phantastisch.
11.00 Uhr Weil etwas Bewegung nicht schaden kann, unternehmen wir einen kleinen Spaziergang durch die gepflegte Parkanlage. Während Dixon aus dem Schnüffeln gar nicht mehr herauskommt, lässt Herr Rhodes die Laserprozedur in allen Einzelheiten Revue passieren und merkt an, dass es echt Spass macht, die nackten Frauenzimmer im “Juggs” (löblich: Brüste) Herrenmagazin anzuschauen. Ich winke ab und erwidere, dass ich im April 2008 selbst gelasert wurde.
12.00 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, kehren wir mit Hund Dixon in den “Tuscany Room” ein und bedienen uns am reichhaltigen Büfett. Während Herr Rhodes mit einer panierten Hähnchenkeule Vorlieb nimmt, lade ich eine Portion Macaroni mit Käse auf einen Porzellanteller. Anschliessend setzen wir uns an einen Tisch mit Ausblick auf die Grünanlage und beissen kraftvoll zu. Nebenbei tratschen wir ausgiebig und ich bringe für die kommende Woche ein Treffen in meiner kleine Villa ins Spiel. Mein Tischnachbar sagt prompt zu und verspricht, auch seine 84jährige Geliebte Karen mitzubringen – das kann ja heiter werden.
13.00 Uhr Nachdem wir die opulente Mahlzeit mit Schokoladenpudding und Schaumkaffee abgerundet haben, tippe ich auf meine wertvolle ROLEX und wünsche Herrn Rhodes alles Gute. Danach laufe ich zum Auto zurück und rase mit quietschenden Reifen vom Gelände.
13.45 Uhr Zuhause angekommen, schlüpfe ich aus den schweren Kuhjungenstiefel und gönne mir eine kleine Pause im klimatisierten Wohnzimmer – das tut gut.
14.45 Uhr Leider wird die himmlische Ruhe bald durch sehr aggressives Schellen unterbrochen. Zu meiner Freude steht Frau Pontecorvo vor dem Haus und hält mir einen Käsekuchen unter die Nase. Als Kavalier der alten Schule bitte ich die Dame herein und zögere nicht, den Küchentisch mit dem besten Geschirr einzudecken.
15.30 Uhr Während des Kaffeekränzchens berichte ich von meinem Besuch im “Terracina Grand” und gebe vor, dass sich Herr Rhodes in besagter Einrichtung sehr wohl fühlt. Meine Nachbarin giesst Bohnentrunk nach und meint, dass sie es sich nicht vorstellen kann, in einem Wohnheim zu leben. Ich schlage in die gleiche Kerbe und genehmige mir das dritte Stück Kuchen – schmeckt gar nicht schlecht.
16.15 Uhr Als endlich Ruhe und Frieden eingekehrt ist, kümmere ich mich um die Anschnurseelsorge. Pflichtbewusst rufe ich elektronische Depeschen ab und rate verzweifelten Erziehungsberechtigten, der jungen Generation nicht alles durchgehen zu lassen.
17.00 Uhr Zu guter Letzt schalte ich die neuesten Beiträge im beliebten Gästebuch frei und gehe dann von der Leine. Weil mein Magen knurrt, laufe ich in die Küche und heize den Backofen vor. Hund Dixon weicht nicht von meiner Seite und freut sich, als ich eine vitaminreiche TOMBSTONE Fertigpizza auf das Blech verfrachte.
18.15 Uhr Nach dem Abendessen gehe ich zum gemütlichen Teil des Tages über und lasse die Seele vor dem Farbfernseher baumeln. Ich schaue mir die Abendnachrichten auf FOX an und schalte anschliessend auf den Bezahlsender HBO um, wo zur besten Sendezeit die Komödie “The Bounty Hunter” (auf deutsch: Der Kautions-Cop) läuft.
21.00 Uhr Um nicht völlig zu verblöden, beende ich den Fernsehabend und begleite Hund Dixon in den Garten. Im Anschluss reguliere ich die Klimaanlage und ziehe mich ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.

Unser Essen im Terracina Grand Seniorenwohnheim: