23.03.2011
07.30 Uhr Der praktische Reisewecker klingelt und ich kann
es gar nicht mehr erwarten, den Stadtteil Marina del Rey zu besuchen und
dabei George Straits gleichnamiges Lied zu hören. Juchzend hüpfe ich
aus dem Bett und mache mich daran, die Kompaktscheibensammlung "Strait
Out of the Box" aus dem DELSEY Koffer zu holen und eine frisch
gewaschene WRANGLER Tschiens bereitzulegen. Ferner lasse ich Hund Dixon
wissen, dass wir gleich den Pazifischen Ozean sehen und einen
ausgedehnten Gassigang entlang der Brandung unternehmen werden. Der Rüde
spitzt interessiert seine Ohren und macht sich daran, Hill's
Trockenfutter zu fressen und Wasser zu schlabbern - da kommt Freude
auf.
08.00 Uhr Nachdem ich Edelbert angehalten habe, endlich
aufzustehen und in die Gänge zu kommen, verabschiede ich mich in die
Nasszelle. Während ich mit dem iPad hantiere und Nachrichten aus meiner
alter Heimat studiere, schellt plötzlich das Telefon und ich habe
Sandras
Stimme im Ohr. Meine Mieterin legt besonders schlechte Laune an den Tag
und erzählt, dass sie soeben von der Arbeit nach Hause gekommen ist und
ein Schreiben der Stadtverwaltung im Briefkasten vorgefunden hat. Die
Maid kann sich gar nicht mehr beruhigen und zitiert, dass der
Gemeinderat einstimmig beschlossen hat, im Juni den
Waldweg
zu sanieren und neue Wasser- sowie Gasrohre zu verlegen. Ausserdem höre
ich, dass alle Anwohner mit je 2.500 EUROS zur Kasse gebeten werden -
das ist ja allerhand. Ich mache mir sogleich die grössten Sorgen und
beauftrage das Kind, mit Rechtsanwalt Dr. Waldvogel (70) zu telefonieren
und seine Meinung einzuholen. Sandra notiert sich den Namen und
verspricht, mich auf dem Laufenden zu halten.
09.00 Uhr Kopfschüttelnd beende ich das Badevergnügen und laufe
mit Hund Dixon und Edelbert im Schlepptau zum Haupthaus. Auch heute
werden wir von Frau Brandie recht herzlich begrüsst und zu einem
opulenten Frühstück eingeladen. Die Haushälterin fährt frische Früchte,
Rühreier mit Speck sowie mit Käse und Erbsen gefüllte Tortillas auf.
Weil ich Neuem stets aufgeschlossen gegenübertrete, probiere ich die
Spezialität aus Mexiko und komme prompt zu dem Schluss, dass das
gefüllte Fladenbrot ganz hervorragend munden.
09.15 Uhr Während ich es mir schmecken lasse, erzähle ich von
meinem Telefonat mit Sandra und merke an, dass ich genötigt werde, einen
Teil zur Umgestaltung des Waldwegs beizusteuern. Frau Brandie kommt aus
dem Staunen gar nicht mehr heraus und erwidert, dass auch in den
Vereinigten Staaten alles immer teurer wird. Ich zucke mit den Schultern
und stelle klar, dass nicht nur der Bundesrepublik und den
Ländern, sondern auch den Städten und Gemeinden längst das Geld
ausgegangen ist, um wichtige Baumassnahmen in die Tat umzusetzen. Um
wenigstens die grössten Strassenschäden zu beseitigen, nehmen sich die
Penner in den Rathäusern das Recht heraus, redliche Bürger zu schröpfen
und an den Rand des Ruins zu bringen - wo soll das noch hinführen.
09.45 Uhr Nachdem sich mein Pulsschlag normalisiert hat, leere ich den Kaffeebecher und rege an, dass wir nun nach
Marina del Rey
fahren könnten. Frau Brandie zeigt sich einverstanden und schlägt vor,
dass wir standesgemäss im HUMMER nach Nordwesten reisen sollten. Ich
reibe mir die Hände und folge der 23jährigen spornstreichs in die
Garage, um Hund Dixon in das monströse Gefährt zu helfen. Anschliessend
halte ich als Kavalier der alten Schule Frau Cream die Fahrertüre auf
und vermute, dass dieser Panzer in meiner weissblauen Heimat keine
Zulassung bekommen würde.
10.30 Uhr Wenig später gleiten wir durch die Hollywood Hills und
lernen, dass in dieser Gegend nicht nur zahlreiche Schauspieler von
internationalem Rang, sondern auch allerhand Musikgrössen leben. Unsere
Begleiterin deutet nach Rechts und behauptet, dass hier Paul Anka wohnt -
das ist phantastisch.
11.00 Uhr Just als wir den Santa Monica Boulevard erreichen,
versorgt uns unsere Gastgeberin mit weiteren Fakten und informiert, dass
sich diese Strasse durch ganz Los Angeles schlängelt und am Meer endet.
Bei dieser Gelegenheit gebe ich den Scherryl Crow Schlag "All I Wanna
Do" (löblich: Alles was ich tun möchte) zum Besten und singe "all I
wanna do is have some fun, until the sun comes up over Santa Monica
Boulevard"
- da kommt Freude auf.
11.30 Uhr Nach dreissig Minuten erreichen wir unser Ziel und ich
schiebe die George Strait Kompaktscheibe in die Musikanlage. Während
der aus Texas stammende Sangeskünstler "Marina del Rey" anstimmt, lasse
ich prüfende Blicke über das nicht enden wollende Blau des Pazifiks und
die im Hafen vor Anker liegenden Jachten schweifen. Edelbert ist
ebenfalls begeistert und sagt, dass man solch einen Ausblick nicht alle
Tage zu Gesicht bekommt - wie wahr.
12.00 Uhr Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, nehme ich Hund
Dixon an die Leine und schlendere mit meinen Bekannten zum "Venice
Fishing Pier" (löblich: Venice Fischerei Steg), wo sich unzählige
Freizeitangler eingefunden haben und auf einen Fang hoffen.
12.30 Uhr Nachdem wir uns die Füsse vertreten und mit Anglern
geplaudert haben, kehren wir ins "Sidewalk Cafe" ein und nehmen hungrig
auf der gutbesuchten Sonnenterrasse Platz. Ein zuvorkommender Kellner
lässt nicht lange auf sich warten und serviert durstlöschendes
Quellwasser sowie die Speisekarten. Weil mein Magen knurrt, bestelle ich
eine Portion Calamari (löblich: panierte Tintenfische) mit scharfen
Potato Wedges (löblich: Kartoffelspalten) sowie
ein süffiges Budweiser. Prof. Kuhn entscheidet sich ebenfalls für eine
maritime Mahlzeit und ist überrascht, als Frau Brandie lediglich einen
kleinen "House Garden Salad" (löblich: Hausgartensalat) ordert.
13.00 Uhr Während die angehende Schauspielerin fastet, um ihr
Idealgewicht zu halten, greife ich zum Besteck und beisse kraftvoll zu.
Unterdessen plaudere ich mit meinen Tischnachbarn und erfahre, dass Frau
Creams gestriges Vorsprechen gar nicht gut gelaufen ist. Die kleine
Frau blickt traurig drein und berichtet, dass sie aus einem Manuskript
vorlesen musste und kläglich versagt hat. Des weiteren kündigt die Maid
an, sich nicht unterkriegen zu lassen und ihre nächste Schanze am
Schopfe zu packen - das soll mir auch Recht sein.
13.30 Uhr Nachdem wir uns gestärkt haben, setzen wir unseren
Strandspaziergang fort und kommen an einer Horde muskelbepackter Männer
vorbei, die dem
Fussballsport frönen. Ich bleibe lachend stehen und erkläre Edelbert, dass die Amerikaner bei den
Olympischen Spielen
zwar Goldmedaillen am laufenden Band gewinnen, aber vom Fussball keine
Ahnung haben. Der Professor stimmt uneingeschränkt zu und sagt, dass wir
nach unserer Rückkehr in den Sonnenscheinstaat einen Rentnermannschaft
ins Leben rufen sollten - das hätte gerade noch gefehlt.
14.15 Uhr Weil uns der Schweiss in Bächen von der Stirn rinnt,
fassen wir den Entschluss, kehrt zu machen und die Heimfahrt nach
Hollywood anzutreten. Frau Brandie lässt den PS-strotzenden Motor des
HUMMERS aufheulen und bringt uns in Windeseile zum Santa Monica
Boulevard.
14.45 Uhr Als sich der HOLLYWOOD Schriftzug am Horizont auftut,
fährt Frau Cream plötzlich in Richtung "Downtown" (löblich: Innenstadt)
weiter und sagt, dass sie uns nun das zehnthöchste Gebäude der USA
zeigen wird. In freudiger Erwartung richten wir unsere Blicke in den
Himmel und freuen uns, als wir nach einiger Zeit den "U.S. Bank Tower"
(löblich: Amerikanischer Bank Turm) zu Gesicht bekommen. Edelbert
schlägt seinen Reiseführer auf und zitiert, dass der Wolkenkratzer 310
Meter misst und eines der wenigen Hochhäuser der Millionenstadt ist, die
gegen Erdbeben bis zu einer Stärke von 8,3 auf der Richter-Skala
ausgelegt sind - das ist phantastisch.
15.30 Uhr Nachdem wir die erst kürzlich eröffnete "Los Angeles
Union Station", dem Hauptbahnhof der Stadt, passiert haben, fährt
unsere Bekannte am "Griffith Park" links ab und kutschiert uns an idyllisch gelegenen Villen vorbei.
16.00 Uhr Ein schöner Ausflug neigt sich seinem Ende zu und wir
parken den HUMMER fachmännisch in Herrn Greenbergs Garage. Da ich mich
vor Müdigkeit kaum mehr auf den Beinen halten kann, bedanke ich mich und
verabschiede mich ins Gästehaus. Während sich Edelbert das Apple
(löblich: Apfel) iPad ausborgt, um
elektronische Briefe an Freunde zu verfassen, strecke ich auf dem bequemen Bett die Füsse aus und döse bald ein.
17.00 Uhr Ich werde durch das scharfe Bellen meines Hundes
geweckt und erkenne, dass es langsam Zeit wird, dem Mischling eine
Mahlzeit vorzusetzen. Selbstverständlich komme ich augenblicklich in die
Gänge und fülle die beiden Näpfe mit frischem H²O und Hill's
Trockenfutter auf. Im Anschluss sehe ich im Nebenzimmer nach dem Rechten
und werde Zeuge, wie sich Edelbert in Schale wirft und sich die
Haare
kämmt. Der schlaue Mann schnippt mit den Fingern und erzählt, dass er
gerade mit unserer Gastgeberin im Schwimmbecken geplanscht hat. Zudem
erhalte ich die Auskunft, dass uns Herr Greenberg in einer halben Stunde
zum Lunch (unlöblich: Abendessen) erwartet. Um mich nicht in Tschiens
und Hawaiihemd an den Tisch setzen zu müssen, eile ich mit schnellen
Schritten ins Schlafzimmer, um einen hellblauen Sommeranzug anzuziehen
und etwas Luxusduft aus dem Hause RP LOB aufzusprühen.
17.30 Uhr Pünktlich auf die Minute klingeln wir am Haupthaus und
werden vom Hausherren herzlichst begrüsst. Herr Greenberg führt uns
lächelnd ins holzvertäfelte Esszimmer und macht uns mit einem Ehepaar
aus der Nachbarschaft bekannt. Während wir Hände schütteln und mit den
Schaumweinkelchen anstossen, redet Herr Greenberg ohne Punkt und Komma
auf uns ein und sagt, dass Herr und Frau Strope (55, 49) ebenfalls im
Filmgeschäft aktiv sind und Dokumentarfilme finanzieren - wie
aufregend.
18.00 Uhr Als wir uns an den Tisch setzen und Kürbiscremesuppe
kosten, wende ich mich Herrn Strope zu und gebe zu Protokoll, dass
ich ein
prima Thema für einen abendfüllenden Dokumentarfilm habe. Der Finanzier
gibt sich interessiert und ich erzähle, dass man mein aufregendes Leben
verfilmen könnte. Um den Leuten einen kleinen Einblick zu gewähren,
berichte ich aus dem Nähkästchen und unterbreite, dass ich in Florida
lebe und mich seit vielen Jahren für die Löblichkeit einsetze. Ferner
bringe ich meine Petersilienzucht ins Spiel und gebe bekannt, dass ich
selbst die Hauptrolle übernehmen könnte. Herr Strope legt seine Stirn in
Falten und kommt zu dem Schluss, dass man mit diesem Format keinen
Blumentopf gewinnen kann - wie schade.
18.45 Uhr Nach der köstlichen Vorspeise fährt die Haushälterin
vitaminreichen Rindfleischauflauf mit Kartoffelbrei und Trüffeln auf.
Ich schnalze mit der Zunge und trinke dazu einen edlen Rotwein aus
Frankreich. Herr Strope plappert während des Abendessens wirres Zeugs
und sagt, dass er in Kürze nach Frankfurt ausfliegen wird, um sich mit
einem Investor zu treffen. Herr Greenberg bricht in schallendes
Gelächter aus und meint, dass hier ohne das "verrückte deutsche Geld"
(unlöblich: Stupid German Money) schon längst die Lichter ausgegangen
wären. Auf Anfrage erfahren wir weiter, dass viele amerikanische
Filmfirmen auf Zuschüsse der "deutschen Filmförderung" zurückgreifen und
Projekte finanzieren - das ist ja allerhand.
19.30 Uhr Nach einem Eisbecher mit Sahne muss ich leider die
Segel streichen. Während Edelbert den netten Leute noch etwas
Gesellschaft leistet, kehre ich mit Hund Dixon zum Gästehaus zurück.
20.00 Uhr Nachdem ich mich kalt abgeduscht habe, schlüpfe ich in
den Schlafanzug und lege mich ins Bett, um noch etwas fern zu sehen.
Unter anderem folge ich den Nachrichten auf FOX und mache mich über das
Atom-Unglück in Japan und den blutigen Bürgerkrieg in Libyen schlau.
Danach entspanne ich mich beim
sehenswerten Kriegsfilm "Flat Top" (auf deutsch: Sturmgeschwader Komet) aus dem Jahre 1952 - da kommt Spannung auf.
21.30 Uhr Nach neunzigminütiger Spitzenunterhaltung betätige ich
den "OFF" (löblich: AUS) Knopf auf der Fernbedienung und rufe im
Ferienhaus meines Bruders in Naples an. Georg meldet sich gähnend und
freut sich, Neuigkeiten aus L.A zu hören. Ich berichte von unserem
Ausflug nach "Marina del Rey" und erzähle, dass man den Hafen gesehen
haben muss. Mein Bruder schnalzt mit der Zunge und entgegnet, dass ich
nicht mehr der Jüngste bin und es nicht übertreiben sollte -
papperlapapp.
22.00 Uhr Nachdem ich das Telefonat beendet habe, lösche ich das
Licht und ziehe mir die Bettdecke bis zur Nasenspitze hoch. Gute Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 23.03.2011
©
Reinhard Pfaffenberg |
|