01.04.2011
07.30 Uhr Ein neuer Monat fängt an und ich erinnere mich,
dass man am 1. April Freunde und Bekannten auf den Arm nehmen darf. Um
die jahrhundertealte Tradition nicht in Vergessenheit geraten zu lassen,
nehme ich das neue NOKIA Schnurlostelefon zur Hand und tippe kurzerhand
James
Rufnummer ins Tastenfeld. Ich treffe meinen löblichen Neffen in
Nashville an und erfahre, dass er immer noch im Studio zu tun hat und an
seiner nagelneuen Kompaktscheibe feilt. Ganz nebenbei flunkere ich,
dass ich gestern das Bellagio Casino um einige Millionen erleichtert
habe. Der fleissige Bube fällt mir jedoch ins Wort und erwidert, dass er
sich eine 19jährige Freundin angelacht hat und mich in der kommenden
Woche in Naples besuchen wird. Als ich James schimpfen möchte, bricht er
in schallendes Gelächter aus und behauptet, dass er der Meister der
Aprilscherze ist - wie unlöblich. Ich seufze laut und erwidere, dass es
sich nicht gehört, löbliche Rentner zu erschrecken.
08.00 Uhr Nachdem ich James von meinen Erlebnissen an der
Westküste erzählt habe, beende ich das kostspielige Telefonat und nehme
ein Vollbad mit Schaum. Während ich mit dem Schwamm hantiere, lausche
ich dem Internetzradioprogramm des Bayerischen Rundfunks und bringe
heraus, dass Detlef Rohwedder, seines Zeichens ehemaliger Scheff der
Treuhandanstalt in Berlin, heute vor 20 Jahren von der Roten Armee
Fraktion erschossen wurde. Die Schreckenstat jährt sich heute zum
zwanzigsten Mal und war der letzte Mord, den linksradikale Terroristen
in Deutschland verübt haben. Nach einem Sprengstoffanschlag auf die JVA
Weiterstadt im März 1993, nahm die Polizei am 27. Juni 1993 in Bad
Kleinen die Rädelsführerin der sogenannten "dritten RAF-Generation"
Birgit Hogefeld fest und erschoss Wolfgang Grams. Fünf Jahre später ging
bei der Presseagentur Reuters ein Brief ein, in dem die RAF ihre
Selbstauflösung verkündete.
09.00 Uhr Als ich aus der Wanne steige und in eine WRANGLER
Tschiens schlüpfe, klingelt das Telefon besonders laut und ich habe
Edelberts Stimme im Ohr. Mein Bekannter kommt auf unsere heutigen
Tagesaktivitäten zu sprechen und sagt, dass wir vor der Abreise
unbedingt den zwanzig Meilen westlich liegenden
"Red Rock Canyon" besuchen sollten. Ich schlage in die gleiche Kerbe und verspreche, sogleich meine
Kuhjungenstiefel anzuziehen und nach unten zu kommen. Der Professor ist begeistert und sagt, dass er im "Cafe Bellagio" auf mich warten wird
- wie schön.
09.30 Uhr Wenig später betrete ich den Frühstücksraum und bin
überrascht, meine Reisebegleitung cowboybehütet am Büfett vorzufinden.
Edelbert begrüsst mich und sagt, dass er zeitig aufgestanden ist und
sich in einer Butik nicht nur eine neue LEVIS Tschiens, sondern auch
eine repräsentative Kopfbedeckung und ein Designerhemd gekauft hat.
HEUREKA - solchen Luxus kann ich mir beim besten Willen nicht leisten.
10.00 Uhr Während es sich Hund Dixon unter dem Tisch bequem
macht und sich die Pfoten leckt, beisse ich kraftvoll zu und löchere
Edelbert mit Fragen bezüglich unseres heutigen Ausflugsziels. Der
schlaue Mann steht mir Rede und Antwort und unterbreitet, dass der "Red
Rock Canyon" inmitten der Hochwüste Nevadas liegt und wegen seiner
bezaubernden Schönheit jährlich Hunderttausende Touristen aus allen
Teilen der Welt anlockt. Mein Tischnachbar plappert ohne Punkt und Komma
und kündigt grossspurig an, dass wir dem Vierbeiner etwas Auslauf
ermöglichen und nebenbei seltene Pflanzen sehen werden - das ist
phantastisch.
10.30 Uhr Ausgestattet mit zwei Flaschen Wasser und einer
Wegzehrung, eilen wir in die Parkgarage und freuen uns, in das geräumige
"Buick Lucerne" Mietauto einsteigen zu können. Edelbert gibt sich
erleichtert und erzählt, dass er während der Nacht von meinem JEEP
geträumt hat, der am
7. Oktober 2010 in der Tiefgarage des renommierten "Sheraton Fisherman's Wharf Hotels" in San Franzisko explodiert ist
- wie unlöblich.
11.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 11
zugeht, verlassen wir Las Vegas und krusen auf dem Highway 159 gen
Nordwesten. Während Hund Dixon in regelmässigen Abständen bellt, schalte
ich die Scheibenwischeranlage ein und erkläre, dass man bei diesem
Sandsturm nicht einmal einen Hund vor die Türe jagt. Edelbert beruhigt
mich redlichst und sichert zu, dass wir gleich eine
Panoramastrasse erreichen und einen einzigartigen Ausblick auf die roten Sandsteinformationen haben werden
- wie schön.
11.30 Uhr Nach knapp zwanzig Meilen komme ich mit quietschenden
Bremsen vor einer Schranke zum Stehen und lerne, dass der "Red Rock
Canyon Scenic Drive" (löblich: Rote Felsen Schlucht Panoramastrasse)
mautpflichtig ist. Obgleich ich dem Mann an der Absperrung klarmache,
dass wir arme Rentner sind, lässt er nicht mit sich verhandelt und
antwortet, dass wir wie alle anderen 5 Dollars zahlen müssen - das ist
wieder typisch. Missmutig krame ich etwas Kleingeld aus meiner
Hosentasche und bezahle den Betrag in Bar. Ich fahre verärgert weiter
und habe das einmalige Vergnügen, durch ein wunderschönes
Naturschutzgebiet zu gleiten, das von hohen Bergen und roten
Sandsteinformationen gesäumt ist. HEUREKA - selten habe ich etwas
schöneres gesehen. Weil Hund Dixon in einer Tour hechelt, reguliere ich
die Klimaanlage und lasse den Vierbeiner von meiner Wasserflasche
nippen.
12.15 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, steuere
ich einen Picknickplatz an und parke den BUICK gekonnt neben einem
überdimensionalen Wohnmobil aus Maine. Während ich prüfende Blicke in
das weite Tal werfe und mir vorstelle, wie hier einst Cowboys auf
Pferden unterwegs waren, klopft mir plötzlich der Besitzer des
Wohnmobils auf die Schulter und stellt sich als Herr Bartell (55) aus
Portland vor. Ich komme prompt mit dem Heini ins Gespräch und höre, dass
er seinen Lebenstraum in die Tat umsetzt und mit einem Strassenkreuzer
quer durchs Land fährt. Herr Bartell deutet in Richtung Osten und
erklärt, dass er morgen in Las Vegas Station machen und einschlägige
Oben-Ohne-Tanzlokale besuchen wird - wie unlöblich.
13.00 Uhr Nachdem wir das Panorama abgelichtet und belegte Brote
verzehrt haben, wünschen wir dem Tourist viel Vergnügen und setzten die
Reise fort. Edelbert übernimmt nun das Steuer und bringt mich sicher
zum naheliegenden "Red Rock Canyon Visitor Center" (löblich: Rote Felsen
Schlucht Besucher Zentrum), wo wir uns ein kleines Museum anschauen
können. Neugierig nehme ich die Schautafeln in Augenschein und bringe in
Erfahrung, dass dieses Gebirgstal vor 400 Millionen Jahren aus einem
Meeresbett hervorging. Ihren Namen verdankt die Schlucht dem
paläozoischen Kaibab Kalkstein und den aus der Steinzeit stammenden
Moenkopi Formationen, die seit Urzeiten "Red Rocks" genannt werden - wie
aufregend.
13.30 Uhr Im Anschluss nehmen wir Hund Dixon an die Leine und
folgen einem ausgeschilderten Wanderweg, der uns bei angenehmen 74°F
(23°C) auf einen Hügel führt. Obwohl es gar nicht heiss ist, komme ich
schon nach wenigen Metern ins Schwitzen und muss mir mit dem Handrücken
über die nasse Stirn wischen. HEUREKA - diesen Stress hält nicht einmal
der stärkste Rentner aus.
14.15 Uhr Nach fünfundvierzig Minuten stehen wir endlich wieder
am Auto und fassen den Entschluss, nach Las Vegas zurückzufahren und das
bellagioeigene Schwimmbad zu besuchen. Edelbert schnalzt mit der Zunge
und schlägt vor, dass wir den Vierbeiner währenddessen in die Obhut
eines Dog-Sitter (löblich: Hundeaufpasser) geben könnten - das ist gar
keine schlechte Idee. Ich lasse den Wählhebel der Automatikschaltung in
der "D" Stellung einrasten und fahre zügig vom Parkplatz.
15.00 Uhr Nach neunzehn Meilen passieren wir den "McCarran
International Airport" und können auf dem "Las Vegas Boulevard" an den
einladenden Casinos vorbei fahren, die Jahr für Jahr Millionen Touristen
beherbergen. Bei dieser Gelegenheit kommt mein Beifahrer auf die vielen
Prominenten zu sprechen, die in Las Vegas leben und verkündet, dass
unter anderem auch Stefanie Graf mit ihrer Familie hier wohnt - das ist
phantastisch.
15.30 Uhr Im
Bellagio
angekommen, schlendern wir zum Empfang und bitte den Anzugträger hinter
dem Tresen, einen Hundehüter auf mein Zimmer im siebten Stock zu
schicken. Danach fahren wir mit dem Lift nach oben und sehen uns mit
einer älteren Dame (66) konfrontiert, die sich uns als
Hotelmitarbeiterin vorstellt. Miss Ellie streicht meinem Haustier
lächelnd über das Haupt und lädt es zu einem Spaziergang durch den
Botanischen Garten ein. Der Rüde wirft mir skeptische Blicke zu und
erklärt sich letztendlich doch bereit, der alten Schachtel brav zu
folgen - wie schön.
16.15 Uhr Nachdem ich eine modische Bermudahose und einen
Bademantel mit BELLAGIO Aufdruck angezogen habe, klopfe ich an Edelberts
Zimmer und stelle klar, dass wir uns nun im "Spa" vergnügen können. Der
Professor lässt sich nicht zweimal bitten und präsentiert einen
aufblasbaren Ball, den er heute Morgen in einem Geschäft für kleines
Geld gekauft hat - da kommt Freude auf.
16.45 Uhr Lachend betreten wir das im japanischen Stil gehaltene
Innenschwimmbad und bemerken, dass wir nicht die einzigen Gäste sind,
die sich entspannen wollen. Wir stürzen uns ins kühle Nass und machen
uns daran, mit dem Ball zu werfen und für beste Stimmung zu sorgen.
Leider kommt nach wenigen Augenblicken der Bademeister ans Becken und
bittet uns, etwas leiser zu sein uns auf die anderen Menschen Rücksicht
zu nehmen - das ist wieder typisch. Trotz allem lassen wir uns die gute
Laune nicht verderben und üben uns im Rückenschwimmen.
17.30 Uhr Nach einem Abstecher in ein sprudelndes Jacuzzi,
werfen wir uns die Bademäntel über und kehren auf unsere Zimmer zurück.
Bevor ich mich in Schale werfe, kontaktiere ich Mrs. Ellie und lote aus,
ob es Dixon gut geht. Die erfahrene Hundepflegerin beruhigt mich
redlichst und berichtet, dass mein Haustier just im Moment mit einer
reinrassigen Setter-Hündin spielt und bald zu Abend essen wird. Ich gebe
mich erleichtert und beauftrage die Dame, meinen Liebling spätestens um
21 Uhr zurückzubringen. Immerhin will ich zeitig ins Bett gehen und
mich richtig ausschlafen.
18.15 Uhr Nachdem ich meinen Smoking angezogen und Edelbert
abgeholt habe, lassen wir den Tag bei einem extraordinären Abendessen im
Feinschmeckerrestaurant
"Michael Mina"
ausklingen. Zur Feier des Tages ordern wir beim Sommelier Joe Phillips
eine Flasche sündteuren "Sartori di Verona Amarone della Valpolicella"
aus Venetien und entscheiden uns zudem für ein Drei-Gänge-Menü,
bestehend aus einer delikaten Tofu Suppe, Lachsmedaillons an Kartoffel-
Fenchelgratin sowie vitaminreiches Schokoladeneis mit Früchten.
18.45 Uhr Just als ich meine ausgetrocknete Kehle öle, deutet
Edelbert in Richtung des Getränkeausschanks und macht mich darauf
aufmerksam, dass dieses Restaurant mit einem "Michelin" Stern
ausgezeichnet wurde. Ich nicke eifrig und entgegne, dass der Scheffkoch
ein wahrer Artist an der Bratpfanne sein muss. HEUREKA - das
Fischgericht schmeckt wirklich ganz hervorragend.
19.45 Uhr Um 260 Dollars erleichtert, verlassen wir das Gasthaus
und spazieren ein letztes Mal durch das Casino. Während Edelbert
standhaft bleibt und keine Münze in die blinkenden Maschinen wirft, kann
ich nicht wiederstehen und verspüre den Drang, Fortuna herauszufordern.
Leider ist mir das Glück nicht hold und es erscheinen im Anzeigefenster
des "einarmigen Banditen" lediglich drei verschiedene Symbole.
Achselzuckend wende ich mich dem Professor zu und gebe bekannt, dass
mein
Grossgewinn vor acht Jahren wohl ein einmaliger Glückstreffer war.
20.45 Uhr Kurz vor dem Neunuhrläuten bin ich wieder im Zimmer
und warte ungeduldig auf Dixon. Mrs. Ellie lässt nicht lange auf sich
warten und bringt den Hund pünktlich zurück. Die nette Dame streckt mir
die Hand entgegen und sagt, dass sie den Mischling gebürstet und ihm
ausserdem die Ohren gereinigt hat. Natürlich zeige ich mich erkenntlich
und stecke der kleinen Frau als Aufmerksamkeit eine druckfrische 10
Dollar Note zu. Danach werfe ich die Pforte ins Schloss und genehmige
mir ein kühles Bier aus der Minibar. Nebenher schaue ich in Dixons
Gesellschaft fern und stosse auf dem Film- und Serienkanal AMC auf den
sehenswerten Krimi
"Thunderbolt and Lightfoot" (auf deutsch: Die Letzten beissen die
Hunde). Ich strecke genüsslich die Beine aus und werde Zeuge, wie zwei
abgehalfterte Ganoven die Beute eines Raubüberfalls suchen und in
haarsträubende Abenteuer verwickelt werden - da kommt Spannung auf.
22.00 Uhr Als der Abspann über den Flachbildschirm flimmert,
betätige ich den "OFF" (löblich: AUS) Knopf und freue mich, morgen
Nachmittag nach Florida zurückzukehren. Gute Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 01.04.2011
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Reinhard Pfaffenberg |
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