22.03.2011
07.30 Uhr Ein neuer Tag beginnt und ich schlage voller
Vorfreude die Satinbettdecke zur Seite. Hund Dixon stürzt sich
spornstreichs auf mich und kann es gar nicht mehr erwarten, in den
Garten hinausgelassen zu werden.
08.00 Uhr Während der Rüde über den gepflegten englischen Rasen
galoppiert und kreischende Vögel verjagt, klopfe ich an Edelberts
Zimmertüre und gebe zu Protokoll, dass es heute viel zu erleben gibt.
Der schlaue Mann schlägt in die gleiche Kerbe und erwidert, dass wir
nach dem Frühstück das weltbekannte
"Los Angeles County Museum of Art"
(löblich: Los Angeles Landkreismuseum der Kunst) besichtigen und
ausserdem Herrn Greenberg im Studio besuchen werden. Um nicht noch mehr
Zeit zu vertrödeln, eile ich in die Nasszelle und entspanne mich bei
einem Vollbad mit Schaum. Währenddessen rufe ich mit dem NOKIA
Handtelefon in der weissblauen Heimat an.
Amanda
freut sich über den Anruf und möchte wissen, wie es mir in Los Angeles
ergeht. Ich lasse die Maid wissen, dass ich das grosse Glück habe, in
Brandie Creams luxuriöser Villa eine prima Unterkunft gefunden zu haben.
Trotz aller Annehmlichkeiten gebe ich mich skeptisch und zeige auf,
dass Los Angeles ein unüberschaubarer Moloch ist, in dem knapp 13
Millionen Menschen auf engstem Raum zusammenleben. Amanda stimmt
uneingeschränkt zu und meint, dass wir ein Auto mieten und die Küste
besuchen sollten. Ich falle James Ehefrau prompt ins Wort und kläre sie
über die Tatsache auf, dass Frau Creams Verlobter mehrere Luxuskarossen
in der Garage hortet.
09.00 Uhr Nachdem wir ausgiebig geplaudert haben, lege ich das Handtelefon
weg und mache es mir zur Aufgabe, aus der Badewanne zu steigen und in
bequeme Freizeitkleidung zu schlüpfen. Danach klopfe ich erneut an die
Verbindungstüre und freue mich, Edelbert abreisefertig anzutreffen.
Bevor wir uns ins Abenteuer stürzen, suchen wir das Haupthaus auf und
werden Zeugen, wie Frau Cream ihrem Angetrauten einen Kuss auf die Wange
drückt. Der millionenschwere Filmproduzent winkt uns freundlich zu und
sagt, dass er leider unter Zeitdruck steht und ins Büro fahren muss. Wir
erwidern den Gruss und versprechen, am Nachmittag vorbeizukommen und
ihm einen Besuch abzustatten. Herr Greenberg ist erfreut und sagt, dass
er uns persönlich über das Studiogelände führen wird
- wie aufregend.
09.30 Uhr Als der Filmschaffende in seinem dunkelgrauen Mercedes
davon fährt, begrüssen wir Frau Brandie und leisten ihr beim
wichtigsten Mahl des Tages Gesellschaft. Unsere Gastgeberin gibt sich
ebenfalls kurz angebunden und erzählt, dass sie vor dreissig Minuten
einen Anruf ihres Menetschers erhalten hat und kurzfristig an einem
Vorsprechen teilnehmen muss. Weil ich über alles informiert sein will,
löchere ich die 23jährige mit Fragen und erhalte die Auskunft, dass
Steven Spielberg das Leben des "Wikileaks" Gründers Julian Assange
verfilmen möchte. Ferner hören wir, dass die verantwortlichen
Produzenten händeringend nach einer jungen Darstellerin suchen, die eine
Mitstreiterin des Australiers mimen soll.
10.00 Uhr Nach einer Portion Rühreier und gerösteten
Weissbrotscheiben (unlöblich: Toast) mit Himbeermarmelade, bitten wir
die angehende Schauspielerin, uns die Schlüssel für ein Auto
auszuborgen. Fräulein Cream legt ihren Zeigefinger an die Unterlippe und
sagt, dass wir gerne den CHRYSLER 200 nehmen können - das kann uns nur
Recht sein.
10.30 Uhr Just als der Minutenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf
halb Elf deutet, hüpfen wir in den 35.000 Dollar teuren Luxuswagen und
lassen den Wählhebel der Automatikschaltung in die "D" Stellung
einrasten. Edelbert ist von der Ausstattung sichtlich angetan und
behauptet, dass er sich vorstellen könnte, seinen JEEP wegzugeben und
einen Chrysler zu kaufen. Um nicht in ein langweiliges Gespräch über
Autos verwickelt zu werden, nehme ich das serienmässig eingebaute
Navigationssystem in Betrieb und wähle als Zieladresse den Wilshire
Boulevard aus.
11.00 Uhr Während Hund Dixon den Kopf aus dem Fenster streckt,
fahre ich gen Süden davon und bin überrascht, an der nächsten Kreuzung
einen ROLLS ROYCE stehen zu sehen. Ich schnalze demonstrativ mit der
Zunge und gebe vor, dass der Fahrzeughalter bestimmt im Schaugeschäft
(unlöblich: Showbiz) arbeitet. Der Professor knipst ein Photo und
flüstert, dass der Ehemann von Zsa-Zsa
Gabor am Steuer sitzt. Ich verrenke mir den Hals und komme beim Blick
ins Fahrzeuginnere zu dem Schluss, dass Frédéric von Anhalt viel grösser
ist und ausserdem keinen Vollbad trägt.
11.15 Uhr Nach zehn Meilen parke ich den PS-strotzenden Chrysler
direkt vor dem Museumsbau neben einem Wasserhydranten. Als wir
aussteigen möchten, kommt ein vorlauter Polizeibeamter daher und fordert
uns mit Nachdruck auf, das Auto in einer der umliegenden Tiefgaragen
abzustellen. Obgleich ich keinen Goldesel im Vorgarten stehen habe,
nehme ich mir den Ratschlag zu Herzen und ziehe es vor, das KFZ
schnellstmöglich umzuparken. Immerhin bin ich ein Rentner mit Prinzipien
und will nicht mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
11.30 Uhr Nachdem ich 5 Dollars für ein Parkbillet ausgegeben
habe, laufen wir zum Museum und sehen uns genötigt, weitere 30 Dollars
Eintritt zu entrichten. Missmutig krame ich meine
praktische Meisterkarte (unlöblich: Mastercard) aus der Hosentasche und lade meinen Begleiter kurzerhand ein.
11.45 Uhr Mit Blindenhund Dixon im Schlepptau gehen wir durch
die lichtdurchfluteten Räumlichkeiten und haben das Vergnügen,
Photografien von Elisabeth Taylor zu sehen. Ich nehme eine
Informationstafel in Augenschein und lerne, dass besagte Schauspielerin
Anno 1976 den Iran besucht hat und vom Firooz Zahedi abgelichtet wurde -
wie langweilig. Während Edelbert Bauklötze staunt, gähne ich ausgiebig
und merke an, dass ich gleich einschlafe. Der schlaue Mann will jedoch
nicht hören und erklärt, dass er selten schönere Portraits gesehen hat.
12.45 Uhr Kurz nach der Mittagszeit finden wir uns im
Obergeschoss wieder und sehen uns Kunstwerke bekannter amerikanischer
Maler an. Unter anderem verweile ich einige Minuten vor einem
Landschaftsbild des im Jahre 1871 in Philadelphia, PA geborenen
Künstlers Granville Redmond und erfahre, dass der gute Mann die
Stilrichtung des "Tonalismus" salonfähig gemacht hat. Edelbert ist
bestens informiert und erklärt, dass nordamerikanische Künstler um 1900
damit begannen, Landschaften in einem übergreifende Ton farbiger
Atmosphäre oder in Dunst zu malen - wie aufregend.
13.30 Uhr Nachdem wir zerbrochene Gipskübel aus China bestaunt
und Schwarz-Weiss Photos aus längst vergangenen Epochen begutachtet
haben, tippe ich auf meine Schweizer Armbanduhr und erinnere daran, dass
wir Herrn Greenberg besuchen müssen. Edelbert reibt sich die Hände und
schlägt vor, dass wir vorher in die museumseigene Kantine einkehren und
uns stärken sollten
- welch gute Idee. Plaudernd steigen wir in den Lift ein und
fahren ruckzuck ins Parterre, um die Wirtschaft am Ausgang aufzusuchen.
Ein netter Kellner mit Dreitagebart heisst uns herzlich Willkommen und
führt uns zu einem kleinen Tisch in direkter Nachbarschaft eines
Aquariums. Ausserdem versorgt uns der Knecht mit den Speisekarten und
einer Schüssel Wasser für mein braves Haustier. Ich blättere hungrig in
der Karte und wähle einen Cheeseburger (löblich: Käseburger) mit
Kartoffelstäben. Edelbert begnügt sich mit einem gemischten Salat und
meint, dass er grossen Wert auf die schlanke Linie legt und in Zukunft
auf kalorienreiche Kost verzichten wird. HEUREKA - diesen Unsinn muss
man
gehört haben.
14.15 Uhr Redlichst gestärkt spazieren wir zum Auto und machen
uns daran, aus dem Parkhaus zu fahren und durch den Stadtteil "Litte
Ethiopia" zu krusen. Danach folgen wir dem West Pico Boulevard und
kommen nach drei Meilen vor dem verschlossenen Tor der
"20th Century Fox Studios"
zum Halten. Ich winke den Pförtner heran und mache ihm gestikulierend
klar, dass wir einen Termin bei Herrn Greenberg haben. Der Kerl steckt
die Nase in seine Unterlagen und fordert uns auf, der grünen
Strassenmarkierung zum "FOX Network Center" zu folgen
- wie schön.
14.30 Uhr Mit einem lustigen Lied auf den Lippen beschleunige
ich das KFZ auf 15 Meilen pro Stunde und passiere unzählige Hallen, in
denen Serienerfolge wie "How I Met Your Mother" (löblich: Wie ich Deine
Mutter kennen lernte), "Bones" (löblich: Knochen) oder "Prison Break"
(löblich: Gefängnisausbruch) entstehen - da kommt Freude auf.
15.00 Uhr Nachdem ich beinahe den Hauptdarsteller der
Kriminalserie "24", Kiefer Sutherland, überfahren habe, sehen wir am
Strassenrand Herrn Greenberg in Begleitung einer brünetten Dame stehen.
Der nette Mann lotst uns in eine Parklücke und sagt, dass er etwas Zeit
mitgebracht hat und uns gerne über das Areal führen würde. Bei dieser
Gelegenheit macht uns der Mann mit seiner persönlichen Mitarbeiterin
Kathleen (31) bekannt und erzählt, dass die Gute auch schon in diversen
Serien- und Filmproduktionen mitgespielt hat
- wie aufregend.
15.30 Uhr Als erstes führt uns der Produzent zur "Avenue of
Palms" (löblich: Strasse der Palmen) und setzt uns darüber in Kenntnis,
dass hier unzählige Szenen für diverse Blockbuster (löblich:
Kassenschlager) wie "Das A-Team" gedreht wurden. Ich seufze laut und
erwidere, dass ich gerne als Statist in einer internationalen
Kinoproduktion mitwirken würde. Edelbert drängt sich plappernd vor und
stellt die Behauptung auf, dass er sehr fotogen ist und in jungen Jahren
bereits Erfahrung als Laiendarsteller gesammelt hat. Herr Greenberg
zuckt nur mit den Schultern und antwortet, dass er keine Möglichkeit
sieht, uns vor eine Kamera zu bringen - wie schade.
16.00 Uhr Als nächstes betreten wir einen unscheinbaren Flachbau
und lernen, dass an diesem Ort unter Hochdruck an der Fortsetzung des
letztjährigen
Lichtspielhauserfolges
"Avatar" gearbeitet wird. Ich schaue mich argwöhnisch um und erkenne
mit glasklarem LASIK Blick, dass hier weder Schauspieler, noch Kulissen
zu finden sind. Unser Begleiter deutet in Richtung der abgetrennten
Büros und erläutert, dass die Fortsetzung zu 95 % aus computeranimierten
Szenen besteht. Ausserdem flüstert uns der Produzent zu, dass "Avatar
2" zeitgleich mit der dritten Fortsetzung entstehen und unter Wasser
spielen wird - das soll mir Recht sein.
16.45 Uhr Zum Abschluss unseres aufschlussreichen Rundgangs
besichtigen wir das mittlerweile stillgelegte Bühnenbild der Jugendserie
"Malcolm in the Middle" (auf deutsch: Malcolm mittendrin). Beeindruckt
laufe ich durch den Nachbau eines Vorstadthauses und freue mich, auch
das Kinderzimmer des Hauptprotagonisten zu sehen. Herr Greenberg
schwelgt in Erinnerungen und sagt, dass er sehr traurig war, als die
Serie im Jahre 2007 eingestellt wurde.
17.30 Uhr Weil es ziemlich spät geworden ist und Herr Greenberg
noch Schauspielerinnen zum Vorsprechen erwartet, ziehen wir es vor,
Hände zu schütteln und nach Hause zu fahren. Edelbert schwingt sich
ausgelassen hinter das Lenkrad und fährt gekonnt aus dem Gelände heraus.
Dank des Navigationssystems aus dem Hause GARMIN fällt es uns nicht
schwer, ohne Umwege zum Coldwater Canyon zu gelangen.
18.15 Uhr Zuhause angekommen, finden wir das Haupthaus verlassen
vor. Lediglich die Haushälterin hantiert in der Küche mit der
Bratpfanne und bereitet einen Fleischauflauf für Morgen vor. Um der Dame
nicht im Weg zu stehen, bedienen wir uns am Kühlschrank und verköstigen
belegte Brote und würzigen Cheddarkäse. Danach wünschen wir der
fleissigen Frau einen schönen Abend und kehren ins Gästehaus zurück.
19.00 Uhr Just als wir es uns vor dem Fernseher bequem machen,
klopft Frau Brandie an die Türe und möchte wissen, ob wir einen schönen
Tag hatten. Wir lassen unsere Erlebnisse in allein Einzelheiten Revue
passieren und stellen klar, dass wir morgen einen Gang zurückschalten
und ans Meer fahren werden. Edelberts ehemalige Nachbarin ist begeistert
und sichert zu, kurzerhand mitzukommen und uns Marina del Rey zu zeigen
- wie aufregend.
19.30 Uhr Zur besten Sendezeit schalten wir den Filmsender AMC
ein und entspannen uns hunddixonkraulend bei einem Western der
Extraklasse. Wir verfolgen mit Interesse den im Jahre 1973 entstandenen
Klassiker
"High Plains Drifters" und sind einhellig der Meinung, dass solche
Meilensteine der Filmgeschichte heutzutage kaum mehr produziert werden.
21.00 Uhr Nachdem es zu keinem glücklichen Ende (unlöblich: Happy End) gekommen ist, beenden wir den
Fernsehabend
und drehen eine kleine Runde durch den Garten. Bei dieser Gelegenheit
spähe ich in das hell erleuchtete Schlafzimmerfenster von Frau Brandie
und sehe, wie das junge Ding in einem hautengen Negligee zu ihrem
Verlobten ins Bett springt. Der Professor straft mich mit bösen Blicken
und sagt, dass Spanner in den Vereinigen Staaten mit langjährigen
Haftstrafen belegt werden - wie unlöblich.
21.30 Uhr Ein anstrengender Tag neigt sich seinem Ende zu. Ich
wünsche Edelbert eine geruhsame Nacht und gehe dann zufrieden ins Bett.
Gute Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 22.03.2011
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Reinhard Pfaffenberg |
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