Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

27.01.2012

07.30 Uhr Ich werde durch ein Erdbeben aus einem schönen Traum gerissen und stehe sofort auf. Als ich die Vorhänge zur Seite ziehe und in Richtung des Hotelschwimmbeckens schaue, fällt mir auf, dass schwergewichtige Damen Aerobic absolvieren. Zu allem Überfluss hüpfen die Walrösser auf und ab und führen zum 1980er Van Halen Hitparadenerfolg "Jump" (löblich: Spring) die Morgengymnastik durch - das ist ja allerhand.
07.45 Uhr Kopfschüttelnd schliesse ich die Balkontüre und mache mich daran, aus dem Schlafanzug zu schlüpfen und ein löbliches Vollbad zu nehmen. Nebenher tippe ich die Nummer von Familie Crane ins NOKIA Handtelefon und freue mich, mit der ehemaligen Olympiateilnehmerin plaudern zu können. Selbstverständlich erkundige ich mich nach Dixon und höre, dass sich der Vierbeiner bei meinen Nachbarn pudelwohl fühlt. Frau Crane lässt die letzten Tage Revue passieren und berichtet, dass mein Haustier sehr brav ist und mich kaum vermisst - das ist wieder typisch. Um für klare Verhältnisse zu sorgen, komme ich auf meinen Rückflug nach Fort Myers zu sprechen und lege anschaulich dar, dass ich gegen 19 Uhr im Willoughby Drive eintreffen werde.
08.45 Uhr Nach dem Badevergnügen befülle ich den DELSEY Rollkoffer mit meinen Habseligkeiten und vergesse auch nicht, den Bademantel sowie einen Aschenbecher mit "InterContinental Presidente Resort Cancún" Gravur einzupacken. Danach hinterlege ich etwas Kleingeld auf dem Nachttischkästchen und gehe zu Edelberts Zimmer hinüber. Der Professor begrüsst mich freundlich und sagt, dass er hungrig ist und jetzt das wichtigste Mahl des Tages einnehmen möchte. Ich nicke eifrig und bringe in Erfahrung, dass Frau Pontecorvo vor einer Stunde zu einem Strandspaziergang aufgebrochen ist und uns gegen halb 10 im Frühstücksraum treffen wird - das ist phantastisch.
09.15 Uhr Um die kleine Frau nicht warten zu lassen, steigen wir in den Aufzug ein und fahren spornstreichs nach unten, um das Reisegepäck an der Rezeption abzugeben. Anschliessend eilen wir in den Frühstücksraum und gesellen uns gutgelaunt zu Frau Pontecorvo an einen Ecktisch. Ferner winken wir eine Bedienung herbei und ordern kurzerhand grosse Frühstücke, die in Mexiko "Grande Desayuno" genannt werden.
09.45 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen, tratsche ich mit meinen Bekannten und erzähle, dass ich gestern Abend auf dem Bezahlkanal AMC eine lustige Komödie gesehen habe. Edelbert wirft mir skeptische Blicke zu und macht mich darauf aufmerksam, dass demnächst ein stattlicher Betrag von meinem Kreditkartenkonto abgebucht werden wird. Ich zucke mit den Schultern und fahre fort, dass ich ausserdem eine ausgetrocknete Kehle hatte und mir zwei Diät Coca Colas, ein Fläschchen Weisswein sowie einen Whiskey aus der Minibar gegönnt habe. Prof. Kuhn hat nur Hohn und Spott übrig und erklärt, dass er schlau ist und mit der 7UP Limonade Vorlieb nimmt. Der gute Mann kommt aus dem Schmunzeln gar nicht mehr heraus und sagt, dass er die leeren Flaschen mit Leitungswasser auffüllt und sie dann in den Kühlschrank zurückstellt - wie unlöblich.
10.30 Uhr Weil noch etwas Zeit bleibt, schlendern wir nach dem Frühstück zum Strand und vertreten uns die Füsse. Edelbert deutet beeindruckt auf eine leicht bekleidete Blondine mit barocken Formen und unterbreitet, dass es den Frauen in Mexiko erlaubt ist, sich oben ohne zu sonnen. Frau Pontecorvo nörgelt in einer Tour und sagt, dass es sich für eine Dame nicht ziert, sich halbnackt im Sand zu räkeln. Natürlich schlage ich in die gleiche Kerbe und mache es mir zur Aufgabe, die NIKON Digitalkamera zu zücken und ein Beweisphoto zu knipsen - wo kämen wir denn da hin.
11.00 Uhr Nachdem wir marodierende Jugendliche beobachtet haben, die sich auf einer aufblasbaren Spassbanane in die Fluten gestürzt haben, kehren wir zum Hotel zurück und genehmigen uns auf der Sonnenterrasse vitaminreiche Langgetränke (unlöblich: Longdrinks). Ich ordere einen Trunk namens "Island Queen" (löblich: Insel Königin) und lasse meine Bekannten wissen, dass ich am Montag das "Whitaker Wellness Center" aufsuchen und einige Pfunde abtrainieren werde. Edelbert ist begeistert und sagt, dass er meinem Beispiel folgen und sich ebenfalls in Naples bestem Turnstudio anmelden wird. Ich klopfe dem schlauen Mann auf die Schulter und stelle klar, dass körperliche Betätigung besonders im Alter sehr wichtig ist.
11.30 Uhr Kurz vor dem Mittagsläuten bestellen wir eine weitere Runde Kaltgetränke sowie köstliche Cheeseburger (löblich: Käseburger) mit French Fries (löblich: französische Kartoffelstäbe). Während der Mahlzeit schwärmt Frau Pontecorvo in den höchsten Tönen und bestätigt, dass es ein Vergnügen war, in Cancún für vier Tage die Seele baumeln zu lassen. Ich stimme prompt zu und gebe zu Protokoll, dass ich bald wieder nach Mexiko ausfliegen werde. Edelbert freut sich und meint, dass wir dann Acapulco im Westen besuchen und uns dort von den Strapazen des Alltags erholen sollten - wie aufregend.
12.15 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, laufen wir zur Rezeption und fordern einen däumchendrehenden Hotelmitarbeiter auf, unsere Koffer herauszurücken und die Rechnung zu präsentieren. Zu allem Überfluss sehe ich mich genötigt, 6.463 Pesos (= 476 Dollars) für Getränke und diverse Restaurantbesuche bezahlen zu müssen. HEUREKA - ich schlage die Hände über dem Kopf zusammen und weise auf die Tatsache hin, dass ich bald RTL Schuldnerberater Peter Zwegat verständigen muss.
13.00 Uhr Nachdem sich mein Pulsschlag normalisiert hat, verlassen wir das Hotel und besteigen das erstbeste Taxi. Wehmütig präsentiere ich meinen Flugschein und bitte den bärtigen Schoffeur, den 15 Meilen im Südwesten liegenden "Cancún International Airport" anzusteuern. Während der kurzweiligen Fahrt entlang der vorgelagerten Insel, blicke ich ein letztes Mal auf den Golfo de México (löblich: Golf von Mexiko) und erläutere, dass die Halbinsel Yucatán vor 65 Millionen Jahren entstanden ist. Edelbert ist wie immer bestens informiert und wirft ein, dass damals ein zirka 180 Kilometer grosser Meteorit in Mittelamerika eingeschlagen ist und den sogenannten "Chicxulub Krater" ins Erdreich gerissen hat. Angesehene Forscher gehen sogar davon aus, dass kurz nach der verheerenden Katastrophe die Dinosaurier ausgestorben sind.
13.45 Uhr Nach einer nervenaufreibenden Hochgeschwindigkeitsfahrt erreichen wir endlich den Flughafen. Wir schieben unsere Koffer zu einem VIVA AIROBUS Schalter und lernen, dass unser Flug pünktlich um 15 Uhr starten wird - wie schön. Missmutig stellen wir unsere Gepäckstücke aufs Förderband und werden aufgefordert, pro Koffer je 15 Dollars zu bezahlen.
14.15 Uhr Anschliessend bringen wir die Passkontrolle hinter uns und zögern nicht, in die klapprige BOEING 737-300 einzusteigen. Ich lasse mich völlig erschöpft auf meinen Platz fallen und gebe Frau Pontecorvo zu verstehen, dass diesem Stress nicht einmal der stärkste Rentner Stand hält. Meine Sitznachbarin wirkt beruhigend auf mich ein und sagt, dass wir in zweieinhalb Stunden zu Hause sein werden - wie schön.
15.00 Uhr Pünktlich auf die Minute erhebt sich der Flieger in die Lüfte und dreht nach Norden ab. Ich spähe neugierig aus dem Fenster und habe das grosse Glück, stattliche Öltanker zu sehen, die den Hafen der Millionenmetropole New Orleans ansteuern - wie aufregend.
15.30 Uhr Während wir am sozialistischen Inselstaat Kuba vorbeirasen, stelle ich meine Uhr um eine Stunde vor und erkenne, dass immer noch ein fünfzigminütiger Flug vor uns liegt. Um keine Langeweile zu bekommen, schliesse ich die Augen und entspanne mich redlichst. Schon nach wenigen Augenblicken döse ich ein und träume vom lehrreichen Ausflug zu den Maya Ruinen.
17.15 Uhr Wenig später wird mein Nickerchen durch eine ohrenbetäubende Sprechdurchsage unterbrochen. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und vernehme, dass der Kapitän gerade den Landeanflug eingeleitet hat. Wie es sich gehört, stelle ich den Sitz in die aufrechte Position und unke angesichts des Gepolters, dass der Luftbus auseinanderbrechen wird. Edelbert schickt ein Stossgebet zum Himmel und sagt, dass er nie wieder mit VIVA AIROBUS fliegen wird.
17.45 Uhr Kurze Zeit später setzt der Flugkapitän die BOEING sicher auf der Landebahn auf. Ich wische mir den Angstschweiss von der Stirn und haste zum Ausgang, um endlich wieder amerikanischen Boden zu betreten. Da ich es kaum noch erwarten kann, Hund Dixon in meine Arme zu schliessen, lotse ich meine Reisebegleiter zur Zollkontrolle und mache einem grimmig dreinschauenden Beamten klar, dass wir seriöse Rentner sind und keine Drogen nach Amerika einführen. Der schwerbewaffnete Kontrolleur zieht die Augenbrauen nach oben und wünscht uns einen schönen Abend - das ist phantastisch.
18.30 Uhr Nachdem wir die Koffer in Empfang genommen haben, zeige ich mich spendabel und lade meine Bekannten zu einer Taxifahrt ein. Wir steigen in einen nagelneuen Lincoln Stadtwagen (unlöblich: Lincoln Towncar) mit Lederausstattung ein und animieren den farbigen Fahrer, uns nach Naples zu bringen. Der Mann lässt den Wählhebel der Automatikschaltung in der "D" Stellung einrasten und fährt gemächlich los. Ich lehne mich zufrieden zurück und freue mich, neben der Interstate 75 eine turmhohe Reklametafel mit McDonalds Aufschrift zu entdecken.
19.15 Uhr Nach fünfundvierzig Minuten biegt der Fahrer in den beschaulichen Willoughby Drive ein. Ich deute lachend in Richtung meiner kleinen Villa und registriere, dass Herr Booth während meiner Abwesenheit den Rasen gemäht hat. Voller Vorfreude überreiche ich dem Taxifahrer druckfrische Scheine und flitze dann wie der Wind zum Anwesen der Cranes. Während sich Hund Dixon auf mich stürzt und mir die Hand leckt, tausche ich mich mit der Frau des Hauses aus und höre, dass der Rüde bereits gefressen und einen Abendspaziergang unternommen hat. Ich bedanke mich für alles und entgegne, dass ich mich schon bald erkenntlich zeigen werde.
19.45 Uhr Danach bitte ich Edelbert und Frau Pontecorvo in mein bescheidenes Haus und entkorke ein Fläschchen Cristal Schaumwein aus dem Hause Louis Roederer. Dazu reiche ich belegte Brote und Gewürzgurken aus dem Glas - das schmeckt. Während wir dem abendlichen Grillkonzert lauschen und mit den Schaumweingläsern anstossen, bringe ich für morgen Früh einen Abstecher in Julies Restaurant zur Sprache. Frau Pontecorvo schenkt mir ein Lächeln und sagt, dass sie sich für die tollen Tage erkenntlich zeigen und uns gerne einladen möchte - wie schön.
20.30 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf halb Neun deutet, begleite ich die Gäste zur Türe und wünsche ihnen eine gute Nacht. Im Anschluss fülle ich Dixons Napf mit Royal Canin Trockenfutter auf und ziehe mich ins Badezimmer zurück. Während sich das Haustier mit einem Tennisball vergnügt, entspanne ich mich bei einer Dusche und wasche mir die Haare - das tut gut.
21.00 Uhr Zu guter Letzt lösche ich das Licht und lege mich neben Dixon ins Bett. Ich streichle den Rüden übers krause Fell und schlafe bald ein. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 27.01.2012
© Reinhard Pfaffenberg