08.00 Uhr Ich öffne die Augen und freue mich auf einen sonnigen Tag unter Palmen. Um nicht noch mehr Zeit im Bett zu vertrödeln, stehe ich auf und stähle meine Muskeln auf der Terrasse. Ausserdem sehe ich mich mit Frau Pontecorvo konfrontiert und höre, dass sie gestern einen Elektriker zu Gast hatte. Meine Nachbarin seufzt laut und beteuert, dass der Fachmann eine defekte Steckdose auswechseln musste. Ich nicke eifrig und lasse die Dame wissen, dass man als Hausbesitzer immer etwas zu tun hat.
Eine amerikanische Doppelsteckdose
09.00 Uhr Nach einem löblichen Wirbelbad setze ich mich an den Wohnzimmertisch und verzehre in Hund Dixons Beisein ein spärliches Frühstück. Nebenher mache ich mir meine eigenen Gedanken und komme angesichts der vergilbten Wände zu dem Schluss, dass die gute Stube renoviert werden muss. Da ich nicht mehr der Jüngste bin, tippe ich Frau Gomez Telefonnummer in die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und gebe vor, dass ich einen Tschob für ihren unterbelichteten Cousin habe. Meine Zugehfrau wird sogleich hellhörig und meint, dass Herr Miguel jederzeit bereit wäre, den Malerpinsel gegen Bezahlung zu schwingen – wie schön.
09.30 Uhr Nachdem ich die gute Seele beauftragt habe, meine Telefonnummer an ihren Verwandten weiterzugeben, beende ich das Gespräch und eile in den Garten. Ich versorge die Pflanzen sowie die hochgewachsene Petersilie mit Wasser und mache es mir ausserdem zur Aufgabe, Dixon einen Tennisball zuzuwerfen – das macht Spass.
Ich versoge das Petersilienbeet mit H²O
10.15 Uhr Wenig später summt das Telefon und Herr Miguel meldet sich am anderen Ende der Leitung. Der Handlanger kommt in einem kaum verständlichen Kauderwelsch aus englischen und spanischen Wortfetzen auf meine Renovierungsabsichten zu sprechen und kündigt an, am Samstag vorbei zu schauen. Ich gebe mich erleichtert und vernehme, dass ich die Wandfarbe im “Home Depot” Baumarkt selbst besorgen muss.
11.00 Uhr Letztendlich verabreden wir, dass Miguel am Samstag gegen 10 Uhr auf der Matte stehen wird. Ich lege den Telefonhörer auf die Gabel und rufe nach Dixon. Als der Rüde nach wenigen Augenblicken ins Wohnzimmer kommt, klatsche ich in die Hände und gebe zu Protokoll, dass wir jetzt den Baumarkt unseres Vertrauens ansteuern müssen. Dixon ist ganz aus dem Häuschen und rennt wie von Sinnen zum Auto.
11.30 Uhr Nach einer kurzweiligen Ausfahrt parke ich den PS-strotzenden SUV vor der “Home Depot” Filiale an der Pine Ridge Road und schlendere mit dem Vierbeiner zur Farbenabteilung. Ein freundlicher Mitarbeiter hilft mir bei der Auswahl und legt mir nahe, auf Produkte aus dem Hause “Behr” zu vertrauen. Der Depp kommt aus dem Plappern gar nicht mehr heraus und behauptet, dass besagte Farben mit hervorragender Deckkraft überzeugen.
12.15 Uhr Letztendlich entscheide ich mich für einen beigen Farbton und hieve zwei Kübel zu je 32 Dollars in den Einkaufswagen. Danach werde ich an der Kasse vorstellig und bezahle die Rechnung mit meiner praktischen Meisterkarte (unlöblich: Master Card).
12.45 Uhr Weil das kulinarische Wohl nicht zu kurz kommen darf. kehre ich im Anschluss ins benachbarte “Grouper Grille Seafood Restaurant” ein. Während es sich Dixon unter dem Tisch bequem macht, ordere ich bei einer rassigen Kellnerin mit monströser Oberweite ein Chicken Sandwich (löblich: Hühnerbrot) mit Shrimps (löblich: Krabben), Kartoffelstäben und Salat – schmeckt gar nicht schlecht.
13.30 Uhr Nach der Jause trete ich zufrieden die Heimfahrt an. Unterdessen telefoniere ich mit Edelbert und berichte, dass ich am Samstag das Wohnzimmer streichen werde. Edelbert ist begeistert und wirft ein, dass er vorbeikommen und mir beim Abdecken der Möbel helfen wird – das soll mir Recht sein.
Mein Zuhause unter Palmen
14.00 Uhr Zurück im Willoughby Drive bette ich mich auf dem Kanapee zur Ruhe und träume von meiner nervenaufreibenden Reise quer durch den nordamerikanischen Kontinent – das waren noch Zeiten.
15.00 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und werde Zeuge, wie sich Frau Pontecorvo meinem Zuhause nähert. Natürlich winke ich die kleine Frau zuvorkommend herein und entkorke eine Flasche Veuve Clicquot Schaumwein.
15.30 Uhr Wegen der grossen Hitze bleiben wir im Wohnzimmer und lassen uns zum perlenden Sprudelsekt lustige Kartoffelchips schmecken. Selbstverständlich weihe ich Frau Pontecorvo in die anstehende Renovierung ein und informiere, dass sich Frau Gomez Cousin bereiterklärt hat, die Arbeit kostengünstig zu übernehmen.
16.00 Uhr Nachdem sich die Perle verabschiedet hat, nehme ich am Schreibtisch Platz und komme meinen Pflichten als Anschnurseelsorger nach. Auch heute schufte ich hart und rate einem unentschlossenen Wähler, bei der Europawahl am 25. Mai sein Kreuz bei der redlichst AfD zu machen. Wie jeder weiss, setzt sich die Partei für konservative Werte und mehr direkte Demokratie innerhalb Europas ein.
Ich würde die AfD wählen – aber ich wähle nicht
17.00 Uhr Nach der schweisstreibenden Arbeit schiebe ich eine vitaminreiche TOMBSTONE Tiefkühlpizza ins vorgeheizte Ofenrohr und zaubere einen farbenfrohen Beilagensalat mit perfekt aufgeschnittenen Zwiebelringen. 18.00 Uhr Nachdem ich in der Küche für Sauberkeit gesorgt und Dixons Napf mit Trockenfutter aufgefüllt habe, lege ich im Wohnzimmer die Beine hoch. Ich schalte die Glotze ein und erfahre auf FOX, dass in Armenien heute der “Völkermord Erinnerungstag” begangen wird. Der Nachrichtensprecher blickt traurig drein und rechnet vor, dass zwischen 1915 bis 1923 bis zu 1,5 Millionen Armenier im Osmanischen Reich ermordet wurden – wie furchtbar.
18.45 Uhr Um etwas Abwechslung zu bekommen, wähle ich den Filmsender HBO aus und erfreue mich am abendfüllenden Spielfilm “Speed” (löblich: Geschwindigkeit), der von einem entführten Linienbus erzählt.
20.45 Uhr Als der Abspann über die Mattscheibe flimmert, wische ich mir den Angstschweiss von der Stirn und begleite Dixon noch einmal in den Garten. Anschliessend reguliere ich die Klimaanlage und lege mich schlafen. Gute Nacht.