08.00 Uhr Ich öffne die Augen und habe gar keine Orientierung. Um mir einen Überblick zu verschaffen, schlüpfe ich in den Bademantel und öffne die Motelzimmertüre. Ruckzuck wird mir klar, dass ich die letzte Nacht in einem schönen ECONOMY INN in der Nähe der Kleinstadt Hampton in Virginia verbracht habe. Weil es bitterkalt ist, werfe ich die Pforte umgehend ins Schloss und ziehe es vor, im warmen Badezimmer zu verschwinden.
Unser Winnebago Travato
09.00 Uhr Pünktlich um 9 Uhr trete ich mit dem gepackten Koffer nach draussen und freue mich, Sandra und Edelbert am WINNEBAGO anzutreffen. Meine Mieterin zieht den Reissverschluss ihres Anoraks hoch und plappert davon, dass ein kalter Wind von der Chesapeake Bay aufzieht. Ich nicke eifrig und lasse Edelbert wissen, dass wir nun in die benachbarte “Ocean View” Gaststätte einkehren sollten.
09.30 Uhr Während wir uns an hausgemachten Pfannkuchen mit Peach Cuntney (löblich: Pfirsichbrei) laben und unsere trocknen Kehlen mit Bohnentrunk durchspülen, bringt der Professor unsere heutige Etappe ins Spiel und schlägt vor, dass wir der Küste folgen und in Nags Head in North Carolina unser Nachtlager aufschlagen könnten. Ich zucke mit den Schultern und bitte die Kellnerin, unsere Tassen aufzufüllen.
10.15 Uhr Kurz nach dem Zehnuhrläuten beenden wir das Frühstück und vertreten uns die Beine. Mit dem Vierbeiner im Schlepptau schlendern wir zum Wasser und vermuten, dass dieser Strandabschnitt im Sommer bestimmt von unzähligen Badegästen belagert wird. Sandra zündet sich eine stinkende Zigarette an und verkündet, dass wir nun das Weite suchen und schnell ins wärmere North Carolina weiterfahren sollten.
11.00 Uhr Nach dem kurzweiligen Spaziergang hüpfen wir in den TRAVATO und krusen auf dem Highway 168 nach Süden. Unter anderem passieren wir Norfolk und Edelbert erzählt, dass die Stadt Heimat der legendären “Norfolk Naval Shipyard” ist. Ich lege meinen Kopf schief und erfahre weiter, dass in dieser Werft moderne Flugzeugträger und Kriegsschiffe gewartet werden. Zudem berichtet der schlaue Mann, dass auf dem Werftgelände während des Zweiten Weltkriegs das “Philadelphia Experiment” durchgeführt wurde. Mein Bekannter schnäuzt in ein Taschentuch und unterbreitet, dass das Militär unter Leitung des Physikers Nikola Tesla im Oktober 1943 mit Magnetfeldern experimentiert und den Zerstörer “USS Eldridge” unsichtbar gemacht haben soll – wie unlöblich.
12.00 Uhr Nach 55 Meilen erreichen wir die Kleinstadt Currituck und stellen fest, dass wir uns bereits in North Carolina befinden. Ich drossle die Geschwindigkeit und ziehe es vor, entlang des Currituck Sounds gen Südosten zu rasen. Nebenher blicke ich beeindruckt auf das azurblaue Wasser und erkläre Edelbert, dass wir im Sommer abermals nach North Carolina reisen und hier die Seele baumeln lassen sollten – das wäre zu schön.
13.00 Uhr Sechzig Minuten später überqueren wir eine Brücke und steuern Nags Head auf einer vorgelagerten Insel an. Da mittlerweile die Sonne vom Himmel lacht, fassen wir den Entschluss, den Nachmittag in der beschaulichen Kleinstadt zu verbringen. Schlussendlich rollen wir vor dem einladenden “Comfort Inn Hotel” an der Old Oregon Strasse vor und vernehmen an der Rezeption, dass pro Übernachtung lediglich 59 Dollars veranschlagt werden.
13.45 Uhr Während sich Sandra und Edelbert auf ihre Zimmer zurückziehen, nehme ich Dixon an die Leine und lasse es mir nicht nehmen, zum Strand zu schlendern. Um dem Rüden etwas Auslauf zu verschaffen, werfe ich ein Stöckchen und nehme mir ausserdem das Recht heraus, die salzige Meerluft tief in meine Lungen einzusaugen.
Der Strand von Nags Head
14.45 Uhr Verfroren kehre ich ins Hotel zurück und freue mich, die Nacht in einem Zimmer mit Ausblick auf den Atlantik verbringen zu dürfen. Laut gähnend schlüpfe ich aus den klammen Kleidern und falle ins Bett – das tut gut.
15.45 Uhr Dummerweise pocht bald Sandra an die Türe und meint, dass nun die Zeit gekommen ist, um Nags Head genauer zu erkunden. Ich stimme zu und vergesse auch nicht, wegen des Windes meine Mütze aufzusetzen. Danach folge ich der Maid nach unten und sehe mich mit Edelbert in der Lobby konfrontiert. Der gute Mann wedelt mit einem Prospekt vor meiner Nase herum und setzt mich darüber in Kenntnis, dass das örtliche Pier über die Staatsgrenzen hinaus bekannt ist – wie aufregend.
16.30 Uhr Während unserer Wanderung tratsche ich mit dem Professor und erkläre, dass wir womöglich bereits am Sonntag in Naples eintreffen werden. Sandra wird augenblicklich hellhörig und wirft ein, dass sie es kaum noch erwarten kann, endlich Sonne im Rentnerparadies tanken zu können.
17.00 Uhr Am Ziel angekommen, finden wir “Jeanette’s Pier” verwaist vor. Da sich weder Touristen noch Angler auf dem vereisten Holzsteg tummeln, machen wir schnell kehrt und entschliessen uns, ins gegenüberliegende “Sam and Omies Restaurant” einzukehren. Obgleich sich auch hier nur wenige Gäste befinden, werden wir vom Wirt herzlich begrüsst und mit frisch gezapften Bieren verwöhnt. Ausserdem blättern wir in der Speisekarte und ordern einen Korb mit frittierten Austern sowie leckere Thunfischsteaks mit Folienkartoffeln und Salat.
Ein Whiskey gegen die Kälte
18.00 Uhr Als wir kraftvoll zubeissen, lauschen wir stimmungsvollen Landmusikklängen und verraten dem Schankkellner, dass wir mit einem Wohnmobil von Toronto bis nach Naples fahren. Herr Sam macht grosse Augen und beteuert, dass uns noch eine lange Reise bevorsteht. Als kleine Aufmerksamkeit holt der Heini eine Flasche Defiant Whiskey hervor und meint, dass er uns ein Stamperl spendieren wird – wie schön.
19.00 Uhr Nach vierzehn Hopfenkaltschalen und mehreren Whiskeys müssen wir jedoch die Segel streichen. Wir bezahlen die Zeche in Bar und torkeln bei einsetzendem Nieselregen erheitert ins Hotel zurück.
19.30 Uhr Zu guter Letzt entspanne ich mich bei einem Vollbad und nutze die Gelegenheit, um mit Frau Pontecorvo zu telefonieren. Meine Nachbarin ist ganz aus dem Häuschen und freut sich, uns bereits am Wochenende in Naples Willkommen heissen zu dürfen – das gibt ein rauschendes Fest.
20.00 Uhr Im Anschluss fröne ich den FOX Nachrichten und vernehme, dass die Beach Boys (löblich: Strand Jungs) womöglich bei Donald Trumps anstehender Einführung ins Amt des Präsidenten auftreten werden. Ausserdem meldet der Nachrichtensprecher, dass am Freitag weit über 300.000 Schaulustige entlang der Pennsylvania Avenue erwartet werden – das ist phantastisch.
21.00 Uhr Da mir langsam die Augen zufallen, streichle ich Dixon ein letztes Mal über den Kopf. Danach lösche ich das Licht und schlummere schnell ein. Gute Nacht.