08.00 Uhr Eine neue Woche beginnt und ich nehme mir wie jeden Montag das Recht heraus, im Bett die Tagebucheinträge meiner unterbelichteten Mieterin zu studieren. Natürlich komme ich auch heute aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und erfahre, dass das Kind am Samstag im Lichtspielhaus war – das ist ja allerhand.
08.30 Uhr Laut seufzend stehe ich auf und komme zu dem bitteren Schluss, dass bei Sandra längst Hopfen und Malz verloren ist. Trotz aller Widrigkeiten öffne ich die Terrassentüre und führe bei brütender Hitze die Morgengymnastik durch. Nebenher schnaufe ich wie ein Walross und werde Zeuge, wie sich Hund Dixon schnell wieder in die klimatisierte Stube verzieht.
Hund Dixon schwitzt
09.00 Uhr Als ich die Seele bei einem Wirbelbad baumeln lasse, bimmelt das Telefon besonders laut. Zu meiner Freude meldet sich Edelbert und gibt zu Protokoll, dass in seiner Stadtwohnung die Klimaanlage ausgefallen ist. Darüber hinaus erfahre ich, dass erst in drei Stunden ein Techniker anrücken wird, um den Schaden zu beheben. Selbstverständlich falle ich meinem Bekannten ins Wort und biete ihm an, dass er in meiner Villa gerne den Tag verbringen kann. Edelbert gibt sich erleichtert und meint, dass er in einer Stunde vorbeikommen wird – wie schön.
09.45 Uhr Redlichst erfrischt hüpfe ich aus der Wanne und mache es mir zur Aufgabe, farbenfrohe Kleider anzuziehen und das Frühstück vorzubereiten. Unterdessen spähe ich besorgt nach draussen und sehe, wie die Luft über dem Asphalt flimmert. Angesichts des subtropischen Klimas stelle ich die Klimaanlage etwas höher und schütte eisgekühlten Mangotee in eine Karaffe – da kommt Freude auf.
10.00 Uhr Just als ich die Rühreier vom Herd nehme, stattet mir der Professor einen Besuch ab. Ich winke den guten Mann zuvorkommend herein und bemerke, dass er eine Gebäckschachtel aus dem Hause “Biscotti Farrugia” mitgebracht hat – schon jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
Ich lasse mir ein Cannoli schmecken
10.45 Uhr Als wir es uns am Wohnzimmertisch bequem machen, deutet der Professor auf die Amazon Fernbedienung und meint, dass wir uns den Tag mit einem Film versüssen könnten. Ich beisse kraftvoll in ein mit Schlagsahne gefülltes Cannoli und lasse es mir nicht nehmen, die Glotze einzuschalten. Im Handumdrehen finden wir uns auf der Amazon Startseite und haben die Auswahl zwischen unzähligen Film- und Fernsehproduktionen.
11.00 Uhr Wir fackeln nicht lange und ringen uns dazu durch, den im Jahre 1987 entstandenen Klassiker “Over the Top” anzuschauen. Voller Vorfreude fülle ich Edelberts Tasse mit Bohnentrunk auf und fröne mit Vergnügen dem von Menahem Golan produzierten Meisterwerk. Ich lehne mich zufrieden zurück und tauche in das Leben eines LKW Fahrers ein, der es im Leben nicht leicht hat. Um sich etwas Geld dazuzuverdienen, verscherbelt er eines Tages seinen Lastwagen und fordert den Weltmeister im Armdrücken zum Kampf heraus – da kommt Spannung auf.
Over the Top ist ein prima Film
12.30 Uhr Neunzig Minuten später flimmert der Abspann über die Mattscheibe und Amazon fordert uns auf, als nächstes die Komödie “Stop! Or My Mom Will Shoot” (auf deutsch: Stop! Oder meine Mami schiesst) anzuschauen. Natürlich betätige ich sogleich den OFF (löblich: AUS) Knopf auf der Fernbedienung und serviere Edelbert ein kühles Budweiser sowie vitaminreiche Sandwiches (löblich: Wurstbrote). Ausserdem scheuchen wir Dixon in den Garten und animieren ihn, den Nachbarshund zu besuchen. Der Rüde schüttelt sich ausgiebig und zieht es wegen der Hitze vor, kehrt zu machen und aufs Wohnzimmerkanapee zu hüpfen – wo soll das noch hinführen.
13.30 Uhr Wenig später surrt Edelberts Handtelefon. Mein Bekannter nimmt das Gespräch prompt an und freut sich, einen Klimaanlagentechniker am Rohr zu haben. Der Handlanger übermittelt Edelbert gute Nachrichten und informiert, dass die Klimaanlage seit wenigen Minuten wieder läuft. Der Professor atmet tief durch und beteuert, dass er nun nach Hause fahren und einen ruhigen Nachmittag in seiner Wohnung verbringen wird.
14.15 Uhr Nachdem endlich Ruhe im Willoughby Drive herrscht, falle ich gähnend aufs Sofa und schliesse die Augen. Schon bald döse ich ein und träume von unserer anstehenden Forschungsreise nach Minnesota.
Bald bin ich in Minnesota
15.15 Uhr Nach der Pause setze ich mich an den Schreibtisch und stelle fest, dass sich Dixon ständig an der Pfote leckt. Als der Vierbeiner seinen Kopf schieflegt, nehme ich den Fuss meines Haustieres in Augenschein und sehe mich genötigt, mit einer Pinzette einen Stachel aus dem Ballen entfernen zu müssen.
15.45 Uhr Nachdem sich Dixon beruhigt hat, kümmere ich mich um die Anschnurarbeit und helfe verzweifelten Erziehungsberechtigten bei weitreichenden Problemen. Zudem nehme ich die Einträge im elektronischen Gästebuch in Augenschein und freue mich über den überwältigenden Zuspruch vieler Heimseitenbesucher.
16.45 Uhr Nach getaner Arbeit gehe ich von der Leine und bereite das Abendessen vor. Da ich vom reichhaltigen Frühstück noch immer gesättigt bin, entschliesse ich mich, eine kleine Portion Langnudeln aufzukochen und die italienischen Teigwaren mit Pesto aus dem Glas zu verfeinern – wie gut das duftet.
Langnudeln mit Pesto
18.00 Uhr Zum Abschluss des langen Tages nehme ich die leistungsstarke Geschirrspülmaschine in Betrieb und schenke mir ein Erdinger Weissbier ein. Anschliessend strecke ich im klimatisierten Wohnzimmer die Beine aus und folge den Nachrichten auf FOX. Unter anderem lerne ich, dass Morgen vor 47 Jahren die weltbekannte Schauspielerin Sharon Tate in ihrer Villa in Los Angeles von Anhängern der “Manson Familie” bestialisch ermordet wurde – wie furchtbar.
19.00 Uhr Um angesichts der Schreckensmeldungen auf andere Gedanken zu kommen, wechsle ich zeitnah auf HBO, wo gerade der Vorspann zum preisgekrönten Drama “Hachi: A Dog’s Tale” (auf deutsch: Hachiko – Eine wunderbare Freundschaft) anläuft. Ich amüsiere mich köstlich und werde Zeuge, wie sich ein Universitätsprofessor mit einem Hundewelpen anfreundet und ihn mit nach Hause nimmt. Die beiden sind ab sofort unzertrennlich und schreiten bis zum überraschenden Tod des Hundebesitzers gemeinsam durchs Leben.
21.00 Uhr Nach zwei Stunden beende ich den Fernsehabend und nehme eine kalte Dusche. Zu guter Letzt verschliesse ich die Haustüre und lege mich schlafen. Gute Nacht.