08.00 Uhr Ich rolle mich zufrieden aus dem warmen Bett und stelle beim Blick auf meinen Wandkalender fest, dass mein löblicher Neffe in 5 Tagen seinen 47. Geburtstag feiern wird. Weil James ein braver und sehr fleissiger Bursche ist, fasse ich den Entschluss, gleich nach der wichtigsten Mahlzeit des Tages zum WAL MART zu krusen und nach einem preiswerten Geschenk Ausschau zu halten – da kommt besonders grosse Freude auf.
08.30 Uhr Nachdem ich die Morgengymnastik absolviert habe, fülle ich Trockenfutter in Dixons Napf und animiere den Rüden, kraftvoll zuzubeissen. Danach verabschiede ich mich ins Bad und telefoniere während des Waschvorgangs mit meinem Bruder. Georg ist besonders schlecht gelaunt und gibt vor, dass die Rückkehr ins Ferienhaus noch einige Tage auf sich warten lassen wird. Als ich genauer nachfrage, gibt der gute Mann vor, dass bis zum Freitag elektrische Leitungen für die nagelneue Klimaanlage verlegt werden müssen. Ich zucke mit den Schultern und entgegne, dass der Umbau ein stattliches Sümmchen verschlingen wird. Mein Verwandter schlägt in die gleiche Kerbe und rechnet vor, dass er mindestens 75.000 Dollars löhnen wird – das ist ja allerhand.
Das Ferienhaus wird renoviert
09.30 Uhr Als der Stundenzeiger meiner ROLEX auf halb Zehn zugeht, brühe ich mit dem DeLonghi Vollautomaten echten Bohnenkaffee auf und nehme mit gerösteten Weissbrotscheiben (unlöblich: Toast), Rühreiern mit Speck und einer lustigen Pfirsich aus dem Nachbarstaat Georgia Vorlieb. Nebenbei mache ich mir Gedanken bezüglich des Geburtstagsgeschenk und komme bald zu dem Ergebnis, dass der Bube nicht nur schöne Landmusik, sondern auch lustige Film- und Fernsehproduktionen zu schätzen weiss. Ruckzuck esse ich auf und erkläre dem Vierbeiner, dass wir nun zum Gemischtwarenladen unseres Vertrauens krusen und uns um ein geeignetes Präsent bemühen werden – was das wieder kostet.
10.00 Uhr Während ich im PS-strotzenden Chevrolet Suburban sitze und wildgestikulierend einen in die Jahre gekommenen CADILLAC SEVILLE überhole, bimmelt plötzlich die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und ich sehe mich gezwungen, mit Edelbert plaudern zu müssen. Der schlaue Mann nölt in einer Tour und informiert, dass er sich eine Erkältung eingefangen hat und das Bett hüten muss. Natürlich spreche ich meinem Bekannten gut zu und rate, viel zu trinken – immerhin kann ich mich nicht um alles kümmern.
Ich schoppe bei Wal Mart
10.30 Uhr Nach einer nervenaufreibenden Hochgeschwindigkeitsfahrt erreiche ich das WAL MART SUPERCENTER am Collier Boulevard und lasse Dixon wissen, dass er mich leider nicht begleiten kann. Da es ungewöhnlich heiss ist, lasse ich kurzerhand den Motor laufen und eile winkend in die klimatisierte Markthalle.
11.00 Uhr Nach einem erfolglosen Abstecher in die Musikabteilung, flaniere ich zu den gutsortierten Film- und Serienregalen und stosse prompt auf eine Sonderedition des beliebten Strassenfegers “Taxi”. Wohlwollend nehme ich ein Exemplar an mich und lese auf der Verpackung, dass in dieser aufwändig gestalteten Schachtel alle 114 Folgen auf insgesamt 17 Datenträgern enthalten sind – wie aufregend.
11.45 Uhr Nachdem ich eine neue Toilettenbürste, Batterien sowie ein Flasche Klebstoff in den Einkaufswagen geworfen habe, steuere ich eine Kasse an und überreiche einer mageren Marktmitarbeiterin meine praktische Meisterkarte. Die Maid schiebt das elektronische Bezahlkärtchen fachmännisch durch den Kassenschlitz und beteuert, dass diese Serie in den 1970er Jahren mit grossem Erfolg auf ABC lief. Ich stimme uneingeschränkt zu und gebe zu Protokoll, dass “Taxi” auch in meiner deutschen Heimat ausgestrahlt wurde. Lachend komme ich auf den weltbekannten Komiker Andi Kaufmann zu sprechen und merke an, dass es grossen Spass macht, ihm in einer Rolle als Automechaniker Latka zuzusehen – da kommt man kaum noch aus dem Schmunzeln heraus.
Taxi – eine prima Serie
12.30 Uhr Nach dem Bezahlvorgang kehre ich mit Hund Dixon in die benachbarte “Burger King” (löblich: Burger König) Schnellgaststätte ein und leiste mir eine kleine Brotzeit sowie ein süffiges 7UP (löblich: Sieben Hinauf) Weichgetränk – schmeckt gar nicht schlecht.
13.30 Uhr Zuhause angekommen, steige ich aus den Flip Flops und bette mich in der guten Stube zur Ruhe. Ich döse prompt ein und sehe mich im Traum auf die verstaubten Pfade des Appalachian Trails versetzt.
Ich träume vom Appalachian Trail
14.30 Uhr Leider wird mein Nickerchen bald durch einen Telefonanruf gestört. Ich nehme das Gespräch gähnend an und bin überrascht, Georg dran zu haben. Mein Bruder wünscht mir einen guten Tag und erkundigt sich, ob ich am Abend mit ins Theater kommen möchte. Selbstverständlich lehne ich dankend ab und weise auf die Tatsache hin, dass ich von kulturellen Grossveranstaltungen nicht viel halte.
15.00 Uhr Im Anschluss fülle ich Kaffee in mein Haferl und nehme am Schreibtisch Platz, um die Anschnurseelsorge zu erledigen. Mit flinken Fingern navigiere ich durchs Internetz und studiere Briefe besorgter Eltern. Unter anderem rate ich einer Mutter (51) aus Osnabrück, ihrem Sohn Konzertbesuche zu verbieten – wo kämen wir denn da hin.
16.00 Uhr Nach der Arbeit gehe von der Leine und genehmige mir ein kühles Bier aus dem Eiskasten. Um endlich zur Ruhe zu kommen, lasse ich mich in der Hollywoodschaukel nieder und wippe hin und her – das macht Spass.
17.00 Uhr Sechzig Minuten später schlendere ich in die Küche und bereite das Nachtmahl vor. Da ich keinen grossen Hunger habe, erwärme ich Buttergemüse in einer Pfanne und brate ein kleines Schweineschnitzel an.
18.00 Uhr Nachdem ich die Geschirrspülmaschine knopfdrückend in Betrieb genommen haben, mache ich es mir fernsehschauend in der Wohnstube gemütlich. Ich folge neugierig den FOX Nachrichten und fröne ausserdem einer Quizshow (löblich: Ratesendung) namens “Hot Button” (löblich: Heisser Knopf), die sich mit den amerikanischen Zwischenwahlen beschäftigt.
19.00 Uhr Zur Prime Time (löblich: beste Fernsehzeit) schalte ich auf den Bezahlsender HBO um, wo just im Augenblick der preisgekrönte Zeichentrickfilm “Coraline” beginnt. Ich lehne mich entspannt zurück und tauche in das Leben der elfjährigen Coraline Jones ein, die eines Tages eine Geheimtüre entdeckt durch die man in eine fantastische Parallelwelt gelangen kann – so ein Unsinn.
21.00 Uhr Nach zweistündigem Klamauk tippe ich mir an die Schläfe und schalte entnervt ab. Anschliessend rufe ich Dixon ins Haus und gehe ins Bett. Gute Nacht.