07.45 Uhr Ich öffne die Augen und registriere, dass es mittlerweile Viertel vor 8 geschlagen hat. Weil Morgenstund’ Gold im Mund hat, hüpfe ich aus dem Bett und animiere Dixon, mich an die frische Luft zu begleiten. Wie es sich für einen sportlichen Rentner gehört, absolviere ich bei kühlen 70°F (21°C) die Morgengymnastik – wer rastet der rostet.
08.30 Uhr Anschliessend entspanne ich mich bei einem Wirbelbad und denke daran, dass ich um halb 11 mit Edelbert verabredet bin. Ich lehne mich zufrieden zurück und kann es gar nicht mehr erwarten, einen Einblick in die Sprache der Mohawk Indianer zu bekommen.
10.00 Uhr Nachdem ich das Frühstück beendet habe, lotse ich Dixon zum Zuhause von Familie Crane und bitte die Hausherrin, einige Stunden auf den Vierbeiner aufzupassen. Die ehemalige Olympiateilnehmerin nickt eifrig und verspricht, einen Spaziergang mit ihrem Liebling und meinem Haustier zu unternehmen – wie schön. Ich hüpfe ruckzuck in den frisch polierten Chevrolet und presche mit durchdrehenden Reifen in Richtung “Collier County Public School” (löblich: Öffentliche Collier Landkreisschule) davon.
10.45 Uhr Mit wenigen Minuten Verspätung treffe ich am Ziel ein und kann Edelbert recht herzlich begrüssen. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, eilen wir in die weihnachtlich geschmückte Lehranstalt und erfahren vom Hausmeister (59), dass der Mohawk-Sprachkurs im ersten Stock stattfindet.
11.15 Uhr Kurze Zeit später finden wir uns in einem Klassenzimmer wieder und bemerken, dass wir nicht die einzigen sind, die sich mit der Muttersprache der “Leute vom Land des Feuersteins” vertraut machen wollen.
11.30 Uhr Neugierig nehmen wir Platz und werden Zeugen, wie ein älterer Herr ans Rednerpult tritt und sich als Mr. Thompson vorstellt. Der braungebrannte Mann plappert ohne Unterlass und macht auf den Umstand aufmerksam, dass seine Grosseltern dem Stamm der Mohawk angehören und seit viele Jahre in einem Reservat an der kanadischen Grenze leben. Darüber hinaus erfahren wir, dass die Mohawk Sprache vom Aussterben bedroht ist und nur noch von sehr wenigen Menschen beherrscht wird.
12.00 Uhr Nach einer dreissigminütigen Einleitung verteilt der Indianer Broschüren und wir lernen, dass die Sprache der Mohawks auf Verben fixiert ist und lediglich 600 echte Substantive kennt. Als Herr Thompson einige Beispiele nennt, winkt Edelbert ab und unkt, dass sogar Chinesisch leichter zu erlernen ist. Der Lehrer wirft uns skeptische Blicke zu und fährt fort, dass zum Beispiel die Begrüssung “Hello” mit “Kwe” übersetzt werden kann. HEUREKA – diesen Unsinn muss man gehört haben.
Die Mohawk Indianer – einst ein stolzes Volk
12.45 Uhr Als Herr Thompson seinen Vortrag unterbricht und eine Pause ausruft, setze ich meine NY Yankees Kappe auf und lasse Prof. Kuhn wissen, dass es mir langsam zu bunt wird. Edelbert gibt mir Recht und bringt ein Mittagessen in der Schulkantine zur Sprache.
13.15 Uhr Hungrig und durstig kehren wir in den Speiseraum ein und ordern an der Essensausgabe saftige Thunfischsandwiches (unlöblich: Thunfischbrote) sowie durstlöschendes Diät Coca Cola. Danach nehmen wir an einem Tisch Platz und beissen kraftvoll zu – das schmeckt.
14.00 Uhr Nachdem wir den Waschraum aufgesucht und uns frisch gemacht haben, verlassen wir das Schulgebäude und laufen zu den Autos zurück. Mein Begleiter lässt währenddessen kein gutes Haar an der Indianersprache und sagt, er nun nach Hause fahren und etwas lesen wird – das ist eine hervorragende Idee.
14.45 Uhr Wieder zurück im Willoughby Drive, hole ich Dixon bei Familie Crane ab und falle dann aufs Sofa, um von meiner spannenden Geheimmission im grossen Apfel zu träumen – das waren noch Zeiten.
15.45 Uhr Nach der Pause setze ich mich kaffeeschlürfend an den Schreibtisch und komme meinen Pflichten als staatlich anerkannter Anschnurseelsorger nach. Ich gebe wie immer hilfreiche Ratschläge und sorge dafür, dass der verlotterten Jugend von heute ihre Schranken aufgezeigt werden.
16.30 Uhr Ferner kümmere ich mich um meine eigene Korrespondenz und finde eine nette Grussbotschaft meines löblichen Neffen im elektronischen Posteingang vor. James schreibt, dass wir uns in neun Tagen endlich wiedersehen werden. Ich bin begeistert und lasse in meinem Antwortschreiben verlauten, dass die Kinder in diesem Jahr mit besonders kostspieligen Weihnachtsgeschenken rechnen können.
17.30 Uhr Nachdem ich die neuen Einträge im Gästebuch überflogen habe, gehe ich von der Leine und bereite eine Käseplatteplatte vor. Daraufhin schalte ich die Musikanlage ein und lasse mir die Jause zu prima George Strait Weihnachtsklängen munden.
18.15 Uhr Kurz nach dem Sechsuhrläuten nehme ich die Geschirrspülmaschine in Betrieb und freue mich auf einen hunde- und rentnergerechten Fernsehabend. Ich genehmige mir ein eiskaltes Budweiser aus dem Kühlschrank und läute den Feierabend mit den FOX Abendnachrichten ein. Im Anschluss wechsle ich auf den Filmkanal HBO, wo zur besten Sendezeit die lustige Komödie “Along came Polly” (auf deutsch: Und dann kam Polly) läuft.
21.00 Uhr Nach zwei heiteren Stunden schalte ich die Glotze aus und lege mich müde ins Bett. Gute Nacht.
“Und dann kam Polly” – ein sehr lustiger Film: