7. September 2017 – Von Evergreen, AL nach Pensacola Beach, FL

08.00 Uhr Ich öffne die Augen und habe keine Orientierung. Erst als ich die Hochglanzbroschüre auf dem Nachtkästen in Augenschein nehme, erinnere ich mich, dass wir gestern Abend in der Kleinstadt Evergreen im schönen Bundesstaat Alabama angekommen sind und uns in ein ECONO LODGE Motel eingemietet haben. Ich stehe ächzend auf und erkläre dem Haustier, dass die Matratze viel zu weich ist. Trotz aller Widrigkeiten öffne ich die Zimmertüre und fordere Dixon auf, selbständig Gassi zu gehen. Währenddessen poche ich an die Nachbarpforte und bringe heraus, dass Edelbert ebenfalls sehr schlecht geschlafen hat – wie schade.
08.30 Uhr Nachdem wir geplaudert und uns über den Tropensturm “Irma” ausgetauscht haben, ziehe ich mich ins Bad zurück und dusche mich kalt ab. Danach werfe ich mich in Schale und kann es kaum noch erwarten, in wenigen Stunden den Golf von Mexiko zu erreichen.


Der Tropensturm Irma

09.15 Uhr Kurz nach dem Neunuhrläuten schnüre ich mein Ränzlein und erfahre vom Professor, dass wir schnellstmöglich tanken sollten. Ich nicke eifrig und schicke mich an, nach Dixon zu rufen und meine Habseligkeiten im Wohnmobil zu verstauen. Anschliessend fahren wir hupend vom Motelparkplatz und steuern die benachbarte LKW Raststätte “Spirit Travel Center” an, um den Tank unseres TRAVATOS mit sündteurem Treibstoff aufzufüllen. Zeitgleich schoppt mein Begleiter im angeschlossenen Supermarkt ab und nimmt sich das Recht heraus, mehrere Dosen Mountain Dew Limonade einzukaufen – da kommt besonders grosse Freude auf.
10.00 Uhr Um insgesamt 70 Dollars erleichtert, setzen wir unsere Reise fort und fassen den Entschluss, in einer “Shoney’s” Gaststätte zu frühstücken. Wir nehmen mit vitaminreichen “Steak & Eggs Breakfasts” (löblich: Schnitzel und Eier Frühstück) Vorlieb und verabreden, dass uns unsere heutige Etappe bis ins schöne Pensacola Beach in Florida führen wird. Ich gebe Dixon etwas vom Schnitzel ab und beteuere, dass es eine Gaudi werden wird, den Sonnenuntergang am Golf mitzuerleben – wie aufregend.
10.30 Uhr Redlichst gestärkt bezahlen wir die Zeche in Bar und ziehen es vor, den Motor des WINNEBAGOS aufheulen zu lassen und auf der Interstate 65 nach Süden zu krusen. Unterdessen berichtet mein Begleiter, dass die Autobahn anno 1959 eröffnet wurde und den Norden mit dem Süden verbindet. Ich setze zu einem Überholmanöver an und unke, dass diese Strasse zu den meistbefahrensten der Vereinigten Staaten zählen muss.


Die meistbefahrene Strasse der Vereinigten Staaten

11.00 Uhr Nach 35 Meilen sehen wir uns genötigt, die I-65 verlassen und auf den Highway 21 wechseln zu müssen. Während Alan Jackson im Radio seinen Nummer 1 Schlag “Chattahoochee” trällert, greife ich zur Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und rufe kurzerhand bei Frau Pontecorvo an. Als sich die Dame endlich meldet, versorge ich sie mit Infos und gebe zu Protokoll, dass wir höchstwahrscheinlich am Sonntag in Naples ankommen werden. Meine Nachbarin gibt sich skeptisch und erinnert, dass der Hurrikan Irma am Wochenende über Key West hinwegfegen und auf das amerikanische Festland treffen wird. Natürlich beruhige ich die Perle sofort und gebe zu Protokoll, dass das “National Hurrican Center” davon ausgeht, dass sich der Tropensturm in den nächsten Stunden etwas abschwächen und den Collier County nur marginal streifen wird – das hört man gerne.
12.15 Uhr Alsbald passieren wir das Willkommensschild der Gemeinde Pace im Sonnenscheinstaat Florida und freuen uns, die Escambia Bay zu sehen. Ich drossle die Geschwindigkeit und merke an, dass wir gegen 13 Uhr unser Ziel erreichen werden. Edelbert ist ganz aus dem Häuschen und kündigt an, dass er den Nachmittag am Strand verbringen wird – das hört sich verlockend an.
13.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner ROLEX auf 1 zugeht, überqueren wir die kostenpflichtige Pensacola Bay Bridge und halten nach einer Übernachtungsmöglichkeit Ausschau. Edelbert macht sich im Internetz schlau und lotst mich freudestrahlend zum “Days Inn” am Via de Luna Drive. Obgleich die Zimmerpreise kaum erschwinglich sind, fackeln wir nicht lange und ringen uns dazu durch, nicht auf den Taler zu achten und zwei Zimmer mit Meerblick zu buchen – man gönnt sich ja sonst nichts.
14.00 Uhr Nachdem wir das Wohnmobil hinter der Wohnanlage abgestellt haben, schleppen wir unser Reisegepäck ins zweite Obergeschoss und sind von der Zimmerausstattung sehr angetan. Darüber hinaus spähen wir auf den azurblauen Ozean und kommen überein, dass man es in Pensacola Beach durchaus mehrere Tage aushalten kann.


Diese Idylle muss man erlebt haben

15.00 Uhr Um etwas zur Ruhe zu kommen, stecke ich Dixon einen Kauknochen ins Maul und falle dann ins Bett. In Sekundenschnelle döse ich ein und sehe mich im Traum auf einen verstaubten Highway versetzt.
16.00 Uhr Leider pocht Edelbert bald an die Türe und fordert mich auf, mit zum Golf zu kommen. Ich komme dem Aufruf anstandslos nach und nehme den Vierbeiner an die Leine. Im Anschluss vertreten wir uns die Beine und registrieren, dass sich entlang der vorgelagerten Insel nicht nur Dutzende Hotel- und Motelbetriebe, sondern auch zahlreiche Restaurants der Spitzenklasse angesiedelt haben. Edelbert pfeift laut und versichert, dass er mich am Abend in die “Riptides Sports Bar” einladen wird – dazu sage ich nicht Nein.
17.00 Uhr Um keinen Hitzeschlag zu riskieren, setzen wir uns auf eine Bank und atmen tief durch. Prof. Kuhn steckt sich seine Pfeife an und rechnet vor, dass wir in den letzten 10 Tagen knapp 1.300 Meilen durch Nordamerika gerast sind. Ich schenke Edelbert ein Lächeln und unterbreite, dass es langsam Zeit wird, das Ende der Strasse zu erreichen. Mein Freund nickt eifrig und sagt, dass es immer wieder eine Gaudi ist, an meiner Seite “on the Road” (löblich: auf der Strasse) zu sein – wie aufregend.


Wir beissen kraftvoll zu

18.00 Uhr Nachdem wir Sonne getankt und Dixon etwas Auslauf beschert haben, kehren wir ins “Riptides” ein und ordern bei einer beschürzten Bedienung mit stattlicher Oberweite zwei grosse Krüge Budweiser. Dazu gibt es delikate Cheeseburger (löblich: Käseburger) mit Fritten und Krautsalat. Um Dixon etwas Gutes zu tun, lasse ich ihn vom Burger abbeissen und stelle klar, dass er in drei Tagen endlich wieder in seinem Körbchen schlafen kann.
20.00 Uhr Ein schöner Abend neigt sich seinem Ende zu und wir schicken uns an, zum Motel zu spazieren. Edelbert legt beste Laune an den Tag und bekräftigt, dass wir morgen etwas länger schlafen und erst gehen 10 Uhr weiterfahren sollten. Ich stimmt prompt zu und wünsche dem Professor eine ruhige Nacht.
21.00 Uhr Nach einer erfrischenden Dusche lege ich mich ins Bett und schalte die Glotze ein. Auf FOX informiere ich mich eingehend über den Tropensturm “Irma” und lerne, dass zahlreiche Bildungseinrichtungen im Süden Floridas mittlerweile geschlossen und die Menschen angehalten wurden, sich nach Norden zu begeben. Ich komme aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus und lösche nachdenklich das Licht.

29. Oktober 2012 – Hurrican Sandy

07.30 Uhr Die letzte Oktoberwoche beginnt und ich treffe Sandra zigarettepaffend auf der Terrasse an. Das unterbelichtete Kind zieht genüsslich am Glimmstängel und macht auf den Umstand aufmerksam, dass am Mittwoch Halloween gefeiert wird. Ich schlage entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen und unke, dass in zwei Tagen randalierende Kinder klingeln und um Süssigkeiten betteln werden. Meine Mieterin nickt eifrig und kündigt an, dass wir heute zum WAL MART fahren und Halloweenartikel besorgen werden – papperlapapp.
09.00 Uhr Nach dem Badevergnügen statten wir Frau Pontecorvo einen Besuch ab und laben uns an einem deftigen Frühstück. Während ich kraftvoll zubeisse, kommt Sandra erneut auf das anstehende Fest zu sprechen und erkundigt sich, ob meine Nachbarin ihr Haus ebenfalls schmücken wird. Frau Pontecorvo stimmt zu und unterbreitet, dass sie Lichterketten in die Fenster hängen und einen beleuchteten Kürbis vor die Haustüre legen wird. Um weitere Diskussionen zu vermeiden, zucke ich mit den Schultern und erkläre mich bereit, im Supermarkt preiswerte Dekorationsartikel zu besorgen.
11.00 Uhr Redlichst gestärkt scheuchen wir Hund Dixon zum PS-strotzenden SUV und rasen zum 2 Meilen entfernten MAL MART, um die feilgebotenen Halloweenschnäppchen in Augenschein zu nehmen. Sandra ist von dem ausgestellten Schrott sichtlich angetan und schlüpft freudig in ein schwarzes Batgirl (löblich: Fledermausmädchen) Kostüm. Frau Pontecorvo schmunzelt in einer Tour und animiert mich, Sandras Beispiel zu folgen und eine Batman (löblich: Fledermausmann) Verkleidung zu erwerben – das hätte gerade noch gefehlt.
11.30 Uhr Missmutig rolle ich den Einkaufswagen zum nächsten Regal und wähle farbenfrohe Girlanden aus, die den Eingangsbereich meiner kleinen Villa schmücken sollen. Dummerweise reden die beiden Damen immer weiter auf mich ein und ermutigen mich, über meinen Schatten zu springen und eine Maskierung auszusuchen.
12.00 Uhr Nachdem wir einen Plastikkürbis in den Einkaufswagen verladen haben, wende ich mich seufzend den Kostümen zu und ringe mich dazu durch, 30 Dollars für eine Polizeiuniform auszugeben. Frau Pontecorvo ist begeistert und meint, dass die Nachbarn aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen werden.
13.15 Uhr Um insgesamt 60 Dollars erleichtert, laufen wir zum Auto und fassen den Entschluss, das Mittagessen auswärts einzunehmen. Ich steuere das KFZ kurzerhand zu Julies Restaurant und lasse es mir nicht nehmen, meine Begleiter zu einer reichhaltigen Mahlzeit einzuladen. Währenddessen tausche ich mich mit Sandra aus und höre, dass die junge Frau den Abend nutzen möchte, um mit Frau Carol abzuschoppen. Ich beäuge meine Mieterin argwöhnisch und beauftrage sie, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und Zuckerstangen, Bonbons, Pralinen sowie andere Leckereien einzukaufen.
14.30 Uhr Endlich bin ich wieder zu Hause und kann dem Vierbeiner eine nahrhafte Trockenfuttermahlzeit vorsetzen. Danach bette ich mich im Wohnzimmer zur Ruhe und träume von meiner letzten Kulturreise in den grossen Apfel.
15.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und werde Zeuge, wie Sandra die Girlanden auf die fliegenvergitterte Terrasse schleppt. Da es draussen viel zu warm ist, bleibe ich in der klimatisierten Stube und probiere die dunkelblaue Polizeiuniform an. Im Anschluss nehme ich am Schreibtisch platz und rufe Hilferufe besorgter Erziehungsberechtigter ab. Natürlich quillt der elektronische Postkasten wieder einmal über und ich sehe mich genötigt, verzweifelten Heimseitenbesuchern bei schwerwiegenden Problemen zu helfen.
16.15 Uhr Just als ich die Depesche eines 41jährigen Dresdners lese, dessen Tochter gefährlichen Drogen verfallen ist, stösst Sandra die Terrassentüre auf und macht grosse Augen. Mein Gast klopft sich lachend auf die Schenkel und sagt, dass die Uniform wie angegossen passt. Ich schlage in die gleiche Kerbe und entgegne, dass mich Scherriff Bradfort womöglich bald in den Polizeidienst aufnehmen wird.
17.00 Uhr Nachdem wir die Haustüre geschmückt haben, kehre ich in die kleine Villa zurück und bereite das Abendessen vor. Fachmännisch schwenke ich Butter in einer Pfanne und lasse Dixon wissen, dass wir heute ein vitaminreiches T-Bone Steak (löblich: T Knochen Schnitzel) essen werden. Als ich Sandra aufrufe, mir Gesellschaft zu leisten, lehnt sie dankend ab und erinnert daran, dass sie Carol in der Stadt treffen wird – das ist wieder typisch.
18.30 Uhr Nach dem Abendessen mache ich es mir im Wohnzimmer bequem und fröne in Gesellschaft meines braven Haustieres den Abendnachrichten auf FOX. Unter anderem lerne ich, dass ein gewaltiger Sturm die Millionenmetropolen New York und Washington DC bedroht. Der Hurrikan “Sandy” wirbelt sogar den Wahlkampf von (Noch-)Präsident Barack Obama ordentlich durcheinander. Weiter erfahre ich, dass der Mann einige Reden ersatzlos streichen musste – das soll mir auch Recht sein.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit erfreue ich mich an neuen Episoden der Kriminalserie “Dexter” auf dem Bezahlsender SHOWTIME – da kommt Freude auf.
21.00 Uhr Zum Abschluss des anstrengenden Tages unternehme ich einen Spaziergang und fordere den Vierbeiner auf, Familie Booths Rosenstauden zu bewässern. Zu guter Letzt lösche ich das Licht und gehe müde ins Bett. Gute Nacht.

Hurricane Sandy:


Foto: National Hurricane Center 
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