08.30 Uhr Weil der gestrige Theaterbesuch länger gedauert hat, hüpfe ich heute erst kurz vor halb 9 aus den Federn. Voller Tatendrang wische ich mir den Schlaf aus den Augen und nehme mir das Recht heraus, die Jalousien im Gästezimmer nach oben gleiten zu lassen und in den verschneiten Vorgarten zu spähen – das macht Spass.
09.00 Uhr Nach dem Frühsport erhebe ich den Zeigefinger und animiere Hund Dixon, nach unten zu laufen und Maria zu besuchen. Währenddessen verabschiede ich mich in die Nasszelle, um den jungen Tag mit einem Schaumbad zu beginnen. Nebenher navigiere ich mit dem iPad durch das weltweite Internetz und bringe heraus, dass heute in Kanada der sogenannte “Commonwealth Day” gefeiert wird. Ich reibe mir die Nase und lese weiter, dass dieser Gedenktag alljährlich am 12. März stattfindet und an den Zusammenschluss der ehemaligen britischen Kolonien erinnern soll – da kommt besonders grosse Freude auf.
Heute wird der Commonwealth Day gefeiert
10.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner ROLEX auf 10 deutet, rutsche ich auf dem Treppengeländer ins Parterre und stelle fest, dass meine Verwandten bereits am Frühstückstisch Platz genommen haben. Ich geselle mich spornstreichs dazu und höre, dass Edelbert mit dem Vierbeiner zur “Centerpoint Mall” marschiert ist, um eine Zeitung zu kaufen. Ich zucke mit den Schultern und beisse kraftvoll in ein französisches Hörnchen (unlöblich: Croissant). Darüber hinaus bringe ich einen Ausflug ins Zentrum zur Sprache und stelle klar, dass es eine Gaudi wäre, den CN Tower (löblich: CN Turm) zu besuchen. Georg nimmt mir jedoch den Wind aus den Segeln und meint, dass es angesichts der vielen Touristen schlauer wäre, zur Dundas Street zu krusen – wie aufregend.
Der CN Turm
10.30 Uhr Während ich meine Kehle mit brühfrischen Bohnentrunk spüle, stösst der Professor die Haustüre auf und präsentiert die aktuelle Ausgabe des “Toronto Stars” sowie die landesweit erscheinende Tageszeitung “National Post”. Ferner schimpft der schlaue Mann über das kalte Wetter und mutmasst, dass es bald wieder schneien wird. Ich begrüsse den Professor per Handschlag und lasse ihn wissen, dass wir gleich “Little Portugal” erkunden werden. Edelbert reibt sich die Hände und genehmigt sich vor der Abfahrt ebenfalls ein Heissgetränk – wie schön.
11.00 Uhr Während es Maria vorzieht, zuhause in der guten Stube zu bleiben, scheuchen wir Dixon nach draussen und helfen ihm mit vereinten Kräften in den PS-strotzenden Geländewagen. Danach zwänge ich mich auf den Beifahrersitz und ermutige Georg, das Gaspedal bis zum Anschlag durchzudrücken. Natürlich meldet Edelbert prompt Bedenken an und verweist auf die rutschigen Strassen – papperlapapp.
11.30 Uhr Während der kurzweiligen Reise plappert Georg ohne Unterlass und beteuert, dass die Dundas Strasse durch das beliebte Immigrantenviertel “Little Portugal” (löblich: Klein Portugal) führt. Ich schlage in die gleiche Kerbe und merke an, dass ich das besagte Viertel schon einige Male besucht und mich dort sehr wohl gefühlt habe.
Saint Anne’s Anglican Church / Bild: SimonP / CC BY-SA 3.0
12.00 Uhr Pünktlich zum Mittagsleuten erreichen wir unser Ziel und können das Auto am Lisgar Park abstellen. Wie es sich gehört, nehme ich den Rüden an die Leine und folge meinen Begleitern zur Queen Street, an der sich viele Läden und einladende Delikatessengeschäfte angesiedelt haben. Während der erquickenden Wanderung kommen wir aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und stellen plötzlich fest, dass unsere Mägen zu knurren anfangen.
12.30 Uhr Um nicht vom Fleisch zu fallen, kehren wir alsbald ins “El Almacen” Restaurant ein, wo wir köstliche “Sardinhas Assadas” (löblich: Sardinen vom Grill) mit gekochten Kartoffeln und Salat verzehren. Dazu trinken wir süffigen portugiesischen Rotwein und kommen überein, dass der Labrusco ganz vorzüglich mundet. Edelbert ist bestens informiert und setzt uns darüber in Kenntnis, dass diese Rebensorte ausschliesslich in der nordportugiesischen Region Douro angebaut wird – das soll mir auch Recht sein.
Der Rebentrunk schmeckt prima
13.30 Uhr Nachdem wir die Mahlzeit mit portugiesischem Gebäck und Schaumkaffees abgerundet haben, stecken wir dem gestriegelten Kellner ein stattliches Trinkgeld zu. Im Anschluss vertreten wir uns weiter die Beine und bescheren Dixon auf dem beliebten “Oyster Playground” an der Humbert Street etwas Auslauf. Edelbert und Georg paffen unterdessen Zigarren und tratschen angeregt über den Eishockeysport. Mein Bruder gibt sich uns als Anhänger der “Maple Leafs” zu erkennen und kündigt grossspurig an, dass seine Lieblingsmannschaft am kommenden Mittwoch gegen die “Dallas Stars” im örtlichen “Air Canada Centre” antreten werden – wie langweilig.
14.30 Uhr Schlussendlich sehen wir uns in einem Andenkenladen um und ich ringe mich dazu durch, für vierzehn Dollars ein schönes T-Hemd mit “Toronto” Aufdruck für Frau Pontecorvo zu erwerben. Edelbert folgt meinem Beispiel und investiert etliche Scheine in lustige Salz- und Pfefferstreuer – da kommt Freude auf.
15.15 Uhr Wenig später stehen wir am Auto und klopfen uns den Schnee von den Stiefeln. Danach treten wir die Heimreise an und frönen dem Programm des beliebten Radiosenders KX96. Unter anderem haben wir das Vergnügen, stimmungsvolle Lieder von Keith Urban und Rosanne Cash zu hören – was kann es schöneres geben.
16.15 Uhr Zuhause angekommen, werden wir von Maria herzlich begrüsst. Die Perle lotst uns zuvorkommend ins Esszimmer und meint, dass sie das Abendessen in wenigen Minuten auftischen wird. Wir lecken uns die Lippen und nutzen die Wartezeit, um einen rauchigen Whiskey zu trinken.
Auch der Whiskey schmeckt prima
17.00 Uhr Während das Feuer im Kamin knistert, serviert meine Schwägerin einen köstlichen Schweinebraten mit Kartoffelknödel und ermutigt uns, auch vom Krautsalat zu kosten – das ist doch eine Selbstverständlichkeit
18.00 Uhr Mit vollen Mägen setzten wir uns ins Wohnzimmer und beschliessen den Tag mit einem gepflegten Fernsehabend. Um auf den neuesten Stand zu kommen, sehen wir uns die Nachrichten an und lernen, dass der kanadische Premierminister Justin Trudeau anlässlich des heutigen Feiertages ein Fernsehinterview gegeben hat.
19.00 Uhr Zur Hauptfernsehzeit wählen wir den Premiumsender HBO aus und erfreuen uns an der britischen Dokumentation “Elstree 1976”. Der abendfüllende Bericht erzählt aus den Leben einiger Laiendarsteller, die Mitte der 1970er Jahre das grosse Glück hatten, als Komparsen beim wegweisenden Zukunftsfilm “Krieg der Sterne” mitzuwirken – da kommt Spannung auf.
20.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung reiche ich die Fernbedienung an Georg weiter und unternehme mit Dixon einen letzten Gassigang durchs Wohngebiet.
20.30 Uhr Nachdem ich mich von Prof. Kuhn und meiner Familie verabschiedet habe, ziehe ich mich ins Gästezimmer zurück und lege mich gähnend ins Bett. Gute Nacht.