11. April 2016 – Frau Blanche zu Besuch

pfaffenbergkl

08.00 Uhr Der Radiowecker springt an und läutet den 102. Tag des Jahres mit stimmungsvoller Landmusik ein. Ich rolle mich augenblicklich aus dem Wasserbett und beginne den Morgen mit dem Frühsport auf der Terrasse. Dummerweise gerate ich dabei ins Visier meiner Nachbarin und sehe mich genötigt, mit Frau Pontecorvo tratschen zu müssen. Die Perle kommt auf den Besuch ihrer bekloppten Freundin zu sprechen und sagt, dass Frau Blanche am gestrigen Abend in Naples eingetroffen ist. Ferner lädt mich die kleine Frau zum Frühstück ein und verspricht, zur Feier des Tages Pfannkuchen zuzubereiten – wir furchtbar.

radiowecker
Der Radiowecker springt an

08.30 Uhr Als der Minutenzeiger meiner goldenen ROLEX auf halb 9 deutet, verabschiede ich mich ins Badezimmer und entspanne mich bei einem Wirbelbad mit Eukalyptusöl. Weil gutes Aussehen heutzutage besonders wichtig ist, wasche ich mir die Haare und vergesse auch nicht, mir die Bartstoppeln abzurasieren. Danach rufe ich kurzentschlossen bei Edelbert an und gebe zu Protokoll, dass ich von Frau Pontecorvo zum Frühstück eingeladen wurde. Als ich auf Frau Blanche zu sprechen komme, lacht der Professor herzlich und wünscht mir viel Vergnügen – gleich platzt mir der Kragen.
09.30 Uhr Nach dem Badespass nehme ich einen kräftigen Schluck aus der Whiskeyflasche und stelle die Klimaanlage etwas höher. Anschliessend laufe ich nörgelnd zum Nachbarhaus und erkenne, dass die Frauenzimmer die wichtigste Mahlzeit des Tages auf der schattigen Veranda einnehmen. Wie es sich gehört, begrüsse ich die Damen herzlich und lasse mich dann am festlich gedeckten Tisch nieder. Frau Pontecorvo füllt meine Kaffeetasse mit brühfrischen Bohnentrunk auf und schlägt vor, dass wir nach der Jause in die Stadt krusen und einen Bummel unternehmen könnten. Selbstverständlich winke ich demonstrativ ab und erwähne, dass ich gegen 11 Uhr einem wichtigen Termin nachkommen muss. Frau Blanche wird sogleich hellhörig und lotet aus, ob ich krank bin und zum Arzt gehen muss – papperlapapp.
10.30 Uhr Als ich kraftvoll zubeisse und mich an den gezuckerten Eierkuchen labe, löchert mich Frau Blanche mit Fragen und stellt die Behauptung auf, dass ich um die Hüften etwas zugelegt habe. Ich werfe der Frau skeptische Blicke zu und informiere, dass ich bestens in Schuss bin und seit vielen Jahren mein Idealgewicht halte.

pfannkuchen
Ich beisse kraftvoll zu

11.00 Uhr Nun wird es mir zu bunt. Ich tippe auf meine Armbanduhr und stelle klar, dass ich mich nun sputen muss. Bevor Frau Blanche Widerworte findet, stehe ich auf und scheuche Hund Dixon zum Chevrolet. Spornstreichs zwänge ich mich hinters Lenkrad und steuere die EXXON Tankstelle an der Immokalee Road an, um das Auto mit 20 Gallonen Premium Benzin zu befüllen.
11.30 Uhr Nach dem Bezahlvorgang gleite ich zur benachbarten CALYPSO Waschanlage und erkläre einem kleinwüchsigen Mitarbeiter namens Tarid, dass er PS-strotzende SUV eine Wäsche vertragen kann. Der Araber nickt eifrig und macht es sich zur Aufgabe, den Chevrolet Suburban mit dem Dampfstrahler abzuspritzen. Anschliessend lotst mich der Knecht in die Waschstrasse und knöpft mir 15 Dollars ab – wo soll das noch hinführen.
12.00 Uhr Wenig später rolle ich aus der Anlage und nehme mir das Recht heraus, trotz meines hupenden Hintermannes aus dem Auto auszusteigen und nach Dellen in der Karosserie Ausschau zu halten. Erst nachdem ich sichergestellt habe, dass das Fahrzeug nicht beschädigt wurde, kruse ich zügig in Richtung Flughafen davon.
12.30 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, komme ich mit quietschenden Bremsen vor dem “Olive Garden” Italiengasthaus zum halten und gönne mir in der klimatisierten Wirtsstube ein nahrhaftes Mittagessen. Ich ordere bei einem beschürzten Kellner “Fettuccine Alfredo” mit Beilagensalat und bitte ihn, ausserdem etwas Schinken für mein Haustier aufzufahren. Dazu gibt es ein Vollbier aus dem Hause Anheuser & Busch – das tut gut.

budweiser
Oans, zwoa – g’suffa

13.00 Uhr Nachdem ich die Mahlzeit mit einem Schaumkaffee und einem Stück “Warm Apple Crostata” (löblich: warmer Apfelkuchen) abgerundet habe, gebe ich ein kleines Trinkgeld und bedanke mich artig für die Bewirtung.
13.30 Uhr Endlich bin ich wieder zu Hause und kann das Auto in der Doppelgarage abstellen. Um nicht den Nachmittag mit Frau Pontecorvo und Blanche verbringen zu müssen, ziehe ich mich in die kleine Villa zurück und schliesse sämtliche Fenster. Im Anschluss falle ich schnaufend aufs Kanapee und döse schnell ein.
14.30 Uhr Leider wird mein Müssiggang bald durch den kläffenden Vierbeiner gestört. Dixon scharrt unentwegt an der Terrassentüre und animiert mich, ihn in den Garten zu lassen. Augenrollend komme ich der Bitte nach und fordere den Rüden auf, einen grossen Bogen um Frau Pontecorvos Zuhause zu machen.
15.00 Uhr Während der Rüde im Teich planscht, komme ich meinen Pflichten als Anschnurseelsorger nach. Wie es sich gehört, gebe ich Ratschläge zum Umgang mit widerspenstigen Jugendlichen und animiere einen alleinerziehenden Vater aus Buxtehude, seiner 15jährigen Tochter das strahlende Handtelefon wegzunehmen.

schwarzbeere
Handtelefone – Ich sage Nein

16.00 Uhr Nach einer Stunde fahre ich den Heimrechner mausdrückend herunter und stelle mir grosser Sorge fest, dass Dixons Pfoten verdreckt sind. Wildgestikulierend scheuche ich den Lausbuben nach draussen und spritze ihn mit dem Gartenschlauch ab – was muss ich denn noch alles ertragen.
17.00 Uhr Nachdem ich das Petersilienbeet bewässert habe, mache ich mich in der Küche nützlich und erwärme ein tiefgefrorenes Nudelschichtgericht (unlöblich: Lasagne) im Kleinwellenofen. Dazu gibt es einen Tomatensalat mit perfekt aufgeschnittenen Zwiebelringen und Oliven aus dem Glas – schmeckt gar nicht schlecht.
18.00 Uhr Zum Abschluss des langen Tages lege ich im Wohnzimmer die Beine hoch und schalte die Glotze ein, um mich auf FOX über die tagesaktuellen Geschehnisse zu informieren.

19.00 Uhr Zur Hauptfernsehzeit wechsle ich auf HBO und gebe mich dem Gruselfilm “Piranhas” hin. Die Erfolgsproduktion aus dem Jahre 1978 erzählt aus dem Leben einer Privatdetektivin, die auf dunkle Machenschaften des Militärs aufmerksam wird. Schon bald wird der resoluten Dame klar, dass die amerikanische Regierung gefährliche Raubfische speziell für den Vietnamkrieg gezüchtet hat – so ein Unsinn.
21.00 Uhr Als der Abspann über die Mattscheibe flimmert, beende ich den Fernsehabend und unternehme mit Dixon einen kleinen Rundgang durch den Garten. Zu guter Letzt lösche ich das Licht und lege mich schlafen. Gute Nacht.