07.45 Uhr Ich werde durch mein fiependes Haustier geweckt und bemerke, dass ich den Radiowecker überhört habe. Weil meine Zeit äusserst knapp bemessen ist, stehe ich ruckzuck auf und eile auf die Terrasse. Zu allem Überfluss finde ich Sandra planschend im Jacuzzi vor und höre, dass das Kind ins Landesinnere fahren möchte. Meine Mieterin fuchtelt mit ihrem Handtelefon herum und sagt, dass sie mit Frau Pontecorvo telefoniert und den “Big Cypress Preserve” (löblich: Grosse Zypressen Schutzgebiet) besuchen will.
09.00 Uhr Nach einem Wirbelbad leiste ich Sandra beim wichtigsten Mahl des Tages Gesellschaft und bringe heraus, dass wir in einer Stunde losfahren werden. Ausserdem kommt die Maid auf Frau Pontecorvo zu sprechen und unterbreitet, dass uns die Alte begleiten wird – das kann ja heiter werden.
10.00 Uhr Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, scheuche ich Dixon zum Chevrolet und zögere nicht, das Signalhorn ertönen zu lassen. Meine Nachbarin lässt nicht lange auf sich warten und sagt, dass sie eine Wegzehrung vorbereitet hat. Da meine Kehle ausgetrocknet ist, genehmige ich mir eine Dose Diät Coca Cola und lasse dann den Wählhebel der Automatikschaltung in der “D” Stellung einrasten.
10.30 Uhr Mit durchdrehenden Pneus rase ich gen Osten davon und fröne während der kurzweiligen Reise dem Qualitätsprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land). Unter anderem hören wir, dass heute 167 Millionen Amerikaner aufgerufen sind, einen neuen Senat sowie einen neuen Präsidenten zu wählen – wie aufregend.
11.30 Uhr Nach einer Stunde verlassen wir den Highway 41 und fahren auf einem Schotterweg in die Everglades. Sandra knipst Photos am laufenden Band und unkt, dass in diesen Wäldern gefährliche Tiere hausen. Ich gebe dem unterbelichteten Kind Recht und flunkere, dass in diesen Breitengraden der sagenumwobene “Skunk Ape” (löblich: Stinktieraffe) zu Hause ist. Meine Nachbarin bestätigt dies und erzählt, dass Jäger im Jahre 1997 einen 2 Meter grossen Affen gesehen haben wollen.
12.00 Uhr Endlich erreichen wir einen Campingplatz und können das KFZ auf einem Besucherparkplatz abstellen. Mit schmerzendem Rücken quäle ich mich aus dem Fahrersitz und gebe vor, dass wir nun dem befestigten Wanderweg folgen und die Sümpfe erkunden werden. Sandra ist hellauf begeistert und wirft Dixon Stöckchen zu.
13.15 Uhr Wenig später treffen wir auf einen bärtigen Park Ranger (37) und vernehmen, dass es nicht anzuraten ist, ins Unterholz zu spazieren. Der freundliche Zeitgenosse steckt sich eine Zigarette an und plappert weiter, dass gestern ein schwedischer Rucksacktourist von einem Panther angefallen wurde – wie unlöblich. Obgleich ich keine Angst kenne, nehme ich mir den Ratschlag zu Herzen und mache schnell kehrt.
14.30 Uhr Völlig verschwitzt erreichen wir das frisch aufpolierte KFZ und ziehen es vor, die mitgebrachte Brotzeit zu verzehren. Unterdessen reibt sich Sandra die Hände und meint, dass die Everglades sehr schön sind. Ich beisse kraftvoll in ein Thunfischsandwich und mache die Maid darauf aufmerksam, dass der Staat alljährlich ein kleines Vermögen für den Umwelt- und Tierschutz bereitstellt.
15.00 Uhr Nachdem wir uns im Waschraum erfrischt haben, lasse ich den Motor aufheulen und gleiten entspannt nach Naples zurück. Um etwas Abwechslung zu bekommen, fahre ich am Meer entlang und gebe Frau Pontecorvo zu verstehen, dass Sandra in zwei Tagen abreisen wird. Meine Nachbarin seufzt laut und wirft ein, dass der Urlaub viel zu schnell vergangen ist – wie unlöblich.
16.00 Uhr Zuhause angekommen, stelle ich die schweren Kuhjungenstiefel weg und mache es mir im klimatisierten Wohnzimmer bequem. Bereits nach wenigen Augenblicken döse ich ein und träume von meiner spannenden Forschungsreise quer durch den nordamerikanischen Kontinent.
17.00 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und schalte den Fernseher ein, um mich über die Präsidentschaftswahl zu informieren. Sandra macht sich währenddessen in der Küche nützlich und zaubert ein Nudelgericht mit Pesto.
17.30 Uhr Als das Kind ordentliche Portionen serviert, meldet der Fernsehsprecher, dass die Bürger Floridas im Jahre 2008 Barack Obama das Vertrauen ausgesprochen haben. In diesem Jahr gehen die Meinungsforschungsinstitute jedoch davon aus, dass Mitt Romney die Mehrheit im Sonnenscheinstaat erringen wird – das ist phantastisch.
19.00 Uhr Gespannt folgen wir den FOX Abendnachrichten und lernen, dass das amtliche Endergebnis nicht vor Mitternacht zu erwarten ist. Trotzdem lege ich beste Laune an den Tag und entkorke eine Flasche Schaumwein der Nobelmarke Veuve Clicquot. Sandra nippt genüsslich am Sektkelch und meint, dass ich mir meiner Sache nicht zu sicher sein sollte. Ich winke demonstrativ ab und erwidere, dass Barack Obama in wenigen Stunden die Rechnung für vier Jahre Misswirtschaft erhalten wird.
21.00 Uhr Zwei Stunden später trudeln die ersten Auszählungen ein und wir erfahren, dass Mitt Romney auf die Wahlmänner aus South Carolina, North Carolina, Georgia und Texas zählen kann. Weil die Abstimmung äusserst knapp ist, hole ich eine weitere Flasche Schaumwein aus dem Eiskasten und entschliesse mich, noch etwas aufzubleiben.
22.00 Uhr Während Sandra Kartoffelchips knabbert, berichtet der CNN Sprecher, dass die Stimmauszähler in Florida ein Patt zwischen den amtierenden Präsidenten und seinem Herausforderer sehen – das ist ja allerhand. Ich reguliere die Klimaanlage und erhalte ausserdem die Auskunft, dass Romney nach 15 ausgezählten Staaten knapp vorne liegt.
23.15 Uhr Kurz nach 23 Uhr melden die grossen Fernsehanstalten, dass Barack Obama weitere vier Jahre im Amt bleiben wird. Obwohl die Stimmauszählung immer noch im Gang ist, scheinen die sogenannten “Swing States” Florida, Wisconsin, New Hampshire und Ohio an Obama zu gehen – wie schade.
23.30 Uhr Da die Wahl entschieden ist, reiche ich die Fernbedienung an Sandra weiter und ziehe mich ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.
Das amtliche Endergebnis 2012: