25. September 2014 – Edelberts Geburtstag

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08.00 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und lese auf dem Wandkalender, dass Edelbert heute sein Wiegenfest feiert. Obgleich der schlaue Mann auf seinen Geburtstag nicht viel gibt, entschliesse ich mich, ihm trotzdem eine Freude zu bereiten – immerhin zählt der Professor seit vielen Jahrzehnten zu meinen besten Freunden.
08.30 Uhr Just als ich meine Muskeln an der frischen Luft stähle, kommt Frau Pontecorvo dazu und möchte wissen, ob ich zum Frühstück herüberkommen möchte. Ich schüttle den Kopf und antworte, dass ich Edelbert einen Besuch abstatten werde. Als ich der Alten verrate, dass mein Bekannter Geburtstag feiert, strahlt sie wie ein Honigkuchenpferd und sagt, dass sie mich begleiten wird – wie schön.
09.30 Uhr Nach dem Badevergnügen scheuche ich Dixon zum Chevrolet und vergesse auch nicht, am Nachbarhaus zu schellen. Frau Pontecorvo lässt nicht lange auf sich warten und präsentiert Blumen aus dem eigenen Garten. Ich lasse den PS-strotzenden Motor aufheulen und informiere, dass ich mich nicht lumpen lassen und im Barnes & Noble Buchgeschäft eine kleine Aufmerksamkeit besorgen werde. Ruckzuck fahren wir aus dem Wohngebiet und steuern das “Waterside” (löblich: Wasserseiten) Einkaufszentrum am Tamiami Trail an.

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Blumen aus dem eigenen Garten

10.00 Uhr Mit knurrendem Magen lotse ich Frau Pontecorvo und den Vierbeiner ins Kaufhaus und gebe zu Protokoll, dass der Professor gerne Biografien liest. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, eilen wir in die Buchhandlung und nehmen die Neuerscheinungen in Augenschein. Schon bald stosse ich auf den neuen Roman des Politikwissenschaftlers Henry Kissinger und erfahre beim Blick auf den Waschzettel, dass sich “World Order” (löblich: Weltordnung) mit den Machverhältnissen auf unserem Planeten beschäftigt. Ich schnippe mit den Fingern und erkläre meiner Begleiterin, dass Edelbert dieses Buch im Handumdrehen verschlingen wird.


Henry Kissinger – World Order

11.00 Uhr Nachdem wir edle Pralines in einem Feinkostladen gekauft haben, kehren wir zum Auto zurück und rasen in Richtung Zentrum weiter. Unterdessen drehe ich am Lautstärkeregler des Radios und habe das Vergnügen, prima Landmusik (unlöblich: Countrymusic) auf der Frequenz von WCKT CAT COUNTRY zu hören.
11.30 Uhr Kurz vor der Mittagszeit kommen wir mit quietschenden Bremsen im Innenhof von Edelberts Wohnanlage zum Halten. Ich helfe Frau Pontecorvo als Kavalier der alten Schule vom Beifahrersitz und zögere nicht, kurzerhand an Prof. Kuhns Klingel zu schellen. Nach wenigen Sekunden erscheint Edelbert auf dem Balkon und heisst uns herzlich Willkommen. Wir erklimmen die Treppen ins zweite Obergeschoss und wünschen dem Professor alles Gute. Edelbert nimmt die Geschenk dankbar an und informiert, dass er auf seinen Geburtstag eigentlich keinen grossen Wert legt. Trotzdem winkt uns der gute Mann freudestrahlend herein und serviert brühfrischen Kaffee sowie vitaminreiche Sandwiches (löblich: beleget Brote) – wie schön.

sandwich
Wir beissen kraftvoll zu

12.30 Uhr Während ich Dixon vom Brot abbeissen lasse, blättert Edelbert in Herrn Kissingers Buch und behauptet, dass der 91jährige ein düsteres Bild malt und davon ausgeht, dass die Welt im Chaos versinken wird. Edelbert zitiert aus einem Kapitel und setzt uns darüber in Kenntnis, dass eine grosse Bedrohung von Massenvernichtungswaffen ausgeht, die von Schurkenstaaten an Terroristen veräussert werden – wie furchtbar.
13.15 Uhr Wir beenden die Brotzeit und verabreden, dass wir nun Dixon etwas Auslauf verschaffen sollten. Ich setze meine NY YANKEES Kappe auf und nehme das Haustier spornstreichs an die Leine. Danach fahren wir mit dem Lift nach unten und schlendern zur 5th Avenue South, die heute von besonders vielen Touristen bevölkert ist.
14.00 Uhr Trotz des Andrangs lassen wir uns die gute Laune nicht verderben und leisten uns in einem Kaffeehaus lustige Eisbecher mit Erdbeeren und Schlagobers. Bei dieser Gelegenheit diskutieren wir über die Rolle Amerikas in der Welt und sind einstimmig der Meinung, dass nur die Vereinigten Staaten für Ordnung sorgen können.
15.00 Uhr Weil Edelbert mit seinem Sohn telefonieren will, verabschieden wir uns und hüpfen ins Auto. Ich bringe Frau Pontecorvo sicher in den Willoughby Drive zurück und unterbreite während der Reise, dass ich mich auf einen ruhigen Nachmittag freue.
15.30 Uhr Zuhause angekommen, werfe ich die Haustüre ins Schloss und falle gähnend aufs Kanapee. Während Dixon im Garten bleibt, strecke ich die Beine aus und döse schnell ein – das tut gut.

dixon
Hund Dixon bleibt im Garten

16.30 Uhr Ich öffne die Augen und bemerke beim Blick auf die Wanduhr, dass es mittlerweile halb Fünf geschlagen hat. Seufzend stehe ich auf und setze mich an den Heimrechner, um die Anschnurseelsorge zu erledigen. Im Posteingang stosse ich nicht nur auf Hilferufe besorgter Eltern, sondern auch auf eine Nachricht meines löblichen Neffen. James schreibt, dass er derzeit im Aufnahmestudio an neuen Kompositionen feilt. Ferner bringe ich heraus, dass der Bube zum Jahresende ein neues Album veröffentlichen wird – das ist phantastisch.
17.30 Uhr Zum Abschluss der Anschnursitzung nehme ich die neuen Einträge im Gästebuch in Augenschein. Danach laufe ich in die Küche und richte eine Wurstplatte mit Gurkenhappen aus dem Glas an – das schmeckt.
18.15 Uhr Nach dem Abendessen gehe ich zum gemütlichen Teil über und lasse mich neben dem Hund auf dem Wohnzimmersofa nieder. Unter anderem schaue ich mir die Nachrichten an und lerne, dass heute vor 33 Jahren mit Sandra Day O’Connor die erste Frau als Richterin am Supreme Court vereidigt wurde – das soll mir auch Recht sein.

http://www.youtube.com/watch?v=PhGQxLFS_P4

19.00 Uhr Zur besten Sendezeit schalte ich auf HBO um und fröne der Erfolgsserie “Getting On”, die von frustrierten Krankenschwestern in einem heruntergekommenen Krankenhaus erzählt – da kommt Freude auf.
21.00 Uhr Nach drei heiteren Episoden flimmert der Abspann über die Mattscheibe. Ich atme tief durch und begleite Dixon noch einmal in den Garten. Anschliessend reguliere ich die Klimaanlage und lege mich ins Bett. Gute Nacht.