23. Februar 2018 – Hannah

08.00 Uhr Langsam aber sicher geht auch die 8. Woche des Jahres 2018 zu Ende. Wie es sich gehört, stehe ich zeitig auf und läute den sonnigen Morgen mit dem Frühsport auf der Terrasse ein. Während Hund Dixon mit einem Tennisball im Garten spielt, lockere ich meine Glieder und schlage sogar ein Rad.


Dixon spielt mit einem Tennisball

08.45 Uhr Da man sich nicht ungewaschen an den Frühstückstisch setzen sollte, entspanne ich mich bei einem Wirbelbad und nutze die Zeit, um mit dem iPad die neuesten Meldungen abzurufen. Unter anderem lerne ich, dass in zwei Tagen die XXIII. Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang mit einer grossen Abschiedsfeier zu Ende gehen werden. Ich tippe mir demonstrativ an die Schläfe und ziehe es vor, den Flachheimrechner beiseite zu legen und mir die Haare zu waschen.
09.45 Uhr Nach dem Badespass setze ich mich an den Frühstückstisch und lasse mir die wichtigste Mahlzeit des Tages schmecken. Ferner telefoniere ich mit Edelbert und bringe heraus, dass er heute verhindert ist und mich nicht treffen kann. Als ich genauer nachfrage, rückt der gute Mann mit der ganzen Wahrheit heraus und beteuert, dass er von Familie Satesh zum Mittagessen eingeladen wurde – das soll mir auch Recht sein.


Frau Pontecorvo hat einen Käsekuchen gekocht

10.15 Uhr Als die Zeiger meines goldenen Chronographens auf Viertel nach 10 zugehen, räume ich den Tisch ab und bin überrascht, als plötzlich Frau Pontecorvo an die Terrassentüre pocht. Meine Nachbarin wünscht mir einen schönen Morgen und informiert, dass sie einen Käsekuchen gebacken hat. Bevor ich mich versehe, hält mir die Perle einen Teller vor die Nase und bittet mich, ihr ein Heissgetränk zu spendieren. Obgleich ich wichtigeres zu tun hätte, komme ich dem Aufruf nach und nehme abermals die futuristische DeLonghi Kaffeemaschine in Betrieb. Nebenher verfrachtet mein Hausgast ein stattliches Kuchenstück auf einen Porzellanteller und setzt mich darüber in Kenntnis, dass sie Morgen mit Freundinnen ins Lichtspielhaus gehen wird – wie uninteressant.
11.00 Uhr Während wir Kuchen essen und brühfrischen Bohnentrunk geniessen, kommt meine Tischnachbarin auf die Dokumentation “Hannah” zu sprechen und unterbreitet, dass ich mich dem Ausflug anschliessen und in das spannende Leben der Hannah Nydal eintauchen sollte, die den tibetischen Buddhismus einst in der westlichen Welt bekannt machte. Ich lache laut und antworte, dass ich an diesem Unsinn nicht interessiert bin.


Ich lockere die Erde im Petersilienbeet

11.45 Uhr Nachdem Frau Pontecorvo endlich das Weite gesucht hat, schnappe ich mir ein kühles Bier aus dem Eiskasten und mache es mir zur Aufgabe, im Garten zu arbeiten. Während Dixon zum künstlich angelegten Teich läuft, um ausgelassen zu baden, lockere ich die Erde im Petersilienbeet und vergesse auch nicht, etwas Dünger auszubringen. Ferner stelle ich den Rasensprenger ein und nehme mir das Recht heraus, mit Herrn Booth einige Sätze zu wechseln – immerhin ist mir ein gutes Nachbarschaftsverhältnis sehr wichtig.
12.45 Uhr Kurz nach dem Mittagsläuten kehre ich in die gute Stube zurück und schiebe eine Fertigpizza in den Backofen. Während sich die Köstlichkeit im gleissenden Ofenlicht sonnt, mache ich mich im Internetz über Frau Hannah Nydal schlau. Alsbald lese ich auf Wikipedia, dass die Dänin in den 1960er Jahren während einer Himalaya Reise mit dem Buddhismus in Kontakt kam und den Entschluss fasste, in Tibet heimisch zu werden und sich näher mit dieser zwielichtigen Meditationslehre zu beschäftigen. Schlussendlich gründete die Dame Anfang der 1970er Jahre ein eigenes Schulungszentrum in Kopenhagen und schrieb es sich bis zu ihrem Tod im Jahre 2006 auf die Fahnen, als Übersetzerin und Meditationsmeisterin zu fungieren – das ist ja allerhand.


Ich beisse kraftvoll zu

13.30 Uhr Als ich mir eine mit Pilzen und Salami belegte Pizza munden lasse, bimmelt plötzlich das Telefon und ich habe das zweifelhafte Vergnügen, mit Mieterin Sandra tratschen zu müssen. Das Kind plappert ohne Unterlass und weist mich auf die Tatsache hin, dass heute ein Brief von der Stadtverwaltung eingetrudelt ist. Augenrollend erfahre ich, dass die Behörde die Grundsteuer neu berechnen muss und wichtige Unterlagen benötigt. Da ich mich nicht um alles kümmern kann, verweise ich auf die Uhrzeit und bitte Sandra, Morgen noch einmal anzurufen.
14.15 Uhr Nachdem ich das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine verfrachtet habe, schlüpfe ich aus den Flip Flops und bette mich auf dem Wohnzimmerkanapee zur Ruhe – das tut gut.
15.15 Uhr Ich erwache ausgeruht und setze mich an den Schreibtisch. Während mich die Amazon Musiksäule mit handgemachter Landmusik beschallt, beantworte ich Fragen besorgter Heimseitenbesucher und kann es gar nicht glauben, zu welchen Schandtaten die heutige Jugend fähig ist. Selbstverständlich ermutige ich die Eltern, hart durchzugreifen und den Rabauken ganz klare Grenzen aufzuzeigen.
16.15 Uhr Nach der Arbeit sehe ich im Garten nach dem Rechten und ärgere mich, weil der Vierbeiner ausgebüchst ist. Schimpfend stapfe ich zur Villa von Familie Crane und werde Zeuge, wie Dixon mit Nachbarshund Joey um einen Tennisball streitet. Natürlich gehe ich sogleich dazwischen und rufe das Tier auf, mir nach Hause zu folgen.
17.00 Uhr Entnervt fülle ich Trockenfutter in Dixons Napf und mache mich dann in der Küche nützlich. Unter den fordernden Blicken des Hundes schwenke ich köstliches Grillfleisch in einer Pfanne und backe ausserdem tiefgefrorene Kartoffelspalten im Ofen auf – wie gut das duftet.
18.00 Uhr Mit vollem Magen nehme ich die Geschirrspülmaschine in Betrieb und gehe dann zum gemütlichen Teil des langen Tages über. Da ich stets über alles informiert sein muss, folge ich den Abendnachrichten und mache mich über die aktuellen Geschehnisse in der Welt schlau.

19.00 Uhr Um etwas Abwechslung zu bekommen, gebe ich mich zur Hauptfernsehzeit dem abendfüllenden Spielfilm “El Bar” auf HBO hin. Die spanische Erfolgsproduktion handelt von mehreren Menschen, die zufällig in einem Frühstücksgasthaus zusammentreffen und mitansehen müssen, wie ein Passant plötzlich hinterrücks erschossen wird – das ist ja allerhand.
21.00 Uhr Nach zweistündigem Nervenkitzel flimmert der Abspann über die Mattscheibe und ich betätige spornstreichs den “OFF” (löblich: AUS) Knopf auf der Fernbedienung. Zu guter Letzt streichle ich Dixon über den Kopf lege mich schlafen. Gute Nacht.