08.00 Uhr Ich erwache ausgeruht und ziehe die Vorhänge auf, um auf den Ohio River zu blicken. Nebenher berichte ich dem gähnenden Rüden, dass sich der grösste Nebenfluss des Mississippi auf über 1.000 Meilen durch den Osten der Vereinigten Staaten schlängelt – das ist phantastisch.
08.30 Uhr Nachdem ich den Frühsport im Hotelzimmer absolviert habe, rufe ich bei Edelbert an und vernehme, dass wir zeitnah aus dem “Pullman Plaza Hotel” in Huntington, WV austschecken und gen Norden krusen sollten. Ich stimme zu und verspreche, dass ich in einer Stunde im hauseigenen “Patio Restaurant” sein werde.
09.30 Uhr Nach einer Dusche nehme ich die auf der Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) eingegangenen Mittelungen in Augenschein und bringe heraus, dass meine Schwester und Guido noch immer in Naples verweilen und am Abend bei Frau Pontecorvo eingeladen sind. Ich lache laut und lasse es mir nicht nehmen, meiner Nachbarin per Kurzdepesche klarzumachen, dass es Guido faustdick hinter den Ohren hat.
Meine Schwarzbeere
10.00 Uhr Wenig später werde ich im Frühstücksraum vorstellig und wünsche dem Professor einen guten Morgen. Mein Bekannter plappert ohne Unterlass und erzählt, dass wir heute Ohio durchqueren und am frühen Nachmittag die Hauptstadt Columbus erreichen werden. Ich nicke eifrig und ordere bei einer beschürzten Kellnerin ein grosses Frühstück.
10.45 Uhr Im Anschluss bringen wir die Schlüsselkarten zum Empfang und schicken uns an, mit dem Haustier zum Fluss zu schlendern. Während der Vierbeiner unentwegt schnüffelt, deute ich zum anderen Ufer und informiere, dass der reissende Strom West Virginia von Ohio trennt. Der Professor schlägt in die gleiche Kerbe und vertellt, dass der bekannte John Denver Gassenhauer “Take Me Home, Country Roads” (löblich: Bring mich nach Hause, Landstrassen) seit 2014 die offizielle Hymne des Bergstaats West Virginia ist – wie aufregend.
11.30 Uhr Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, kehren wir zum WINNEBAGO zurück und gleiten voller Abenteuerlust vom Hotelparkplatz. Obgleich ich der viel bessere Fahrer bin, überlasse ich Edelbert das Steuer und halte ihn an, dem Highway 52 nach Nordwesten zu folgen – da kommt besonders grosse Freude auf.
12.00 Uhr Während die Landschaft an uns vorbeizieht, nippe ich genüsslich an einer Coladose und lasse Edelbert wissen, dass ich heute auf den Tag genau seit 40 Jahren unfallfrei im Strassenverkehr unterwegs bin. Mein Begleiter ruft sich den 26. Juli des Jahres 1977 ins Gedächtnis und erinnert, dass ich damals im Vollrausch die Kontrolle über meinen OPEL DIPLOMAT verloren und eine Strassenlampe umgefahren habe – wie lustig.
13.00 Uhr Unter anderem rasen wir am “Crows City Wildlife Area” vorbei und lernen, dass dieser 48 Quadratkilometer grosse Forst bei Wanderern äusserst beliebt ist. Darüber hinaus passieren wir auch die Gemeinde Chillicothe, die nach dem Indianerstamm der Chilacatha benannt wurde. Prof. Kuhn ist begeistert und setzt mich darüber in Kenntnis, dass in dieser Gegend auch die Shawnee Indianer gelebt haben, die dem Häuptling Tecumseh unterstellt waren – wie schön.
Tecumseh war eine stolze Rothaut
14.00 Uhr Nach einer knapp zweieinhalbstündigen Hochgeschwindigkeitsfahrt tut sich die Himmelslinie der Grossstadt Columbus am Horizont auf. Weil in der Hauptstadt des Bundesstaates viele deutschstämmige Immigranten leben, fassen wir den Entschluss, die Interstate 71 zu verlassen und den schicken Vorort “German Village” zu besuchen. Nach kurzer Suche parken wir das Wohnmobil vor dem “German Village Inn” und bringen an der Rezeption heraus, dass eine Übernachtung 71 Dollars kosten soll. Wir gehen prompt auf das Angebot ein und haben das Vergnügen, zwei gemütlich eingerichtete Zimmer im Erdgeschoss zugewiesen zu bekommen.
Willkommen in Columbus, OH
15.00 Uhr Nachdem wir uns kühle Biere aus dem Minibar gegönnt und uns erfrischt haben, nehmen wir Dixon an die Leine und brechen bei angenehmen Temperaturen zu einem ausgedehnten Spaziergang auf. Wir schlendern beeindruckt durch das historische Stadtviertel und beäugen wunderschöne Backsteingebäude, die im viktorianischen Stil erbaut wurden. Ferner vertreten wir uns auch im “Schiller Park” die Beine und lesen auf einer Informationstafel, dass diese Grünanlage an den deutschen Dichter Friedrich Schiller erinnern soll.
16.00 Uhr Anschliessend kühlen wir uns in der St. Mary’s Church redlichst ab und nehmen uns das Recht heraus, ein Gebet zu sprechen. Leider gesellt sich alsbald der Pfarrer an unsere Seite und unterbreitet, dass Hunde in seinem Gotteshaus nichts verloren haben – wie unlöblich.
16.45 Uhr Kurz vor dem Fünfuhrläuten finden wir uns plötzlich vor “Schmidt’s Sausage House” (löblich: Schmidts Wursthaus) wieder und lernen, dass in diesem Gasthaus vitaminreiche Speisen nach deutschen Rezepten serviert werden. Da unsere Mägen laut knurren, stossen wir spornstreichs die Pforte auf und ordern zwei Schweineschnitzel mit Pilzsauce und Kartoffelbrei. Dazu gibt es süffiges Coors Bier und als Nachspeise hausgemachten Apfelstrudel mit Vanilleeis – schmeckt gar nicht schlecht.
18.00 Uhr Nachdem wir einer Bedienung 75 Dollars überlassen haben, begeben wir uns auf den Heimweg. Ich komme aus dem Schnaufen gar nicht mehr heraus und erkläre meinen Begleiter, dass ich viel zu viel gegessen habe. Der Professor stimmt zu und meint, dass er sich nun aufs Ohr legen wird – das ist eine hervorragende Idee.
19.00 Uhr Zurück im “Village Inn” wünsche ich dem Professor eine angenehme Nacht und verabschiede mich winkend auf mein Zimmer. Wie es sich als Tierfreund gehört, fülle ich Dixons Napf mit Trockenfutter auf und vergesse auch nicht, frisches Wasser bereit zu stellen. Danach verschwinde ich im Bad und beschliesse den spannenden Tag mit einem Vollbad – das tut gut.
20.00 Uhr Während die Klimaanlage surrt und Dixon einen Kauknochen verdrückt, falle ich erschöpft ins viel zu weiche Bett und schaue etwas fern. Weil ich die Augen vor Müdigkeit kaum aufhalten kann, betätige ich zeitnah den OFF (löblich: AUS) Knopf auf der neumodernen Fernbedienung und döse schnell ein. Gute Nacht.